Gitta Rehage

Worpswede im NS

Worpswede. Gästeführerin Gitta Rehage besucht an die Orte in Worspwede, wo Jüdinnen und Juden Opfer wurden und fragt nach der Haltung von Künstlern gegenüber den Nationalsozialisten.

Die Worpsweder Initiative „Nie Wieder“ gedenkt jedes Jahr der jüdischen Opfer auf dem Rosa Abraham Platz, auch in diesem.

Die Worpsweder Initiative „Nie Wieder“ gedenkt jedes Jahr der jüdischen Opfer auf dem Rosa Abraham Platz, auch in diesem.

„Es ist grotesk, wenn ich daran denke, dass im Jahr 1933 alle diese Menschen einen Bogen um mich machten.“Karl Jakob Hirsch, jüdischer Autor und Maler, der in die USA emigrierte und als amerikanischer Soldat nach Worpswede zurückkehrte, notierte diesen Satz im Juli 1946 in seinem Tagebuch „Ouintessenz meines Lebens“. - Was war in der Zeit im Künstlerdorf geschehen, in dem bei der Reichstagswahl 1933 die NSDAP 66 Prozent der Stimmen erreichte und wo 1942 über 300 Parteimitglieder registriert waren?

 

Die Orte

 

Schlendert man heute durch die Bergstraße, dann kann man sich nur schwer vorstellen, dass hier zwei Schwestern unter der NS- Diktatur zu leiden hatten. Betty und Käthie Meyer, deren Vater Jude war und die folglich im NS-Jargon als „Mischlinge 1. Grades“ galten. Betty, Klavierpädagogin, wurde mit Unterrichts- und Auftrittsverbot belegt, Käthie fand als Krankenschwester keine Anstellung mehr beim Roten Kreuz. Der ererbte Landbesitz musste weit unter dem eigentlichen Wert verkauft werden. In der Findorffstraße - damals Adolf-Hitler-Straße - befand sich das Elternhaus des Vaters. Die Familie hatte es 1909 an den Bäckermeister Reiners veräußert. Ausgerechnet in diesem Haus wurde 1936 die NSDAP-Zentrale Worpswedes eingerichtet. Ferdinand Stolte, der Gründer der Ortsgruppe in Worpswede, beerbte Georg Reiners im Amt des Stützpunktleiters als dieser sich weigerte, sein Amt als Kirchenvorstand aufzugeben.

Biegt man von der Findorffstraße in die Hembergstraße ein, gelangt man heute zum Ärzte- und Polizeihaus. Dort befanden sich das Sommerhaus und der Tennisplatz des jüdischen Bremer Kaufmannes Walter Steinberg. Steinberg war im Ort anerkannt und sein Tennisplatz wurde gerne genutzt. 1933 wurde auch für ihn das Klima in Worpswede rauer. Immer wieder konnte man Schmähschriften an seinem Tennisplatz lesen. Seine Liegenschaft in Worpswede und seine umfangreiche Sammlung „Worpsweder“ der 1. und 2. Generation wurden enteignet. Eine Schenkung an seine Lebensgefährtin wurde annulliert. Bis heute ist der Verbleib einiger Bilder nicht vollständig aufgeklärt. Walter Steinberg wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und nahm sich dort das Leben. Seine Lebensgefährtin Elisabeth Hering (Christin) wurde in Bremen verhaftet und in Auschwitz interniert. Hier verliert sich ihre Spur. Die letzte in Worpswede verbliebene Jüdin war Rosa Abraham. Sie wurde 1942 in Treblinka ermordet. Ihre Geschichte ist im Ort heute bekannt. An ihrem ehemaligen Wohnsitz im Udo-Peters-Weg trägt ein kleiner Platz ihren Namen.

Die Aufarbeitung der Geschichte der Opfer in Worpswede ist nicht abgeschlossen. Derzeit wird zu den Schicksalen der Euthanasieopfer in Worpswede geforscht.

 

Die Künstler

 

Künstler und nationalsozialistisches Gedankengut - wie kann das zusammen passen? Nicht wenige der Worpsweder Künstler, allen voran Fritz Mackensen und Carl Emil Uphoff, standen der NSDAP weder skeptisch noch ablehnend gegenüber. Unter den Künstlern befinden sich einige Parteigenossen. Die Kunst, die Worpswede bekannt gemacht hat, fand den Beifall der Nationalsozialisten. Landschaftsbilder und Darstellung des bäuerlichen Lebens standen hoch im Kurs.

Dennoch wurden nicht alle Künstler, die sich darum bewarben, in die Reichskulturkammer aufgenommen. Ohne die Mitgliedschaft dort wurde ein Ausstellungs- und Verkaufsverbot verhängt. Die Gaukulturtage in Worpswede 1938 und 1939 mit ihren großen Ausstellungen zeugen davon. Aber nicht alle Künstler Worpswedes waren bei diesen Ausstellungen in der Großen Kunstschau und im Philine -Vogeler-Haus vertreten. Diejenigen, die sich angedient haben oder die Vereinnahmten finden wir im Verzeichnis der Ausstellung wieder. Künstler, die wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer politischen Ausrichtung oder ihres Kunst- oder Lebensstiles unangepasst waren, suchen wir vergeblich.

„Worpswede im Nationalsozialismus“ wird mehrmals jährlich als öffentliche Führung angeboten und ist jederzeit individuell buchbar.


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