Amelie Nobel

Das Leben einer Andersdenkenden

Die bewegte Geschichte von Rosa Luxemburg zur ihrem Todestag.
An ihr kommt keine Geschichtsschreibung vorbei: Rosa Luxemburg, die im Januar 1919 von rechten Freikorps ermordet wurde. Foto: wiki commons

An ihr kommt keine Geschichtsschreibung vorbei: Rosa Luxemburg, die im Januar 1919 von rechten Freikorps ermordet wurde. Foto: wiki commons

Bild: Patrick Viol

Ihren Namen hat fast jeder einmal gehört und wer sich mit den Schriften linker Theoretiker:innen beschäftigt kommt an ihrem Namen nicht vorbei. Die Rede ist von Rosa Luxemburg. Sie ist eine der einflussreichsten Frauen der deutschen Geschichte, die sich durch ihr schriftstellerisches Talent und ihre enorme Redekunst auszeichnet. Vor 150 Jahren wird die linke Intellektuelle geboren, am 15. Januar 1919 ermordet.
 
Die Internationalistin
 
Rosa Luxemburg wird am 5. März 1871 in Zamo geboren und zieht als Jüngste von fünf Geschwistern mit ihrer Familie nach Warschau. Ab einem Alter von fünf Jahren leidet sie an Gehbeschwerden, ihr gesamtes Leben bleibt eine Gehbehinderung zurück. Rosa Luxemburg ist zudem nur knapp 1,50 Meter groß. Doch ihre körperlichen Defizite macht sie durch ihre Intelligenz wett.
Schon früh interessiert sie sich für Politik und Sprachen. Mit 16 schließt sie sich dem Zirkel „Proletariat“ an und betreibt sozialistische Agitation unter den Schüler:innen. Nach dem Abitur muss Luxemburg in die Schweiz, um vor der Zarenpolizei zu fliehen. Sie studiert ab 1890 an der philosophischen Fakultät, wo sie Leo Jogiches kennenlernt, der ihr lebenslanger Gefährte werden wird. Beide sind 1893 an der Gründung der SDKP, der Sozialdemokratie des Königreichs Polen beteiligt. Luxemburg versteht sich als Internationalistin, 1903 wird sie Mitglied des Internationalen Sozialistischen Bureaus. Zur gleichen Zeit studiert sie unter anderem Nationalökonomie sowie öffentliches Recht.
 
Die Revolutionärin
 
Rosa Luxemburg geht im April 1898 eine Scheinehe mit Gustav Lübeck, dem Sohn eines Sozialdemokraten ein. Sie wird Deutsche und zieht nach Berlin, wo sie sich der SPD anschließt. Schnell wird sie die Wortführerin des linken Flügels. Unterdessen bildet sich in der SPD eine neue Strömung heraus. Einige Sozialdemokraten wollen eine sozialpartnerschaftliche SPD und eine evolutionäre Bewegung schaffen. Durch den Parteitheoretiker Eduard Bernstein entsteht die Idee des „Marxismus Light“: Reform statt Revolution. So soll die sogenannte herrschende Klasse im Laufe der Zeit zu Zugeständnissen bewegt werden, welche in den Sozialismus münden sollen. Luxemburg spricht sich öffentlich gegen einen solchen Reformismus und Revisionismus aus. Sie ist davon überzeugt, dass es ohne den Kampf gegen die politische Macht auch keinen für soziale Gerechtigkeit gebe. Luxemburg wünscht sich mehr konsequentes Handeln und kämpft für eine Sozialrevolution mit Machtübernahme durch die Arbeiter:innenschaft.
Stets verteidigt sie ihren revolutionären Standpunkt und nimmt in Zeitungsartikeln Stellung zur politischen. Zu einer Zeit, in der das durchaus gefährlich sein konnte. In den Jahren 1904 und 1906 muss Luxemburg wegen Majestätsbeleidigung und „Aufreizung zum Klassenhass“ eine Haftstrafe absitzen. Einschüchtern lässt sie sich dadurch jedoch nicht. Sie beginnt an der Berliner Parteischule zu lehren, nimmt an internationalen Kongressen teil und veröffentlicht viele Schriften, darunter auch ihr Hauptwerk: „Die Akkumulation des Kapitals“ und „Frauenwahlrecht und Klassenkampf“
 
