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Amelie Nobel

1942 auf Instagram

Auf der Social Media Plattform Instagram wird derzeit ein neue Form der Erinnerung versucht. Dort lässt sich seit dem 4. Mai das Leben von Sophie Scholl bis zu ihrer Hinrichtung verfolgen - so, als ob sie noch lebte, im Hier und Jetzt.
Sophie Scholl im Selfieformat: Die Schauspielerin Luna Wedler verkörpert auf Instagram Sophie Scholl. Foto: instagram/@ichbinsophiescholl

Sophie Scholl im Selfieformat: Die Schauspielerin Luna Wedler verkörpert auf Instagram Sophie Scholl. Foto: instagram/@ichbinsophiescholl

„Am Freitag geht die Uni los. Wie aufgeregt ich bin!“, schreibt eine junge Frau auf Instagram. Sie postet noch ein Foto mit ihrem Bruder. Soweit erst einmal nichts Außergewöhnliches. Doch das ist es. Denn eigentlich war das Ganze schon am 4. Mai 1942 - weit vor Instagram also. Damals hat die junge Frau angefangen, in München Philosophie und Biologie zu studieren, kurze Zeit später wird sie für ihre Überzeugungen sterben. Am 9. Mai wäre sie 100 Jahre alt geworden. Die Rede ist von Sophie Scholl, die im Rahmen eines Social-Media-Projekts einen eigenen Instagram-Kanal bekommen hat.
 
@ichbinssophiescholl
 
Den 100. Geburtstag der Widerstandskämpferin haben sich SWR und BR zum Anlass für ein besonderes Social-Media-Projekt genommen. Die junge Frau bekommt einen eigenen Instagram-Kanal, auf dem die Follower:innen nun die letzten Monate ihres Lebens mitverfolgen können. Verkörpert wird Sophie Scholl von der Schauspielerin Luna Wedler. Am 4. Mai ist der Instagram-Kanal @ichbinsophiescholl gestartet, genau an dem Tag, als Sophie nach München zum Studium kommt. Die Formate sind sehr vielseitig. Neben Fotos und Videomaterial werden auch Illustrationen verwendet, die sich an Originalzeichnungen Sophies orientieren. Komplementiert werden die Beiträge von historischem Originalmaterial, zu dem auch Filmaufnahmen zählen. Die Beiträge zeigen Sophies Alltag und lassen die Follower:*innen an ihren Gefühlen und Gedanken teilhaben.
Es sind Beiträge dabei, die von jeder Studentin sein könnten und dann gibt es aber eben auch die, die nur von Sophie Scholl sein können. So gibt es ein Video, in dem Sophie ein Paket von ihrer Mutter auspackt, später schreibt Sophie von den Bücherverbrennungen, die sie so bewegt haben. Das Projekt ist der Versuch, eine vergangene Zeit in das Hier und Jetzt zu transportieren. Und vor allem ist es der Versuch, das Leben einer mutigen, jungen Frau zu rekonstruieren.
 
Ein kurzes Leben
 
Am 9. Mai 1921 wird Sophie Scholl in Forchtenberg geboren. 1934 tritt sie dem Bund Deutscher Mädel bei, gerät aber im Laufe ihres Lebens in Konflikt mit den Ideen des NS-Regimes. Sie ist vor allem gegen die Einschränkungen geistlicher Freiheit und den Krieg. So ist sie alles andere als glücklich, als ihr Freund Fritz in den Krieg zieht. Im Mai 1942 darf sie zum Studium der Biologie und Philosophie nach München ziehen, wo auch ihr Bruder Hans studiert. Die junge Frau kommt durch ihren Bruder in Kontakt mit anderen Studierenden, die den Nationalsozialismus ebenfalls ablehnen. Die Gruppe „Weiße Rose“ entsteht. Hans Scholl und die anderen Mitglieder der Gruppe verfassen Flugblätter, in denen sie Hitler kritisieren und zum Widerstand gegen das Regime ermutigen. Auch Sophie schließt sich der Gruppe an und beginnt Flugblätter zu verteilen. Im Februar 1943 wird die Gruppe erwischt und muss für ihren Widerstand gegen das NS-Regime mit dem Leben bezahlen. Die Gruppe wird des Hochverrats beschuldigt und zum Tode verurteilt. Am 22. Februar 1943 wird die junge Widerstandskämpferin im Alter von nur 21 Jahren hingerichtet.
 
Eine andere Erinnerung
 
Tatsächlich ist die Darstellung einer historischen Persönlichkeit per Social Media eine andere Art der Erinnerungskultur. Die Idee ist vor allem eins: sehr zeitgemäß. Sie gibt Einblicke in die Zeit des Nationalsozialismus, auch wenn manche Handlungen und Aussagen Sophie Scholls fiktional sind. Sophie Scholls Gefühle wirken nachvollziehbar. So hat es eine besondere Wirkung, wenn sie begeistert in ihrer Instagram Story schreibt, dass sie sich so auf die Biologie Vorlesung freue. In der nächsten Story spricht sie wieder direkt in die Kamera. Sie wirkt enttäuscht. „Agitation und Propaganda statt Wissenschaft, so habe ich mir das nicht vorgestellt“. Diese schnellen Gefühlswechsel lassen sich gut über Social Media transportieren. Wenn man von der teilweise veralteten Sprache absieht, könnte man für einen kurzen Moment vergessen, dass das hier die Instagram-Stories einer verstorbenen Frau sind.
Das Projekt scheint vielen Menschen zu gefallen. Bereits über 800.000 Menschen folgen Sophie Scholl auf Instagram und unterstützen damit einen anderen Ansatz der Erinnerung an Sophie Scholl; an eine Frau, deren Mut auch für heutige Generationen inspirierend sein kann.


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