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Friedenstauben neben Reichsflaggen

Andrea Röpke sprach in der IGS Osterholz-Scharmbeck über „Neue rechte Erscheinungsbilder“.

Andrea Röpke informierte an der IGS über aktuelle Entwicklungen in der rechtsextremen Szene. Foto: jm

Andrea Röpke informierte an der IGS über aktuelle Entwicklungen in der rechtsextremen Szene. Foto: jm

Osterholz-Scharmbeck. Am 27. Januar ist der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocuast. Im Rahmen des Projekts „Wider das Vergessen - Erinnern für Toleranz“ lud die Integrierte Gesamtschule (IGS) die Journalistin Andrea Röpke zu einem Vortrag ein.

Manchmal wünsche man sich fast die klaren Verhältnisse der 90er-Jahre zurück, sagt Andrea Röpke. Sie meint damit eine Zeit, in der Neonazis sich - klar erkennbar mit kahlrasierten Köpfen und szenetypischer Kleidung - am Rande der Gesellschaft bewegten und mit ihrem Verhalten auffallen wollten. Oder wie der Verfassungsschutz es ausdrückt: Als die rechtsextreme Szene noch subkulturell geprägt und wenn überhaupt in der NPD organisiert war.

 

„Alter Wein in neuen Schläuchen“

 

Heute sieht die Welt etwas anders aus, vor allem im Zuge der Corona-Pandemie hat sich eine unübersichtliche Mischszene aus Menschen mit verschiedensten Hintergründen gebildet - viele davon aus der Mittelschicht mit akademischer Bildung, wie die Basel-Studie 2020 zeigte. Dieses noch junge Phänomen ist das Thema von Röpkes Vortrag „Neue rechte Erscheinungsbilder“. Die Journalistin aus Niedersachsen arbeitet seit 30 Jahren zum Thema Rechtsextremismus und war dennoch überrascht, was sie bei den „Querdenken“-Demos beobachten konnte: „Ich hätte nicht geglaubt, dass diese Menschen zusammen mit Rechtsextremen marschieren würden“, sagt Röpke.

Was Friedenstauben und Reichsflaggen, Esoteriker und Neonazis miteinander vereint, hat sich sicherlich nicht nur Andrea Röpke gefragt. Zum einen wären da Verschwörungsmythen, die seit Jahrhunderten immer gleich lauten. Eine mal näher und mal nicht näher benannte „Elite“ (der Begriff ist austauschbar mit „die Juden“) lenke das Weltgeschehen im Verborgenen zum Schaden des „Volkes“. Darüber hinaus teilten viele der Protestierenden die Ansicht, der Rechtsstaat sei nicht legitim und seine Gesetze müssten demnach auch nicht befolgt werden.

 

Drohungen werden wahr

 

Das äußert sich dann schonmal in der Forderung, Politiker in Arbeitslager zu stecken oder ihnen - wie im Fall von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil in Achim - direkt persönlich zu drohen und mit auf den Weg zu geben, sie sollten „zur Hölle fahren“. Nicht wenige der Äußerungen, die bei Corona-Protesten zu hören und zu lesen waren, sind strafrechtlich relevant.

„Wenn Gewalt als legitim dargestellt wird, muss man hellhörig werden“, sagt Andrea Röpke und schlägt auch einen Bogen zu den jüngsten Bauernprotesten. Dort gab es etwa eine Ampel am Galgen zu sehen - eine unmissverständliche Drohung. Die Rechten gewännen zunehmend an Selbstbewusstsein und versuchten, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. „Man traut sich weiter“, sagt Röpke und nennt dabei auch den 29. August 2020, als 400 Teilnehmer einer Demonstration versuchten, den Reichstag zu stürmen, als Beispiel. Der spätere Sturm auf das Kapitol in den USA habe dann gezeigt, „wie blutig so etwas enden kann.“

 

Weniger Mathe und mehr Soziales

 

Nach dem Vortrag bekamen die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, Fragen zu stellen. Wie Röpke zu einem Verbot der AfD stehe, wollte ein Schüler wissen. „Ich bin dafür“, sagte die Journalistin, auch wenn sie sich bewusst sei, dass man das grundlegende Problem des Rechtsrucks auf diese Weise nicht lösen könne. Immerhin sei es eine Möglichkeit, „die finanziellen Kanäle zu kappen.“ Ansonsten mangele es derzeit an wirksamen Konzepten gegen die Rechtspopulisten.

„Widersprechen aber nicht diskutieren“, lautete Röpkes Antwort auf die Frage, wie man Menschen mit rechtsextremen Einstellungen im eigenen Umfeld begegnet. Am besten in der Gruppe, „damit man nicht allein zur Zielscheibe wird.“ Eine Idee, wie man die Demokratie - im Kontext von Schule - wieder attraktiver machen könnte, hatte Röpke auch: „Vielleicht mal ein bisschen weniger Mathe und mehr Soziales.“ Das solle man auf keinen Fall den Rechten überlassen, so die Journalistin.


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