Frauenwahlrecht und Klassenkampf
 
Als Luxemburg die Schrift veröffentlicht, dürfen Frauen in Deutschland nicht wählen. Luxemburg betont, dass die Gesinnung des Gemeinwesens von den historischen Gegebenheiten abhänge, und zieht eine Parallele zwischen Frauenwahlrecht und Klassenkampf. So ist sie nicht für eine Einführung eines Lohns für Hausarbeit, sondern für eine Abschaffung des allgemeinen Lohnsystems. Sie argumentiert, dass das Frauenwahlrecht den proletarischen Klassenkampf vorantreiben kann, denn je schlechter es den Frauen gehe, desto schwerer sei es für die Arbeiter:innen, ihre Ziele zu erreichen. In dieser Schrift beweisen sich das rhetorische Geschick und die Analysekraft der klugen Theoretikerin. So schreibt sie: „Die schlimmste Feindin der benachteiligten Frau kann die bevorrechtigte Frau sein.“
 
Die abgesegnete Ermordung
 
Im August 1914 spitzt sich die Lage zu. Die SPD stimmt den Kriegskrediten für den ersten Weltkrieg zu, der linke Flügel der Partei, zu der auch Rosa Luxemburg gehört, formt eine innerparteiliche Opposition. Denn Luxemburg ist gegen den Krieg, den vor allem das Proletariat treffen wird. Gemeinsam mit Karl Liebknecht und Clara Zetkin gründet Luxemburg die Spartakusgruppe, die nach der SPD-Spaltung 1917 der sogenannten USPD (Unabhängige SPD) beitritt. Hier kämpft Luxemburg weiter gegen kriegerischen Kapitalismus und für Meinungsfreiheit. Ihr berühmter Satz: „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“ geht in die Geschichte ein.
Während der Revolution und Gründung der Weimarer Republik 1918 entwickeln sich anfängliche Streiks und Besetzungen von Zeitungsredaktionen im Januar 1919 zu bewaffneten Aufständen gegen die Übergangsregierung unter Friedrich Ebert (SPD). Die Straßenkämpfe werden jedoch von Freikorps und rechten Reichswehrverbänden niedergeschlagen. Der Spartakusbund hat währenddessen die Kommunistische Partei Deutschland (KPD) gegründet, die sich oppositionell zur Ebert-Regierung positioniert.
Am 15. Januar 1919 werden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verhaftet und im Berliner Hotel Eden von Mitgliedern des Freikorps unter schweren Misshandlungen verhört. Karl Liebknecht wird im Tiergarten erschossen, Luxemburg wird von Soldaten der Garde-Kavallerie-Schützendivision unter der Leitung von Generalstabsoffizier Waldemar Papst ermordet. Ihre Leiche wird erst Ende Mai 1919 im Landwehrkanal gefunden. Die maßgeblich an den Morden beteiligten Offiziere werden freigesprochen. Die Geschehnisse verschärfen die Spaltung zwischen der radikalen Linken und der SPD, der als Regierungspartei für die Geschehnisse eine besondere Schuld zugeschrieben wird. Papst erklärt später in seinen Memoiren, er habe Friedrich Eberts und Gustavs Noskes Zustimmung erhalten, Luxemburg und Liebknecht zu ermorden. Ob dies stimmt, ist bis heute nicht geklärt. Fakt ist jedoch, dass Luxemburg für ihre politischen Überzeugungen mit dem Leben bezahlen musste.
 


UNTERNEHMEN DER REGION