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Eva Kairies

Kein TiO Theater bis Ende April 

Osterholz-Scharmbeck. Wenn der Name Erich Kästner als Autor über einer Theaterproduktion steht, ist intelligente Unterhaltung zu erwarten. Diese Erwartungshaltung hat das Theater in Osterholz-Scharmbeck mit seiner plattdeutschen Inszenierung von „Drei Männer im Schnee“ absolut bedient.
 
Butler Johann (Jens Wendelken) fühlt sich so gar nicht wohl in der Rolle des Reeders Kesselhut.  Foto: ek

Butler Johann (Jens Wendelken) fühlt sich so gar nicht wohl in der Rolle des Reeders Kesselhut. Foto: ek

Ein wohlhabender Unternehmer, Geheimrat Tobler, freut sich auf seinen Luxusurlaub auf Amrum. Da er allerdings diese Auszeit im Preisausschreiben seiner eigenen Firma gewonnen hat, tritt er die Reise als so gar nicht schicker Millionär an, sondern in Garderobe, die auf ein kleines Budget schließen lassen. Kleider machen Leute - und so lässt das Hotelpersonal sofort den geschliffenen Umgang vermissen. Toblers Tochter Hilde will dem entgegenwirken und informiert den Hoteldirektor über die Anwesenheit eines inkognito reisenden reichen Mannes. Nun kommt Erich Kästners Lieblingssujet zum Tragen: Ein lustiges Vertauschen der Identitäten plus einer Prise Schicksal.
 
Leichte und anspruchsvolle Unterhaltung
 
Herausgekommen ist auf der Bühne des Gutes Sandbeck ein wirklich gelungenes Theaterstück unter der Regie des Gastregisseurs Martin Kammer aus Oldenburg. Mit Felix Murken als Geheimrat Tobler, Elena Razetti als seine Tochter Hilde, Jens Wendelken als Butler Johann oder Lukas Dobrick als Millionär Fritz Hagedorn hat Kammer eine erstklassige Besetzung im Ensemble. Auch die Zusammenarbeit mit den weiteren Mitspieler*innen Edda Hillmann-Quest als Haushälterin Frau Kunkel, Matthias Razetti als Hoteldirektor und Karl-Heinz Fürst als Portier, Silke Kühtmann und Astrid Koschnitzky als millionärsjagenden Damen Frau Casparius und Frau von Meisenstein muss dem Regisseur viel Spaß gemacht haben. „Ich habe jedem von ihnen den Freiraum gelassen, seine Rolle zu füllen“, sagte Kammer zu seiner Arbeitsweise. Seine recht demokratische Arbeitsmoral auf der Bühne war neu für das Ensemble des TiO und nicht für alle sofort und einfach umzusetzen. Doch der Erfolg gibt dem Regisseur recht: Die Zuschauer hatten unglaublich viel Spaß, gerade in Szenen mit viel Situationskomik. Diese künstlerische Freiheit, gepaart mit dem Kästnerschen Witz und einer Bühnentechnik, die so dicht war, dass man nur noch die salzige Brise erwartete, machte aus dem Filmklassiker eine leichte und doch anspruchsvolle Bühnenunterhaltung, die Kästners offenbar zeitlose Gesellschaftskritik nicht herunterspielte.
 
Das maritime Etwas
 
Das Verlegen der Geschichte aus den Bergen ans Meer gab der Geschichte noch ein paar Glanzlichter, wie zum Beispiel der Vorschlag der Frau Caspari an den jungen Fritz Hagedorn, den sie für den Millionär hält: „Komm her, lot us dörbrenn‘ no Flensborch!“, und die Küste gab auch dem Pagen, den sich das Theaterstück leistete, eine prima Rolle: Mika Pukies hat als Hotelboy viel Bühnenpräsenz, aber wahrscheinlich nur zwei Sätze und eine Menge Szenenapplaus für seine Möwe an der Angelrute, die während der Strandszene für das nötige maritime Etwas sorgte und eine Umbaupause überbrückte. Für die Frauenrollen hätte selbst Kästner noch ein paar Nachhilfestunden nötig gehabt, aber für den schmierigen Portier (Karl-Heinz Fürst) und den arroganten Hoteldirektor (Matthias Razetti) hat er (oder war’s der Bühnenbearbeiter Charles Lewinsky?) einen ganz prima „Rache“-Schlusssatz in den Mund des Geheimrats Tobler gelegt, der einen direkt mit dem Kapitalismus versöhnen kann: Ihm gehörte das Hotel auf Amrum schon lange (hatte er nur vergessen).
Nun ist es natürlich schade, dass das Theater in OHZ ausgerechnet beim letzten Stück der Saison eine Zwangsspielpause einlegen muss bis zum 30. April aufgrund der Corona-Pandemie. Über weitere etwaige Spieltermine wird Sie der ANZEIGER auch online unterrichten.


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