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Redaktion

Putin ist seiner Ideologie treu geblieben

Leserbrief zu Putins Krieg im 21. Jahrhundert
 
Klaus Schikore war von 1968  bis 1976 im hiesigen Stadtrat als Ratsherr der SPD tätig.

Klaus Schikore war von 1968 bis 1976 im hiesigen Stadtrat als Ratsherr der SPD tätig.

Am 19. Februar 2022 erschien in der hiesigen Tagespresse ein Artikel mit der Überschrift: „Der Frieden ist sein Lebensthema“. Es ist der Bericht meiner Lebensge-schichte in zwei deutschen Diktaturen und der Hoffnung auf ein friedfertiges Europa nach einem furchtbaren Weltkrieg. Wenige Tage später, am 23. Februar 2022, um 5.59 Uhr, in den frühen Morgenstunden, erklärt Putin den Krieg gegen die Ukraine.
Am 1. September 1939, um 4.45 Uhr, in den frühen Morgenstunden, erklärt Hitler den Angriff auf Polen, den Beginn des Zweiten Weltkrieges. Wie sich die Ereignisse gleichen! Ich war damals 10 Jahre alt und ahnte nicht das Grauen, welches er über Deutschland und Europa bringen sollte. Heute bin ich 92 Jahre alt und hoffte in diesem langen Leben, dass ein Krieg in Europa nach dem Ende des „Eisernen Vorhangs“ an einer deutsch-deutschen Grenze Vergangenheit wäre und ein Frieden bewahrt bliebe.
Wie haben sich da die demokratisch regierten Länder, ihre Politiker und Politikerinnen täuschen lassen! Und hätten doch wissen müssen, welche politischen Ziele ein Russland in den Händen einer Staatsmacht verfolgt, deren Führer aus der 1991 zusammengebrochenen Sowjetunion und dem nun entmachteten PolitKader der KPdSU stammen.
Ein Blick in die Geschichte genügt! Den Zweiten Weltkrieg haben mit dem Überfall auf Polen zwei Diktatoren aus zwei Staaten eröffnet: der ‚braune‘ Diktator Hitler am 1. September 1939 von Westen, der ‚rote‘ Diktator Stalin am 17. September 1939 von Osten. Vertraglich abgesprochen im „Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt“ vom 23. August 1939, dem sog. „Hitler-Stalin-Pakt“ mit seinem geheimen Zusatzprotokoll (bis heute der russischen Öffentlichkeit nicht bekannt). In jenem Zusatzprotokoll ist der Einflussbereich der Sowjetunion in Ostmitteleuropa festgelegt; darunter fällt auch das Gebiet der heutigen Ukraine.
Stalin hat seinen Überfall 1939 auf Polen mit dem scheinheiligen Argument der „Befreiung“ russischer Landsleute begründet, Putin seinen Überfall 2022 auf die Ukraine mit dem gleichen Argument. Stalin hat seinen Krieg gegen Deutschland mit dem ideologischen Argument der „Entmilitarisierung“ und „Entnazifizierung“ der Deutschen geführt, Putin seinen Krieg gegen das Brudervolk der Ukrainer mit den gleichen Vokabeln. Gelernt ist gelernt! Der ehemalige KGB-Agent und ehemaliges Stasi-Mitglied Putin ist sich und seiner Ideologie treu geblieben.
Stalin hat - anfangs mit Hitlerdeutscher Unterstützung - die einst selbständigen baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen zweimal zu Sowjet-Republiken gezwungen und Tausende ihrer Bürger in die Verbannung getrieben. Putin hat in seiner politischen Zielsetzung gegen die Ukraine auch die Drohung ausgesprochen, dass die baltischen Staaten in seinem Interessensgebiet lägen und die NATO sich aus jenen Ländern zurückziehen sollten.
Man kann als Außenstehender die russische Sorge vor einer sog. „NATO-Oster-weiterung“ sogar verstehen. Nur, nicht die NATO hat sich in jenen Staaten als militärisches Schutzschild angesiedelt, sondern jene souveränen Staaten haben aus bitterer Erfahrung und historischer Angst vor russischen Übergriffen die NATO-Mitgliedschaft ersucht. Freie, von fremder Vormacht unabhängige Entscheidung ist für einen in sowjetischer Machtausübung ausgebildeten „Funktionär“, auch wenn er nun in Zivil auftritt und in zaristischer Manier sich von Leibgarden die Saaltüren im Kreml öffnen lässt, nicht vorstellbar. Staatlich Autorität in menschlicher Bescheidenheit zu dokumentieren, ist von einem machtbesessenen Politiker nicht zu erwarten.
Der Kreml-Lehrling und jetzige russische Präsident hat seine politisch-ideologische Herkunft nicht abgelegt und sie seinen westlichen Gesprächspartnern durch fernsehreife Selbstinszenierungen vergessen lassen - bis zu seinem Überfall auf die Ukraine. Die Sprache aber gegenüber seinem eigenen Volk gleicht den Lügen und Falschmeldungen aus der UdSSR-Zeit, die Verfolgung Andersdenkender gleicht sich in erschreckender Weise sowjetischer Vergangenheit an: Wer den Krieg gegen die Ukraine nicht als „Friedensmaßnahme“ bezeichnet, landet in Gefängnissen und Straflagern wie zur Stalin-Zeit.
Wer andere Staatslenker, die sich bei ihm um Frieden bemühen, anlügt und im gleichen Moment wie ein Hasardeur gegen Kinder, Mütter, unschuldige Menschen eine Kriegsmaschine gewaltigen Ausmaßes in Bewegung setzt, ist in den Augen der freien Welt ein Kriegsverbrecher.
 
 
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