

Osterholz-Scharmbeck. Am 24. August wird sie um 15 Uhr mit einem Festgottesdienst mit anschließendem Empfang feierlich in der St.-Willehadi-Kirche von Regionalbischof Hans-Christian Brandy entpflichtet, der ebenfalls in den Ruhestand geht. Getanzt wurde bereits vorher bei einer Fete, die die Menschen des Kirchenkreises für sie ausrichten. Ihre Zeit als leitende Theologin war geprägt von Engagement, Weitsicht und einer tiefen Verbundenheit zu den Menschen – und diese will sie auch im Ruhestand nicht verlieren.
Schule und Kirche
Aufgewachsen in Bad Münder am Deister als Tochter einer Krankenschwester und eines Maschinenbauers, war sie die Erste in der Familie, die studierte. Die Familie war nicht kirchlich geprägt – und doch sollte die Kirche bald zu einer zweiten Heimat werden. Über die Konfirmation und ihre Arbeit als Teamerin fand sie früh den Weg in die Kirche. Begegnungen mit einer Partnergemeinde in Dresden und Reisen in die DDR prägten ihr Verständnis von gelebtem Glauben. Schon als Jugendliche war klar: Schule und Kirche – das ist ihr Leben.
Nach dem Theologiestudium in Göttingen folgte die praktische Ausbildung in Hannover. Der Probedienst führte sie ins Emsland, in die Gustav-Adolf-Gemeinde in Meppen, mitten in einer katholisch geprägten Region. Hier lernte sie gelebte Ökumene kennen – im engen Austausch mit Ordensleuten und in gemeinsamen Projekten. Drei Jahre blieb sie dort, bevor es nach Melle ging. Dort teilte sie sich mit ihrem Mann eine Pfarrstelle, elf Jahre lang. Die drei Kinder Max, Nele und Thies wuchsen in dieser Zeit heran. 2005 übernahm Rühlemann die Superintendentur in Osterholz-Scharmbeck. Die Region war ihr zunächst fremd – heute ist sie ihre Heimat und soll es auch bleiben.
„Die Sprache der Kirche übersetzen“
In ihren 21 Amtsjahren als Superintendentin prägte sie das kirchliche Leben im Landkreis mit Ideen, Mut und Tatkraft. Unter ihrer Leitung entstanden neue Gottesdienstformen, war der Kirchenkreis Gastgeber beim Kirchentag 2009 in Bremen und es entstanden die „Moin“-Kampagne der Jugendarbeit, Reformationsfeste, Konzerte, der Kirchenball und Torfkahngottesdienste. Gleichzeitig stellte sie sich den Herausforderungen von Strukturwandel, knapper werdenden Ressourcen und gesellschaftlichen Veränderungen mit dem Impuls, die regionale Zusammenarbeit zu stärken.
Rühlemann verstand es, den Kirchenkreis als offenes Netzwerk zu gestalten, das über den eigenen Kirchturm hinausblickt und in diakonischen Einrichtungen, Schulen und Gemeinden präsent ist. „Wir müssen die Sprache der Kirche so übersetzen, dass sie auch Menschen verstehen, die nicht kirchlich geprägt sind“, betont sie. Neben den großen Projekten gehörten auch handfeste Aufgaben zum Alltag: Stühle schleppen, Brötchen schmieren, Sitzungen vorbereiten. „Das Kleine ist oft entscheidend für das Gelingen des Großen.“
Ihre Bodenhaftung verdankt sie auch den prägenden Erfahrungen in unterschiedlichen Berufen während Jugend- und Studienzeit: im Büro, in der Glashütte, in der Pflege und im Verkauf. „Diese Begegnungen haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, den Alltag anderer Menschen zu verstehen.“
„Kirche hat eine Zukunft“
Ein Herzensprojekt – das geplante Begegnungszentrum in der Stadt – konnte aus finanziellen Gründen nicht wie geplant verwirklicht werden. Doch Rühlemann blieb pragmatisch und arbeitete mit anderen zusammen an einer kleineren, machbaren Lösung. Apropos Herzensprojekt: Die diakonische Arbeit war ihr stets ein Herzensanliegen: Hilfe für alle Generationen, Beratung und Begleitung in schwierigen Lebenslagen – das alles verstand sie als unverzichtbaren Teil von Kirche.
Ihr Ziel war es nie, Karriere zu machen, sondern den Kirchenkreis zukunftsfähig und nah bei den Menschen zu halten. „Kirche hat eine Zukunft, wenn wir solidarisch anpacken und den offenen Blick für die Menschen um uns herum bewahren.“
Der Kirchenkreis verabschiedet sich mit großem Dank für die Art und Weise, wie Jutta Rühlemann den Kirchenkreis geleitet hat. In der Zeit der Vakanz wird die Leitung des Kirchenkreises von den stellvertretenden Superintendenten Hans-Jürgen Bollmann und Birgit Spörl übernommen. Sie führen auch durch den Gottesdienst. Jutta Rühlemann freut sich indes auf mehr Zeit für Familie, Freunde, Strickprojekte und das Entdecken eines Privatlebens ohne Terminkalender.