Eine totalitäre Diktatur eigener Form
Die Islamische Republik Iran, so der amtliche Name des Irans, ist das Resultat der islamischen Revolution von 1979, die den Schah Mohammad Reza Pahlavi (1941–1979) absetzte. Der Schah hatte 1963 begonnen, das Land politisch zu liberalisieren, um es zu modernisieren und industrialisieren. Unter anderem wurde 1963 auch das Frauenwahlrecht eingeführt. Beides, die Industrialisierung und die Modernisierung, führte zu Spannungen mit der ultrakonservativen schiitischen Geistlichkeit, deren oberster Führer der Ayatollah (der höchste Titel im schiitischen Islam) Ruhollah Chomeini war. Zugleich ermöglichte die Liberalisierung eine islamisch-sozialistische Opposition, aus der sich eine Guerillabewegung gegen den Schah entwickelte, die ihn mit Waffengewalt zu stürzten beabsichtigte. Dadurch geriet das Land zunehmend ins Chaos, was die führenden Vertreter der USA, Englands, Frankreichs und Deutschlands - nicht zuletzt aus Wirtschaftsinteressen - dazu veranlasste, dem Schah 1979 die Unterstützung aufzukündigen und in Gespräche mit Chomeini einzusteigen. - Der Beginn der islamischen Revolution.
Die Herren der Welt
Was dann 1979 entstand und sich bis heute radikalisierte, beschreibt der deutsch-iranische Politologe und Soziologe Wahied Wahdat-Hagh als eine „neue Form der totalitären Diktatur“, die mit modernen Mitteln - der Atombombe - anachronistische Gesetze - die Scharia - „verewigen“ wolle. Und das nicht nur im Iran. Die Mullahs (islamische Rechtsgelehrte) verfolgen eine globale Mission. So verkündete der iranische Gelehrte und Stratege Alireza Panahian, bei seiner öffentlichen Ansprache am 6. Oktober 2022, die auf dem iranischen TV-Sender Kanal 3 ausgestrahlt wurde, die Iraner würden Israel gemäß der islamischen Tradition vernichten und die „Herren der Welt“ werden. Diese Mission sei auch der Hintergrund des Atomprogramms des Irans, wie der Exil-Iraner und Gründer der Grünen Partei des Iran Kazem Moussavi schreibt: Zur Verwirklichung von Weltherrschaft und antisemitischer Vernichtung strebe das Regime die Atombombe an. Deshalb sei mit dem Iran auch kein rationaler Akteur gegeben, mit dem man verhandeln könne, sondern von dem sich vor allem Europa erpressbar machen lasse. Dass die Europäer und insbesondere Deutschland diesen antisemitischen Staatszweck des Irans nicht ernst nehmen und stattdessen in ihm einen engen Wirtschaftspartner sehen, kritisiert Moussavi als „Appeasement-Politik“. Scheit spricht gar davon, dass die permanent betonte Dialogbereitschaft nur die propagandistische Bemäntelung des europäischen Weges des „ständigen geringsten Widerstands“ sei. Und wenn man sich die nun verhängten europäischen Sanktionen anschaut, die die mächtigen Mullahs und erst recht nicht ihr Regime treffen, bestätigt sich Scheits Kritik aufs Neue.
Das Karussell der Macht
Den Iran charakterisieren: Führerprinzip, totalitäre Organe, Antisemitismus im Sinne eines eliminatorischen Antizionismus, Geheimpolizei und Terror (global), die Abwesenheit eines Parteiensystems und die geschlechtsspezifische Verfolgung von Frauen. Der Autor und Philosoph Gerhard Scheit, der ebenso wie Wahdat-Hagh eine Wesensverwandtschaft des iranisches Regimes mit dem Nationalsozialismus ausmacht, geht in der Bewertung des Irans sogar soweit zu sagen, der Begriff Diktatur verharmlose bereits das islamische Regime. Der vom Politologen Franz Neumann am Nationalsozialismus gewonnene Begriff „Unstaat“ charakterisiere es treffender. Demnach ist der Begriff „Republik“ im amtlichen Namen des Irans nichts als eine Fiktion. Eine Volkssouveränität gibt es nicht, eine Gewaltenteilung auch nicht. Die islamischen Parlamentswahlen (Majless) sind diktierte Wahlen, denn der sogenannte Wächterrat, das zur Regierung gehörende und die Legislative und Exekutive auf Islamtreue hin kontrollierende Organ, bestimmt, wer als „Volksvertreter“ gelten darf. Neben dem Wächterrat existieren z. B. noch der Rat der Erkenntnis der Staatsinteressen und der Expertenrat. Letzterer wählt den religiösen Führer, der an der Spitze des Gottesstaates steht. Er ist der Stellvertreter Gottes auf Erden, des erwarteten zwölften Imams Muhammad al-Mahdi, dessen Ankunftsfeier ein Fest des Todes Israels sein werde. Der oberste Führer heute heißt Ali Chamenei, der 1989 auf Ruhollah Mussawi Chomeini folgte.
Der Expertenrat wird vom Wächterrat gewählt, der wiederum vom Ayatollah bestimmt wird. Angesichts dieser sich selbst absichernden Organe benennt Wahdat-Hagh sie auch als ein „Karussell der Macht“.
Staatsterrorismus
Dem obersten Führer direkt unterstellt sind die Streitkräfte. Einen Teil davon bilden die Pasdaran, die Revolutionsgarde, die auch im Ausland Terroranschläge verübt. Deshalb steht sie auch auf der Terrorliste der USA - auf derjenigen der EU hingegen nicht. Die Pasdaran verfolgt und tötet u. a. sogenannte Abweichler von der islamischen Lehre. Im Iran gilt Terrorismus als revolutionärer Akt - die Erziehung zu Selbstmordattentätern beginne bereits in der Schule, so Wahdat-Hagh.
Das zweithöchste Amt ist der Staatspräsident. Der aktuelle Amtsinhaber ist seit 2021 Ebrahim Raisi, der z. B. die derzeitigen Proteste als initiiert von Israel und den USA zu diskreditieren versucht. Der Staatspräsident ist der Leiter der Exekutive und ernennt die Regierungsmitglieder, die jedoch vom Parlament bestätigt werden müssen. Der Präsident leitet die Regierungsarbeit, koordiniert die Entscheidungen der Minister und ist für diese dem Parlament und dem Religionsführer gegenüber verantwortlich. Alle Fragen, die die islamische Führung direkt betreffen, sind jedoch Angelegenheiten des Religionsführers.
Nicht reformierbar
Zusammengenommen: Beim Iran handelt es um ein politisches Systems der „technologisch entwickelten Gegenmoderne, das sich als eine paradigmatische Alternative zur westlichen Demokratie und Modernität versteht“, so Wahdat-Hagh, das all seine gesellschaftlichen Kräfte für einen Vernichtungskrieg gegen die Juden zu mobilisieren sucht. Der Islam ist dabei nicht einfach die Kultur oder Religion des Staates: Er ist dessen totalitäre Ideologie. Die islamische Herrschaft gilt in der staatlichen Doktrin der Islamischen Republik als absolut, weswegen die hier genannten Beobachter den Iran als für schlichtweg nicht reformierbar erachten.
Lesen Sie in der nächsten Woche, welche Funktion die Frau im Iran zu erfüllen hat.

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