Lehrerin gründet Repair Café
Es ist noch gar nicht so lange her, dass krumme Nägel wieder gerade geklopft und zerbrochene Brillengestelle mit Heftpflaster geflickt wurden. Solche Sparsamkeit wurde von unserer Konsum- und Wegwerfgesellschaft abgelöst, die nicht nur hohe Produktionszahlen und niedrige Preise kennzeichnet, sondern die zugleich ein Hindernis für eine auf Nachhaltigkeit setzende Klimapolitik darstellt.
Zum Wegwerfen werden Verbraucher:innen jedoch nicht nur durch billige Produkte animiert. Allzu oft werden sie auch von Herstellern dazu gezwungen, weil immer mehr Bauteile, wie vor allem Akkus und Elektroniksegmente eingegossen, verklebt oder genietet werden und somit bei deren Ausfall das gesamte Gerät irreparabel und nicht weiterverwendbar ist. Hinzukommt eine rasante Modernisierungsstrategie speziell im Bereich der Elektronikwaren. Auch die steigert die Bereitschaft, sich immer wieder Neugeräte anzuschaffen.
Wider dem Konsumzwang
Eine, die sich gegen diese umweltschädliche Verschwendung von Material und Ressourcen stellen will, ist die dreißigjährige Lehrerin Jana Hüntelmann. Inspiriert durch ein gut laufendes Repair-Café an einer Oldenburger Schule hatte sie die Idee, so etwas unter Einbeziehung der Schüler:innen auch in Osterholz-Scharmbeck einzurichten. Durch Mundpropaganda und Plakate gelang es, vier Helfer:innen aus umliegenden Reparatur-Einrichtungen, vier Elektronikmeister, einen VHS-Ausbilder sowie einige Mütter und zunächst vier Schüler:innen für die Realisierung zu gewinnen. „Die Klassen 5 bis 10 sollen vor allem für das Prinzip der Nachhaltigkeit sensibilisiert werden, ein ökologisches Gewissen weiterentwickeln und die Möglichkeit erhalten, sich dem allgemeinen Konsumzwang zu entziehen. Schon durch das bloße Zuschauen, insbesondere aber durch eine eigene Reparaturtätigkeit wird es eine Selbstwirksamkeitserfahrung geben. Die Schüler:innen handeln selbstbewusst unter Anleitung der Älteren, stellen etwas her und lernen sich sowie andere besser kennen. Sie gelangen also auf praktischer und sozialer Ebene zu Erfolgserlebnissen, welche ihnen heutzutage in der Gesellschaft immer weniger vergönnt sind, und gewinnen dazu noch hautnahe Erkenntnisse über verschiedene Berufe.“
Reparaturen und Austausch
In zwei großen, sehr gut ausgestatteten Werkräumen sollen künftig kleine Elektrogeräte, Handys, Fahrräder, Kleinmöbel und Textilien wieder zum Funktionsleben erweckt, aber auch Bedienungshilfen bezüglich IT allgemein, PC und Mobilfunkgeräten vermittelt werden. Der Durchgangsbereich beim Ersatzteillager sei als Ort der Begegnung und des kulturellen Austausches vorgesehen. Es könne Kaffee oder Tee getrunken und regelmäßig soll ein multinationales Buffet angeboten werden.„Die Garantie, dass ein Gerät wieder oder besser funktioniert gibt, es natürlich nicht“, so Hüntelman, sie setze aber darauf, dass die Helfer:innen möglichst alles in einem vertretbaren Rahmen instand setzen. „Wir sind grundsätzlich auf Spenden angewiesen, gerade mit Geld können dringend benötigte Dinge gezielt beschafft werden, aber auch noch brauchbare Fahrräder und Handys sind als Ersatzteillager willkommen.“ In der Anfangsphase müsse sich alles noch einspielen, daher bittet die Lehrerin, per mail an jana.huentelmann@lernhaus-ohz.de mitzuteilen, was repariert bzw. gespendet werden soll (ein Foto sei hilfreich). Besonders vorteilhaft wäre es natürlich, wenn noch weitere Helfer:innen und vor allem Schüler:innen für das engagierte Projekt gewonnen werden könnten. Passend zum Slogan „Umweltschutz kapieren heißt reparieren“ gibt es übrigens eine gute Nachricht für alle Tüftler:innen: Die seit März 2021 europaweit geltenden Ökodesign-Richtlinien, wonach Großgeräte nachhaltiger und reparaturfreundlicher herzustellen sind, sollen bald auch auf Kleingeräte ausgedehnt werden.