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Chantalle El Helou

Diskussion SBGG: Das Gesetz steht in der sexistischen Tradition des Transaktivismus.

Die feministische Queertheorie-Kritikerin Chantalle El Helou kritisiert den im SBGG enthaltenden Geschlechtsbegriff.

Chantalle El Helou ist Politikwissenschaftlerin. Sie hält Vorträge zur Kritik der Queertheorie und zuletzt ist von ihr der Essay: „Vom Queersexismus zur Emanzipation“ erschienen.

Chantalle El Helou ist Politikwissenschaftlerin. Sie hält Vorträge zur Kritik der Queertheorie und zuletzt ist von ihr der Essay: „Vom Queersexismus zur Emanzipation“ erschienen.

 

Das Selbstbestimmungsgesetz hat nicht nur Probleme im Detail, der von ihm eingeführte Geschlechtsbegriff ist grundsätzlich zu kritisieren.

Durch den Gesetzestext werden die Begriffe „Nichtbinär“ und „Geschlechtsidentität“ nun aus dem queeren Szenejargon in den bundesrepublikanischen Common Sense gebracht. Damit wird Geschlecht offiziell zu einer Sache der Innerlichkeit - eben der Identität - und vom Körper vollständig enthoben. Geschlecht als Geschlechtsidentität gibt keine Auskunft darüber, was Geschlecht ist, sondern lediglich darüber, wie es sich ausdrückt. Unterstellt wird damit, dass Geschlechtsidentität ein allgemeines, auf alle Menschen zutreffendes Phänomen ist; jeder Mensch besäße eine Geschlechtsidentität, die existenzieller Teil seines Lebens und deren Anerkennung damit ein Menschenrecht ist.

Bei den transgeschlechtlichen und nicht-binären Menschen stimme die Geschlechtsidentität lediglich nicht mit dem Geschlechtseintrag überein, bei den sogenannten „cis“-geschlechtlichen hingegen schon. Implizit wird unterstellt, dass „cis“-Menschen ihre Identität ausdrücken könnten, ohne diskriminiert zu werden.

Das führt eine Vorstellung von Geschlecht ein, die auf der totalen - eben nicht mehr nur körperlichen - Vergeschlechtlichung des Subjekts basiert. Damit steht das Gesetz in der sexistischen Tradition des Transaktivismus.

Die Geschlechtlichkeit wird ins tiefste Innere verlagert, aber auch alles Innerliche - jede Regung - gilt als geschlechtlich. Geschlechtliche Vielfalt wird nicht nur als eine Vielheit im individuellen Ausdruck betrachtet, sondern als eine Identität, die sich zwangsläufig auch im Gebrauch von Namen und Sprache ausdrückt. Die These von der Verschmelzung des Subjekts mit seinem Geschlecht ist nun in Gesetz gegossen.

Das trägt dazu bei, dass die geschlechtliche Konnotierung von Verhaltensweisen und damit sexistische Stereotype nicht mehr hinterfragt werden. Das wird am Beispiel der Nichtbinarität deutlich: Um dazwischen zu sein, braucht es zwei Pole. Diese Pole werden jedoch nicht als körperliche angesehen, sondern als Pole des Geistes, eben der männlichen und weiblichen Identität. Die Einordnung im geschlechtlichen Dazwischen basiert auf der Vorstellung einer idealen Männlichkeit auf der einen und einer idealen Weiblichkeit auf der anderen Seite. Damit einher geht auch der Glaube, es gäbe tatsächlich konkrete Menschen, die ideal männliche Männer und ideal weibliche Frauen seien: Die Nichtbinarität basiert auf dem Glaube an konkret gelebte Binarität. All jenen, die also keine Änderung ihres Geschlechtseintrags oder ihres Namens vornehmen, wird damit zwangsläufig unterstellt, mit den sexistischen Idealen d’accord zu sein.

Das SBGG betrifft damit anders als behauptet tatsächlich jeden Menschen: Es tätigt implizit eine Aussage darüber, wie sich Geschlecht allgemein ausgestaltet, nämlich als Identität und erweist sich damit als in Übereinstimmung mit esoterisch-sexistischen Geschlechtervorstellungen.


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