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Bundestagswahl: Die Fake News Falle

Niedersachsens Sicherheitsbehörden warnen vor Desinformationskampagnen im Vorfeld der vorgezogenen Bundestagswahl. Kandidaten aus der Region bereiten sich vor.

Bild: Adobestock

Niedersachsen. Die Gefahr gezielter Manipulationen durch in- und ausländische Akteure sei erheblich gestiegen, erklärten Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens, der Niedersächsische Verfassungsschutzpräsident Dirk Pejril, LKA-Präsident Friedo de Vries und Landeswahlleiter Markus Steinmetz in einer gemeinsamen Mitteilung. „Desinformationen stellen einen perfiden Angriff auf unsere Demokratie dar“, sagt die Innenministerin. Falschnachrichten verbreiteten sich oft schneller als die Wahrheit - und genau das mache sie so gefährlich. „Die Meinungsbildung findet heutzutage immer häufiger online statt, sodass sich auch Desinformationen hauptsächlich in den sozialen Netzwerken wiederfinden und verbreiten. Die Algorithmen und Werbesysteme der Social Media-Plattformen begünstigen die Verbreitung“, erklärt Behrens.

„Zweifel sind abwegig“

Die Behörden gehen davon aus, dass insbesondere staatlich gelenkte Akteure aus dem Ausland versuchen werden, den Wahlprozess zu beeinflussen. Hybride Bedrohungen – ein Begriff, der gezielte Desinformationskampagnen, Cyberangriffe und andere destabilisierende Maßnahmen umfasst – seien eine ernsthafte Gefahr für die Meinungsbildung der Wählerinnen und Wähler, so Pejril. „Wahlen ermöglichen Bürgerinnen und Bürgern, das politische Geschehen aktiv zu beeinflussen. Und genau das wollen sich bestimmte Akteure zunutze machen“, sagt der Verfassungsschutzpräsident. Besonders russische Dienste seien bekannt für ihre Fähigkeiten und Motivation, westliche Demokratien zu destabilisieren. Aber auch andere Staaten könnten hinter Einflussnahmeversuchen stehen.

Angebliche Wahlmanipulationen seien derzeit ein beliebtes Thema von Desinformationskampagnen. „Die Verbreitung der Wahlmanipulations-Vorwürfe und ihre ständige Wiederholung ist deshalb so gefährlich, weil sie langfristig dazu führt, Misstrauen gegenüber der Demokratie und demokratischen Abläufen zu verfestigen. Einmal gesäte Zweifel lassen sich leider nur schwer wieder einfangen“, erläutert Landeswahlleiter Steinmetz. Beweise für Wahlmanipulation gebe es jedoch nicht, betonte er. „Zweifel an der Zuverlässigkeit der korrekten Durchführung der bevorstehenden Bundestagswahl sind tatsächlich völlig abwegig.“ Das deutsche Wahlsystem sei sicher und transparent, so der Wahlleiter.

Alles ist gesichert

Ulf Neumann, Pressesprecher des Landkreises Verden, erklärt die Sicherheitsvorkehrungen bei der Bundestagswahl: „Das für die Wahl genutzte Wahlverfahren wird in einem zertifizierten Hochsicherheits-Rechenzentrum gehostet. Die verschlüsselten Verbindungen werden dahin ausschließlich über gesicherte Leitungen und nicht über das Internet laufen. Das gilt für die Kreisverwaltung wie auch für die kreisangehörigen Gemeinden.“ Für die Wahlleitung im Wahlkreis 34 (Osterholz-Verden) ist in diesem Jahr die Kreisverwaltung in Verden zuständig. „Die Kommunikation mit Landes- und Bundeswahlleitung läuft ebenfalls verschlüsselt über dedizierte, gesicherte Leitungen. Der Zugang zu diesen Leitungen erfolgt im Kreishaus und ist mit entsprechenden Systemen wie Firewalls und Filtersystemen abgesichert. Der Raum selbst ist ebenfalls vor unbefugtem Zutritt und Manipulationsversuchen gesichert“, sagt Neumann.

Damit alles glatt läuft, müssen auch die Wahlhelfer:innen über sämtliche Schritte im Verfahren informiert sein: „Die Wahlhelfenden werden für ihre Aufgaben umfassend geschult. Dazu gehören neben den korrekten Abläufen am Wahltag und der Ergebnisauszählung auch Abläufe zur sicheren Ergebnisübermittlung und der Erkennung und Verhinderung von Manipulation, zum Beispiel durch illegale Wahlwerbung in den Wahlräumen.“ Die Wahlhelfenden seien angehalten, sich bei einem Verdacht auf Manipulation frühzeitig an die Ansprechpartner:innen in der Kreisverwaltung und den Gemeinden zu wenden.

