Hans-Peter Büttner

Ein vom Schwanz aufgezäumtes Pferd

Einige westliche Staaten haben einen nicht existierenden Staat „Palästina“ anerkannt. Frieden bringt das nicht, so Hans-Peter Büttner. Er legt vier Punkte dar, die zunächst geklärt werden müssten, um dauerhaften Frieden zu schaffen.

Das arabisch-muslimische Viertel in Ostjerusalem würde zur Hauptstadt eines palästinensischen Staates werden.

Das arabisch-muslimische Viertel in Ostjerusalem würde zur Hauptstadt eines palästinensischen Staates werden.

Bild: Adobestock

Die Vereinten Nationen haben am 12. September dieses Jahres in ihrer Vollversammlung die sog. „New Yorker Deklaration“ zur Zwei-Staaten-Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts mit überwältigender Mehrheit angenommen. Diese von einer Staatengruppe um Frankreich und Saudi-Arabien Ende Juli erarbeitete Willensbekundung in 42 Punkten nimmt sich in Punkt 7 nicht weniger vor, als „ein gerechtes und umfassendes Friedensabkommen“, und zwar „in Übereinstimmung mit allen relevanten UN-Resolutionen“, gegenseitige Anerkennung und das Ende jeglicher Besatzung im Sinne von „Land gegen Frieden“. Der Krieg in Gaza müsse umgehend enden, „die Hamas muss ihre Herrschaft in Gaza beenden und ihre Waffen an die Palästinensische Autonomiebehörde übergeben“, so Punkt 11 der Deklaration. Abgerundet wird dieser Plan durch ein umfassendes Programm des Wiederaufbaus und eine Lösung des palästinensischen Flüchtlingsproblems „gemäß Resolution 194 der UN-Generalversammlung“ vom 11. Dezember 1948.

Dieses Flüchtlingsproblem, das die UNO zu einem palästinensischen Erbrecht erklärt und damit bis heute die Zahl der „Flüchtlinge“ von 1948 beständig vermehrt hat (Stand heute: rund 6 Millionen „Flüchtlinge“), ist den Autoren der New York Deklara-tion so wichtig, dass sie (Punkt 39) hervorheben, dass sie in ihrer Erklärung das allgemeine Rück-kehrrecht erneut zur Lösung des Flüchtlingsproblems geltend machen wollen.

Von hinten aufgezäumtes Pferd

Das Problem an der New Yorker Deklaration besteht weniger in ihrem mangelnden guten Willen als vielmehr in ihrem angekündigten Versagen in einigen wichtigen Kernpunkten. Weder fragt sich diese Absichtserklärung, was denn eigentlich der politische Wille der palästinensischen Konfliktpartei ist, noch bedenkt sie ernsthaft, welche Voraussetzungen eigentlich für Israel hergestellt sein müssten, damit die Sorgen und Ängste der Israelis um ihre Sicherheit und Existenz berücksichtigt wären. Diese Willenserklärung von 142 Staaten an die Stelle einer gemeinsamen, nach erfolgreichen Verhandlung-gen ermittelten Friedenslösung der Konfliktparteien treten zu lassen ist ein seltsames, das Pferd vom Schwanz her aufzäumendes Schlichtungsverfahren. Dabei lässt diese Verlautbarung der UNO nicht nur offen, wie denn eigentlich die Hamas zur Kapitulation gebracht werden soll und wie mit ihr und den anderen Terrorgruppen wie dem Islamischen Dschihad und der PFLP weiter zu verfahren sei; vor allem wärmt sie die unselige Flüchtlingsdebatte wieder auf statt klipp und klar zu sagen, dass palästinensische Kriegsflüchtlinge von 1948 und deren Nachkommen kein Recht auf „Rückkehr“ nach Israel haben können, denn dies würde Israel als jüdischen Staat zerstören.

Genauso kann der Grenzverlauf der Zeit vor dem Sechstagekrieg nur mit einigen Modifikationen erreicht werden, denn sonst müssten alle in Ostjerusalem und dem Westjordanland lebenden Juden vollständig „rückgeführt“ werden nach Israel. Dies ist jedoch weder notwendig noch zielführend, es könnte pragmatische und vernünftige Zwischenlösungen geben.

