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Verfassungsschutzbericht vorgestellt

Rechtsextremismus ist laut dem Niedersächsischen Verfassungsschutz weiterhin die größte Bedrohung für die Demokratie.

Dirk Pejril und Daniela Behrens. Foto: Niedersächsisches Innenministerium

Dirk Pejril und Daniela Behrens. Foto: Niedersächsisches Innenministerium

Niedersachsen. Anfang Juni stellten Daniela Behrens, niedersächsische Innenministerin und Verfassungsschutzpräsident Dirk Pejril den Niedersächsischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022 vor.

„Der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem für unsere Demokratie ist nach meiner Wahrnehmung mehr denn je gefordert und hat die volle Unterstützung der Landesregierung“, sagte Innenministerin Behrens. Gleich zu Beginn kamen die Ministerin und der Verfassungsschutzpräsident auf ein immer noch recht junges Phänomen zu sprechen: Das sogenannte Verdachtsobjekt „Demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates“ taucht erst seit April 2021 in den Berichten auf. Es wurde im Zuge der Corona-Proteste eingeführt. Nachdem die meisten Pandemie-Maßnahmen inzwischen zurückgenommen wurden, hätten sich entsprechende Akteurinnen in Niedersachsen wie erwartet anderen Themen zugewandt: Der Ukraine-Krieg, die hohe Inflation und die gestiegenen Energiepreise dienten entsprechenden Personen inzwischen als „Vehikel, um ihre fundamentale Ablehnung des demokratischen Systems der Bundesrepublik Deutschland zu verbreiten.“

 

Gewaltbereite Mischszene

 

Es handele sich um eine Mischszene aus traditionellen Rechtsextremistinnen, der Neuen Rechten und Verschwörungsideologinnen, die ihre Ideen vor allem online verbreiteten. „Ihre zentralen Feindbilder sind insbesondere haupt- wie ehrenamtliche Politikerinnen und Politiker, Journalistinnen und Journalisten, aber auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – oder Menschen, die sich öffentlich engagieren und für das Gemeinwohl eintreten“, erklärt Daniela Behrens. Verfassungsschutzpräsident Pejril warnt vor der Gewaltbereitschaft der neuen Szene: „Potenzielle Gewalttäter radikalisieren sich zunehmend unter dem Einfluss des Internets, ohne Anbindung an eine der traditionellen rechtsextremistischen Organisationen.“

 

Rechtsextremismus

 

„Der Rechtsextremismus stellt weiter die größte Bedrohung für unsere Demokratie dar“, sagt Innenministerin Behrens. Der „klassische Neonazismus“ befinde sich zwar seit Jahren in einer Abwärtsspirale - was an schwindenden Mitgliederzahlen rechtsextremer Parteien wie der NPD zu erkennen sei. „Tradierte Orga-

nisationsformen, die die Wahrnehmung des Rechtsextremismus jahrelang bestimmt haben, verlieren zunehmend an Bedeutung“, heißt es im Bericht. Doch die Wirkmacht rassistischer, antisemitischer und fremdenfeindlicher Positionen bleibe davon unberührt. Sie entfalte sich nicht zuletzt im Internet, wo Radikalisierungsprozesse häufig stattfänden. „Den Resonanzraum Internet wissen auch neurechte Strömungen, die vom Komplex des neonazistischen und gewaltbereiten Rechtsextremismus zu unterscheiden sind, propagandistisch zu nutzen“, berichtet der Verfassungsschutz weiter. Die ausgiebig genutzte Möglichkeit, entsprechende Positionen über das Internet zu verbreiten, habe den Wirkungsradius und den Einfluss neurechter Akteurinnen deutlich vergrößert.

Wegen ihrer teilweise hohen Gewaltbereitschaft und Affinität zu Waffen gehe ein besonders große Gefahr von Angehörigen der Reichsbürger-Szene aus. „Die bundesweiten Razzien aus diesem und dem vergangenen Jahr haben gezeigt: Dieses Milieu muss konsequent entwaffnet werden“, sagt Daniela Behrens und verweist auf geplante Änderungen im Waffenrecht.

Das Personenpotenzial des Rechtsextremismus sei in Niedersachsen leicht rückläufig und von 1.730 auf 1.610 Personen gesunken.

 

Linksextremismus

 

Linksextreme Personen gibt es laut Verfassungsschutz etwas mehr als 1.200 in Niedersachsen - rund 810 davon seien Autonome, Anarchistinnen und andere Gewaltbereite. Die Themenschwerpunkte der Linksextremen seien aktuell der Klimaschutz, die Wohnraumumgestaltung und der Antimilitarismus. Linksextremistinnen versuchten, die Klimaschutzbewegung für ihre extremistischen Interessen zu instrumentalisieren. Dabei gehe es darum, „Einfluss auf einzelne Gruppierungen dieser Initiative zu nehmen und sie zu radikalisieren.“ Verfassungsschutzpräsident Pejril sagt: „Im Gegensatz zum demokratischen Klimaprotest machen Linksextremisten mit ihren Aktionen deutlich, dass für sie konsequenter Klimaschutz nur möglich ist, wenn der Kapitalismus und der ihn – aus ihrer Sicht – schützende demokratische Rechtsstaat abgeschafft sind.“ Innenministerin Behrens fordert Klimaaktivistinnen in diesem Zusammenhang auf, sich von „extremistischen und kriminellen Kräften“ zu distanzieren. „Die Regeln unseres Rechtstaates gelten auch für diejenigen, die für so wichtige Anliegen wie den Natur- und Klimaschutz eintreten.“

 

Islamismus

 

Im Bereich Islamismus sei jihadistische Propaganda weiterhin virulent. Sie sorge für eine latente Anschlagsgefahr durch islamistische Extremisten und Terroristen. Indoktrinierte und radikalisierte Einzelpersonen, insbesondere auch in Verbindung mit psychischen Auffälligkeiten, oder Kleingruppen stellten hier neben den Terrororganisationen ein erhebliches Gefahrenpotenzial dar.

Obwohl das Personenpotenzial der salafistischen Szene leicht rückläufig sei, habe das Aktionsniveau im Jahr 2022 wieder zugenommen. Dafür seien vor allem einige neu etablierte deutschsprachige Prediger verantwortlich, die ihre Ideologie verständlich und jugendgerecht verbreiteten. Besonders salafistische Online-Angebote erfreuten sich nach wie vor großer Beliebtheit bei jungem Publikum. Die professionelle Nutzung von Social Media begünstige unbemerkte Selbstradikalisierung. Die Deutschsprachige Muslimische Gemeinschaft e. V. (DMG) in Braunschweig habe sich zu einem bundesweiten Anlaufpunkt für salafistische Prediger entwickelt, berichtet der Verfassungsschutz.


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