Luisa Mersmann

Mittelstand in der Zwickmühle

Wirtschaftliche Prognosen zeigen wieder vorsichtig nach oben, doch die Unternehmen vor Ort spüren eher Frustration als Aufbruch.

Bild: Creditreform

Im Herbst 2025 befindet sich der deutsche Mittelstand in einer Phase positiver Tendenzen, doch die Last der strukturellen Belastungen bleibt groß. Auch bei uns spüren Unternehmer:innen statt Aufbruch eher Frustration über unerfüllte Versprechen.

Laut der aktuellen Studie „Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand, Herbst 2025“ der Creditreform-Wirtschaftsforschung zeigt sich erstmals seit längerer Zeit ein zaghafter Aufschwung: Der Creditreform Geschäftsklimaindex (CGK), basierend auf einer Befragung von über 1.200 Unternehmen, liegt erstmals seit 2022 mit 0,1 Punkten leicht im positiven Bereich - im Vorjahr waren es minus 4,8 Punkte.

Während die Erwartungswerte der Unternehmen optimistischer ausfallen (Index +3,7 Punkte) und die Investitionsbereitschaft auf 43,5 Prozent gestiegen ist, bewerten viele Unternehmen ihre aktuelle Lage weiterhin negativ. Der Grund liege auf der Hand: schwache Industrieproduktion, verhaltener Konsum, hohe Energiepreise und steigende Löhne drücken erheblich auf die Rentabilität. Zudem zeige sich eine alarmierende Schwächung der finanziellen Basis. Der Anteil jener Betriebe mit einer Eigenkapitalquote unter 10 Prozent stieg auf 30,8 Prozent - ein Höchststand für die vergangenen Jahre. Auch beim Personalabbau setzt sich die Tendenz fort: 17,6 Prozent der Unternehmen meldeten gestrichene Jobs, während lediglich 15,3 Prozent neue Stellen geschaffen haben.

Trotz dieser Herausforderungen bleibt die Nutzung von Künstlicher Intelligenz noch relativ begrenzt. 26,9 Prozent der Unternehmen setzen KI-Lösungen ein, 17 Prozent planen dies und die Mehrheit (55,4 Prozent) nutzt bislang keine KI. Als Hürden werden Zeit- und Ressourcenmangel, fehlendes Know-How und Datenschutzbedenken genannt.

 

Herausforderungen in der Region

Der Mittelstand spielt in Niedersachsen eine besonders zentrale Rolle: Klein- und Mittelbetriebe stellen das Rückgrat der Landeswirtschaft dar, sowohl im produzierenden Gewerbe als auch im Handwerk und Dienstleistungssektor.

Die bundesweiten Belastungen scheinen hier besonders spürbar. Mehrere Stellungnahmen aus Industrie- und Handwerkskammern warnen, dass der Standort Niedersachsen in Punkten wie Bürokratie, Fördermittelzugang und regulatorischer Last an Attraktivität verliere. Viele Unternehmen beklagen, dass angekündigte Entlastungen und Reformen in den Haushaltsbeschlüssen nicht oder nur zögerlich ankommen.

So sieht das auch Ulrike Schrage, Geschäftsführende Gesellschafterin der Schrage GmbH, aus Osterholz-Scharmbeck: „Positive Veränderungen im Hinblick auf die Haushaltsbeschlüsse? Wir nehmen nur wahr: Statt dass Bürokratie abgebaut wird, entstehen noch mehr Gesetze, die uns das Leben schwerer machen, statt zu erleichtern - also nein: keine positiven Veränderungen.“ Zwar verzeichne Schrage GmbH noch einen guten Auftragseingang, wie lange das aber noch so weiterginge, sei ungewiss.

„Die Menschen im Land und auch wir im Unternehmen spüren keinerlei positive Veränderungen. Vorschriften und Bürokratie ersticken Innovationskraft. Dabei ist hier dringender Handlungsbedarf“, sagt auch Boris Thomas, Geschäftsführer von Lattoflex und Vorsitzender der Bremervörder Wirtschaftsgilde.

 

Zukunftsausblick

Der Bund rechnet mit einem leichtem Wachstum von 0,2 Prozent für 2025 und prognostiziert, dass ab 2026 ein stärkerer Aufschwung gelingt - getragen von erheblichen Ausgaben im öffentlichen Bereich. Wenn diese Impulse zielgenau wirken, könnten sie insbesondere strukturschwache Regionen entlasten.

Einige Unternehmen zeigen, dass antizyklisches Wirtschaften möglich ist, wie beispielsweise die Schrage GmbH. „Wir haben für eine Million Euro in Maschinen investiert. Und wir haben dieses Jahr wieder vier neue Azubis eingestellt. Warum machen wir das? Wir wappnen uns für bessere Zeiten. Irgendwann wird es wieder bergauf gehen - und dann wir sind bereit“, so Schrage. Sie und ihr Team vertrauen darauf, dass der nächste Aufschwung kommt. Vertrauen in die Regierung, dass diese hält, was sie verspricht, habe Schrage jedoch nicht.

 

Sorge für kommende Zeiten

Vielen Unternehmen geht es ähnlich: Reformen bleiben aus oder werden aus ihrer Sicht zu langsam umgesetzt, sie glauben nicht mehr an die Regierung. So war es auch in Bremervörde, als die Mitglieder der Wirtschaftsgilde erfahren haben, dass die Finanzierung des geplanten Ausbaus der A 20 Probleme darstellt. Es war „ein Schlag ins Gesicht für alle, denen man erzählt hat, jetzt würden riesige Mittel für die Infrastruktur frei gemacht. Die Wahrheit: Hier werden Mittel umgelenkt, um sich quälende Strukturreformen und Diskussionen über Prioritäten zu ersparen“, so Thomas. Laut ihm seien wir von einem Ruck, der durch das Land geht weit entfernt, weshalb er eher mit Sorge auf die kommenden Jahre blicke.


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