Wurstige Vorbehalte
Vor 30 Jahren fand am 1. November der erste Weltvegantag statt. Und seitdem hat sich in der veganen Produktwelt viel getan. Zum einen wurde die Auswahl deutlich erweitert und auch der Geschmack veganer Lebensmittel wird immer besser. Zum anderen bevorzugen immer mehr Menschen einen veganen Lebensstil. Was sich in den letzten Jahren allerdings kaum verändert hat, sind die Mythen, Vorurteile und Klischees über das Essen und die Veganer:innen selbst. Im Folgenden werden einige dieser anti-vegan Argumente aufgelistet und entkräftet.
„Menschen haben schon immer Fleisch gegessen“
Einer der beliebtesten Sätze von Nicht-Veganerinnen scheint der zu sein, dass Menschen schon immer Fleisch gegessen haben. Neben den wenigen Beeren und Nüssen war es vor grauer Zeit, als die Menschen noch in Höhlen lebten, vor allem das Fleisch, dass sie in der Entwicklung weit vorangebracht hat.
Nichtsdestotrotz ist der damalige Fleischkonsum kaum mit dem heutigen zu vergleichen. Zum einen wurde beinahe alles vom Tier verwendet, heute wird nur das „beste“ Fleisch genommen und der Rest oft weggeschmissen. Zum anderen haben wir heute ganz andere Möglichkeiten uns zu ernähren, da über die Jahrhunderte immer mehr essbare Pflanzen kultiviert wurden, und so stehen uns heute eine Vielzahl an pflanzlichen Alternativen zur Verfügung.
„Warum sieht es wie Fleisch aus?“
Beim Lesen von Kommentaren unter Rezeptvideos von veganen Gerichten fällt vor allem eins auf. Wer Fleisch isst, scheint sich sehr darüber zu echauffieren, wenn etwas Veganes vermeintlich wie Fleisch aussieht und so genannt wird, wie beispielsweise vegane Mortadella. Die meisten Veganer:innen verzichten jedoch aus ethischen und moralischen, nicht aus geschmacklichen Gründen auf Fleisch und andere tierische Produkte. Viele von ihnen mögen sogar den Geschmack von Fleisch, jedoch wollen sie nicht, dass Tiere ihretwegen getötet und gequält werden.
Zudem haben die Namen der Ersatzprodukte durchaus einen Sinn. Wenn ein Produkt als vegane Bratwurst deklariert wird, wissen Veganer:innen, dass das Produkt vegan ist und vor allem, welchem Fleischprodukt es ähneln soll. Das ist ungefähr vergleichbar mit alkoholfreiem Bier oder koffeinfreiem Kaffee - und da beschwert sich schließlich auch niemand.
„Veganes Essen ist voller Chemie“
Viele Menschen, die Fleisch essen, behaupten, dass vegane Ernährung voller chemischer Zusatzstoffe sei und beim Blick auf die vegane Wurstpackung fällt tatsächlich auf, dass viele Zutaten benötigt werden und sie teilweise bedenklich klingen. Natürlich braucht es mehrere Komponenten, besonders Aromen, um ein Produkt fleischähnlich zu machen. Und ja, es sind nicht alle Geschmacksverstärker gesund, weshalb eine Auseinandersetzung mit den Nahrungsmitteln durchaus aufklären kann. Aber bei „richtigem“ Fleisch aus der Massentierhaltung sieht es ähnlich aus: den Tieren Antibiotikum verabreicht, damit sie nicht krank werden
Im Grunde sind zu viele hoch verarbeitete Lebensmittel nie gut für den Körper, ob vegan oder nicht. Deshalb gilt auch hier in Maßen nicht in Massen.
„Soja zerstört die Regenwälder“
Der größte Teil des weltweit angebauten Sojas wird in Brasilien, Argentinien und den USA angepflanzt. Es stammt aus Monokulturen und ist häufig gentechnisch verändert. Monokulturen schaden der Artenvielfalt und Umwelt. Insbesondere in Brasilien werden dafür Regenwälder abgeholzt. Aus diesem Grund denken viele Menschen oft, dass Veganer:innen mit ihren Sojaprodukten zur Abholzung beitragen. Das stimmt so jedoch nicht. Das Soja aus Südamerika wird für Tierfutter in Mastbetrieben verwendet. Weltweit wird das angebaute Soja zu etwa 80 Prozent zu Tierfutter verarbeitet, knapp 18 Prozent werden zu Sojaöl, das beispielsweise als Biodiesel oder Bratöl verwendet wird und lediglich circa zwei Prozent werden tatsächlich zur Herstellung von Lebensmitteln verwendet. Bei dem Soja für Nahrungsmittel handelt es sich außerdem meist um europäisches Soja. Manchmal kommt es auch aus Kanada oder dem Ursprungsland China. Ein essenzieller Unterschied ist vor allem, dass der Tofu für unser Essen frei von Gentechnik und oft aus biologischem Anbau ist.
„Kühe müssen doch gemolken werden“
Wer kennt es nicht, das idyllische Bild einer Kuh auf einer grünen Weide, das auf einem Milchkarton abgedruckt ist. So friedlich und artgerecht läuft die Milchproduktion in der Regel jedoch nicht ab. Damit Kühe Milch produzieren, müssen sie, wie Menschen auch, erst einmal schwanger werden. Das erfolgt oft durch eine künstliche Befruchtung. Eine Kuh gebärt ihr Kalb nach neun Monaten, welches ihr nach zwei bis drei Tagen weggenommen wird. Das Kalb wird entweder getötet oder manchmal selbst zur Milchkuh aufgezogen.
Häufig leiden die Milchkühe in den Mastbetrieben unter verschiedenen Krankheiten und durch das viele Melken entzündet sich ihr Euter. Nach drei bis vier Schwangerschaften ist die Kuh psychisch und physisch so ausgelaugt, dass sich das Geschäft mit ihr nicht länger rentiert. Ihr Leben endet dann im Schlachthaus. Sie ist dann etwa vier bis fünf Jahre alt und erreicht somit nur einen Bruchteil ihrer eigentlich 20-jährigen Lebenserwartung.
Am Ende kann natürlich jede:r für sich entscheiden, wie man lebt und sich ernährt. Dennoch sollte eine Begegnung auf Augenhöhe stattfinden und gerne mal über den Tellerrand geschaut werden.
Quellen: Spiegel, Peta, Albert Schweitzer Stiftung, hello vegan, careelite, vegpool, Planet Wissen