Lukas Steuer

Die Toten nicht vergessen

Ritterhude. Schüler:innen des Schulzentrums am Moormannskamp gedachten am 9. November der Opfer der Reichspogromnacht.

13 Schüler:innen verlasen nicht nur die Namen, sondern auch einen kleinen Teil der Lebensgeschichten der Opfer der Reichspogromnacht in Ritterhude.

13 Schüler:innen verlasen nicht nur die Namen, sondern auch einen kleinen Teil der Lebensgeschichten der Opfer der Reichspogromnacht in Ritterhude.

Nachdem sich die ca. 350 Schüler:innen der achten bis zehnten Klasse gesetzt haben, wird es ruhig in der Sporthalle des Schulzentrums am Moormannskamp. Sie scheinen zu wissen, dass sie dieser Situation mit Respekt begegnen müssen. Sie schauen auf 13 Mitschüler:innen, gekleidet in Schwarz, die andächtig in der Mitte der Halle stehen. Sie halten zum 9. November, der Pogromnacht, eine Gedenkveranstaltung ab.

Wie überall im Landkreis Osterholz fanden auch in Ritterhude in der Pogromnacht 1938 Verbrechen gegen Jüdinnen und Juden statt. Die Befehle des Sturms in Ritterhude kamen von Fritz Köster, dem damaligen Bürgermeister Lesums.

Zum Gedenken an die Opfer der Pogromnacht lesen die Schüler:innen nicht nur die Namen der Opfer der antisemitischen Schreckensnacht vor, sondern auch einen kleinen Teil ihrer Lebensgeschichte. Sie erzählen, welche Interessen sie verfolgten oder welchen Beruf sie ausübten. Oder wofür sie in Ritterhude bekannt waren. Erinnert wurde u. a. an Leopold Sinasohn, welcher 1938 ermordet wurde, an die Eheleute Johannes und Erna Cohen sowie ihre Tochter, welche 1941 deportiert wurden und in Minsk starben und an die Eheleute Hartog und Paula ter Berg, welche 1941 deportiert wurden und auch in Minsk starben.

Diese Art des Gedenkens soll verhindern, dass die Geschichten und Schicksale der Menschen hinter den bloßen Zahlen der Verbrechen verschwinden. Die Opfer waren, wie alle anderen Menschen, konkrete Individuen. An genau diese erinnern die 13 Schüler:innen. Georg (14) und Matylda (13) sind zwei von ihnen. Sie beteiligen sich an der Veranstaltung, weil „es wichtig ist, dass an die Vergangenheit erinnert wird“, so Georg. Und weil „man die Toten nicht vergessen darf“, wie Matylda es formuliert. Auch die anwesenden Schüler:innen scheinen das Gedenken für wichtig zu erachten. Zumindest hören sie ergriffen zu. Kein Getuschel. Niemand stört. Manche scheinen betroffen.

Ergriffen sei auch der Bürgermeister Jürgen Kuck (SPD), der die Veranstaltung verfolgt und sich nach dem Anzünden der letzten Kerze bei den Schüler:innen für ihren Einsatz bedankt. Aufgrund des momentanen „imperialistischen Kriegs“ Russlands gegen die Ukraine sei es wichtiger denn je, sich an die Vergangenheit zu erinnern, um für die Gegenwart wachsam sein zu können. Er wünscht allen Schüler:innen, dass sie niemals solche Zeiten erleben werden müssen, wie die jüdischen Mitbürger:innen ihrer Groß - und Urgroßeltern, die in Ritterhude verfolgt, deportiert und getötet wurden.

Wer sich noch einmal in Ruhe die Geschichte der verfolgten Juden in Ritterhude vergegenwärtigen möchte, kann dies anhand der an die Opfer erinnernden Stolpersteine bei einem Spaziergang durch die Gemeinde tun.


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