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Alfons Volmer

Rauchzeichen in der Kunsthalle

Worpswede. Noch bis März 2023 zeigt die Worpsweder Kunsthalle die Ausstellung „Rauchzeichen - Zeitzeichen“ mit Werken von Hans-Georg und Ursula Rauch.

Die Worpsweder Kunsthalle bietet den Werken von Hans-Georg und Ursula Rauch die richtige Bühne, findet Horst Rasch. Er schenkte dem Museum ausgewählte Werke des Paares. Foto: alvo

Die Worpsweder Kunsthalle bietet den Werken von Hans-Georg und Ursula Rauch die richtige Bühne, findet Horst Rasch. Er schenkte dem Museum ausgewählte Werke des Paares. Foto: alvo

„Ein dicker Strich erinnert Dich an mich.“ Dieser so manches Poesiealbum verunzierende Sinnspruch dürfte wohl kaum aus der Feder des Worpsweder Grafikers Hans-Georg Rauch (1939-1993) stammen, hat er doch stets immer nur die spitzeste verwendet, um akribisch seine detailverliebten Zeichnungen und Drucke anzufertigen. Die beeindruckenden Keramikarbeiten von Ehefrau Ursula (1943-2019) harmonieren dabei auf ganz eigene Weise mit seinem Grafikwerk. Bis zum 5. März 2023 präsentiert nun die Worpsweder Kunsthalle in ihrer Winterausstellung „Rauchzeichen-Zeitzeichen“ Werke des visionären und fleißigen Künstlerpaares.

 

Großzügige Schenkung

 

Möglich wurde das durch die großzügige Schenkung von 32 Grafik- und Ausleihe von 12 Keramikarbeiten im Jahr 2020 durch den Hamburger Architektur-Journalisten und Nachlassverwalter Horst Rasch, der bereits seit 1965 in seinen Zeitschriften Werke der Rauchs veröffentlichte. Später waren ihm als Intimus besonders tiefe und intensive Einblicke in ihr Lebenswerk möglich und er lebt auch inzwischen in deren Künstlerhaus.

Sonja Toeppe, Geschäftsführerin der Kunsthalle, sagte dankbar: „Die Schenkung stellt eine immense Bereicherung sowohl für die Kunsthalle als auch die Kunstlandschaft der gesamten Region dar. Eine besondere Ehre war zudem, dass wir uns die Werke auch noch aussuchen durften.“ Rasch lächelnd dazu: „Der helle, große und hohe Ausstellungsraum mit seiner ausgeklügelten Beleuchtung bietet für die ausgesuchten Werke eine passende Bühne und lenkt mit seiner auf die Besucher:innen wirkenden Ruhe deren Blicke geradezu auf die grazilen Arbeiten von Hans-Georg. Als notorischer Einzelgänger befasste er sich sowohl künstlerisch als auch zeitkritisch mit wirklich allen Themen, die ihn auf- und anregten oder schlichtweg interessierten.“

 

Filigran, kreativ, wirkungsvoll

 

In der Tat wird Rauch in einem Atemzug mit weltberühmten Künstlern wie Grosz, Steinberg, Searl und Flora (Rasch hat ihm übrigens eine der besonders spitzen Arbeitsfedern vermacht) genannt, manche kennen vielleicht auch noch die Zeitzeichen, also seine kritischen Beiträge in der Wochenausgabe „Die Zeit“. Toeppe: „Sein Werk ist wirklich sehr vielfältig und er weist darin auf Missstände hin, ohne permanent demonstrativ den Zeigefinger zu erheben. Häufig erschließt sich den Betrachtenden nicht auf den ersten Blick die Absicht des Künstlers, befasst man sich aber näher mit den Bildern und ist erst einmal über das unvermeidliche Staunen angesichts der zum Teil unglaublich feinen und teilweise nahezu mikroskopischen Gestaltung hinweggekommen, entwickelt sich zwischen unzähligen Federstrichen eine überraschend tiefgründige Wucht.“

Kaum jemand wusste bzw. weiß wohl Künstlerutensilien wie die Zeichenfeder, den Pinsel, Blei- und Buntstift oder auch die Kaltnadel so geschickt, filigran, kreativ, provokativ-wirkungsvoll einzusetzen und eine solche atmosphärische Dichte zu erreichen. Zunächst auf Schwarz-Weiß fixiert, hielt seit den 1980ern immer mehr Farbe Einzug in sein Œuvre, welches dadurch noch mit Aquarellen, Collagen und Buntstiftzeichnungen ergänzt wurde. Aber auch wenn Rauch sich ab den 1990ern dem Worpsweder Sujet schlechthin widmete, nämlich der Landschaftsmalerei, blieb er dabei abseits einer regionaltypischen Gründerauffassung bzw. Interpretation und somit auch hier ein kritischer Beobachter.

 

Risse im Ton

 

Parallel zu seinem schier unermüdlichen Schaffen löste sich seine Frau als traditionell ausgebildete Töpferin schon bald von herkömmlichen Ausdrucksformen und schuf geometrische Werkstücke, welche sie subtil verformte und so raffiniert kombinierte, dass der gebrannte, unglasierte, manchmal auch farbige Ton eine erstaunliche Leichtigkeit und Bewegung suggeriert, also zu einer phantastischen Illusion für die Augen der Betrachter:innen gerät. Rasch: „Auch Ursula war eine schöpferisch schier unermüdliche Schaffende und als sie in den 1990ern leider an Parkinson erkrankte, folgte sie dem Rat ihres Neurologen und setzte sich künstlerisch mit der unheilbaren Krankheit auseinander. So entstanden diverse Torsi, in welchen deutlich wird, wie die Krankheit auf den Menschen wirkt, zerstörte Nerven und Risse werden an einem Körper sichtbar, den Betroffene wie in Ketten gelegt empfinden.“

Vor dem Hintergrund ihrer physischen Einschränkungen ist es umso bewundernswerter, wie motiviert und energisch sie in Zusammenarbeit mit Töpfer-Lehrerin Gisela Meyer-Kaufmann sowie dem Bronzegießer Lothar Rieke nach einer von ihr selbst entwickelten, anspruchsvollen Technik ihren Körper in Gips abformte und die Torsi-Reihe entstehen ließ, womit sie auch ein positives Echo aus der medizinischen Fachpresse erhielt. So mögen die Rauchzeichen all jene herbeilocken, welche das Mysterium Kunst hautnah erleben wollen und auch eine Herausforderung nicht scheuen.


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