Vier zu klärende Punkte

Die Idee einer Zwei-Staaten-Lösung sollte dennoch nicht verworfen werden. Sie muss nur vernünftig bestimmt und es sollte sich vergegenwärtigt werden, unter welchen Bedingungen sie überhaupt funktionieren kann. Keine Zwei-Staaten-Lösung wäre auch keine dauerhafte Option. Ich möchte deshalb vier Punkte benennen, die meiner Auffassung nach erfüllt sein müssten, damit eine Zwei-Staaten-Lösung dauerhaft praktikabel wäre. Diese vier Punkte müssten in ihren praktischen Details natürlich in bilateralen Verhandlungen geklärt werden – Verhandlungen, die durch die Teilnahme friedenswilliger arabischer Staaten, der USA, aber auch möglicherweise ausgewählter, international anerkannter Persönlichkeiten aus Politik, Kunst und Wissenschaft unterstützt werden könnten. Ohne eine solche Einigung in Verhandlungen kann eine palästinensische Staatsgründung keinen Frieden bringen, sondern nur neue Konflikte oder gar Kriege.

1a: Das palästinensische Staatsterritorium kann nur im Westjordanland und in Gaza liegen, entsprechend den Grenzen vor dem 5. Juni 1967.

1b: Es gibt, ob dies nun gefällt oder nicht, israelische Siedlungen im Westjordanland und Ost-Jerusalem, mit über 500.000 Siedlern. Im Rahmen einer territorialen Lösung kann eine vernünftige Lösung nur so aussehen, dass einige israelische Siedlungen zurückgezogen werden müssen. Ein pragmatischer Ausweg könnte darin bestehen, einige Siedlungsblöcke innerhalb des palästinensischen Staatsgebietes bestehen zu lassen und ihnen dauerhafte Pachtverträge anzubieten, sodass aus dem „Problem“ durchaus ein attraktiver Lösungsansatz für beide Seiten entwickelt werden könnte. Einige Siedlungen müssten abgebaut werden, andere würden über langfristige Pachteinnahmen dem sich konstituierenden, palästinensischen Staat dauerhaft Einnahmen bescheren. So könnte durchaus eine Win-Win-Situation entstehen.

2.: Die Hauptstadtfrage ist im Kern recht einfach und schwierig zugleich. Das arabisch-muslimische Viertel in Ostjerusalem würde zur Hauptstadt des palästinensischen Staates werden, wie im Prinzip in den Camp-David-Verhandlungen des Jahres 2000 bereits von israelischer Seite angeboten. Die heiligen Stätten aller drei Weltreligionen müssen hierbei ungehindert zu erreichen und das Recht auf friedliche Ausübung des jeweiligen Glaubens garantiert sein.

3.: Es kann kein „Rückkehrrecht“ für die palästinensischen Flüchtlinge des Krieges von 1947 bis 1949 oder ihrer Nachfahren in israelisches Kernland geben. Diese immer wieder von palästinensischer Seite erhobene Forderung ist vollkommen unrealistisch und würde auf einen Bürgerkrieg in Israel hinauslaufen. Israel muss das Recht haben, ein mehrheitlich jüdischer Staat zu sein, so wie der palästinensische Staat das Recht hätte, ein mehrheitlich muslimischer Staat zu sein. Ein „Recht auf Rückkehr nach Israel“ kann es für die palästinensische Seite (die den Krieg 1947/48 begonnen hat, als Vernichtungskrieg gegen die Juden Palästinas) nicht geben.

4.: Terror und Gewalt müssen vollständig beendet werden. Die Gründung eines palästinensischen Staates kann nur dann nachhaltigen Frieden bringen, wenn die staatlichen Institutionen unabhängig sind und so funktionieren, dass sie Terrorgruppen mit allen Mitteln eines Rechtsstaates verfolgen. Diese Aufgabe darf nicht unterschätzt werden, denn sowohl der Jahrzehnte dauernde Terror als auch die judenfeindliche Indoktrinierung haben Gewalt gegen Israelis und Juden zu einer Selbstverständlichkeit werden lassen. Auf der anderen Seite muss die leider nicht zu leugnende Gewaltpraxis von Siedlern, die palästinensisches Territorium besetzen und palästinensische Landeigentümer vertreiben, beendet werden. Diese Angebotsleistung wird Israel erbringen müssen im Falle ernsthafter Verhandlungen, und es kann dies schaffen.

Dauerhafter Friede ist nur möglich durch Ehrlichkeit, die Bereitschaft, auch die Gegenseite zu verstehen, Geduld und praktische Vernunft. All dies muss vor allem von beiden Parteien kommen, es reicht die Einsicht von dritter Seite nicht aus.

 

Hans-Peter Büttner ist freier Autor und langjähriger Referent des Konstanzer Bildungszentrums zu den Themen Politik, Ökonomie und Astronomie.


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