Auch Kandidaten können zum Ziel werden

Neben digitalen Desinformationskampagnen drohen laut Verfassungsschutz auch gezielte Cyberangriffe auf Kandidatinnen und Kandidaten, politische Institutionen sowie kritische Infrastrukturen wie Stromnetze und Verkehrswege. Hack-and-Leak-Operationen, bei denen sensible Daten entwendet, manipuliert und dann veröffentlicht werden, seien eine bekannte Methode, um das Vertrauen in Politik und Verwaltung zu untergraben. „Wir sensibilisieren die Kandidierenden gezielt für diese Bedrohungen und informieren über Sicherheitsmaßnahmen“, erklärt Dirk Pejril. Auch Bürgerinnen und Bürger ruft er zur Wachsamkeit auf: „Hinterfragen Sie besonders emotional aufgeladene Informationen kritisch, prüfen Sie die Herkunft und nutzen Sie Faktenchecks.“

Die Kandidatinnen und Kandidaten in den hiesigen Wahlkreisen beschäftigt das Thema ebenfalls. „Ich habe den Eindruck, dass dieses Problem in Deutschland noch nicht in seiner vollen Dringlichkeit wahrgenommen wird“, sagt Vanessa Zobel, die im Wahlkreis 30 (Stade I - Rotenburg II) antritt.

Sie sei kürzlich von der Landkreisverwaltung Stade darüber informiert worden, dass beim Verfassungsschutz eine Kontaktstelle für Betroffene von Desinformations- und Einflussnahmeoperationen eingerichtet wurde, berichtet die CDU-Kandidatin. „Bis jetzt sind mir keine konkreten Desinformations-Attacken gegen mich bekannt. Dennoch halte ich das Thema für äußerst wichtig. In Ländern wie der Slowakei, Georgien oder Rumänien haben wir gesehen, wie Desinformation dazu genutzt wurde, nationale Wahlen zugunsten russlandfreundlicher Populisten zu manipulieren. Diese Gefahr ist real und zeigt, wie verletzlich unsere Demokratien sind“, so Zobel weiter.

„Nicht jede Behauptung für wahr nehmen“

Lena Gumnior kandidiert für die Grünen im Wahlkreis 34 (Osterholz - Verden). Sie sei bisher noch nicht Opfer von Desinformation geworden, berichtet die Juristin. „Angesichts der aktuellen Bedrohungslage ist es jedoch nicht auszuschließen, dass dies im Verlauf des Wahlkampfes noch geschieht. Ich begrüße daher ausdrücklich die proaktive Haltung der Sicherheitsbehörden, die uns Kandidierende frühzeitig informieren und unterstützen.“

„Die Behörden empfehlen verschiedene Sicherheitsmaßnahmen, um diesen Bedrohungen entgegenzuwirken. Dazu gehören regelmäßige Software-Updates, Schulungen zur Erkennung von Phishing-Versuchen, die Verwendung starker und einzigartiger Passwörter sowie eine kritische Überprüfung von Kontaktanfragen in sozialen Medien“, fasst Susanne Rosilius, AfD-Kandidatin im Wahlkreis 34, den Inhalt des Schreibens vom Verfassungsschutz zusammen. Um nicht selbst auf Falschinformationen hereinzufallen, informiere sie sich stets aus mehreren verschiedenen, seriösen Quellen zu einem Thema, bevor sie Meldungen als wahr akzeptiere, erklärt Rosilius. „Zudem hilft ein gesunder Menschenverstand, Widersprüche und Manipulationsversuche zu erkennen“, meint die AfD-Kandidatin. Wer Medienkompetenz besitze und sich nicht von Emotionen leiten lasse, könne Täuschungsversuche entlarven.

Der CDU-Direktkandidat Andreas Mattfeldt hat das Schreiben vom Verfassungsschutz noch nicht erhalten - mit Sicherheitsfragen ist der Bundestagsabgeordnete durch seine langjährige politische Arbeit aber bereits vertraut. „Ich bin mir der Gefahr bewusst und nehme die Informationen, Hinweise und Ratschläge zur Kenntnis und vor allem ernst.“ Alle Bundestagsabgeordneten aus Niedersachsen seien auch bereits vom Landeskriminalamt über mögliche Gefahren im Zusammenhang mit der Ausübung ihre Mandats informiert worden. Gegen Desinformation hat Mattfeldt einen simplen Tipp: „Insgesamt hilft, Informationen kritisch zu hinterfragen und nicht jede Behauptung für wahr zu nehmen“ - das gelte insbesondere für soziale Medien oder Presseportale mit Sitz in Ländern, die für Desinformationskampagnen bekannt sind. Von Desinformation sei er selbst noch nicht betroffen gewesen, so Mattfeldt. „Mir sind aber einige Fälle von Kollegen aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik bekannt.“


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