Ralf G. Poppe

Rebell auf dem Rasen

Ewald Lienen liest im Juni auf der Kulturbühne. Der ANZEIGER hat vorab mit dem Ex-Fußballprofi und Trainer gesprochen.

Bremervörde. Vielen Fans ist Ewald Lienen als der linke Flügelstürmer von Borussia Mönchengladbach in Erinnerung geblieben. Andere schätzen ihn als Trainer des FC St. Pauli Hamburg. Am 23. Juni um 19.30 Uhr besucht er für eine „Lesung fast ohne Buch“ die Kulturbühne im Möbelmarkt.

Die Gäste der Veranstaltung erwartet ein informativer, unterhaltsamer und mitunter auch heiterer Abend, der nachklingen wird. Der Fußballer Lienen ist bekannt geworden als einer, der sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt und die fortschreitende Kommerzialisierung im Fußball beobachtet und kritisiert. In Bremervörde wird er gemeinsam mit dem Hamburger Sportjournalisten Michael Born auf der Kulturbühne stehen. Lienens langjähriger Freund, der Duisburger Musiker Jupp Goetz, wird zwischendurch einige Songs singen, damit das Publikum mal durchatmen kann.

 

Messerscharfe Analysen

Fast 20 Jahre rannte Lienen sich für Vereine wie Borussia Mönchengladbach, Arminia Bielefeld und dem MSV Duisburg die Lunge aus dem Hals. 28 Jahre trainierte er Mannschaften im In- und Ausland und konnte mit Klubs wie dem MSV Duisburg, Hansa Rostock, 1.FC Köln, Panionios Athen und nicht zuletzt dem FC St. Pauli achtbare Erfolge verbuchen. Intelligent und wortgewandt seziert er nicht nur das Geschehen rund um den Fußball: Messerscharf analysiert Lienen auch die gesellschaftliche Situation in Deutschland und der Welt. Wer ihn auf der Bühne erlebt, wird in seinen Bann gezogen. Mit Leidenschaft und Humor fesselt er die Zuschauer verbal. Diese gehen erst nach Hause, wenn der Hausmeister auf die Bühne kommt, weil er auch mal Feierabend machen will… Der ANZEIGER stellte Lienen vorab einige Fragen.

ANZEIGER: Herr Lienen, da Sie größtenteils als Fußballer bekannt sind, beginnen wir mit sportlichen Fragen. Wie konnten Sie ihre Karriere in Bielefeld starten, in einer Stadt, die es laut Gerüchten gar nicht gibt?

Lienen: Das ist ganz dünnes Eis…

Scherz beiseite. Mit Borussia Mönchengladbach wurden Sie UEFA-Pokalsieger, mit St. Pauli Kult. Als jemand, der sowohl St. Pauli als auch Hansa Rostock trainiert hat - wie sehen Sie die jeweilige Anhängerschaft? Während St. Pauli sich als erster deutscher Verein gegen Frauenfeindlichkeit und Rassismus gestellt hat, sieht es in Rostock - zumindest in der Anhängerschaft - scheinbar anders aus.

Die Anhängerschaft eines Vereins kann man niemals einheitlich beschreiben oder beurteilen…Und das, was ein Verein vertritt, ist auch nicht immer kompatibel mit den Ansichten aller Anhänger - außer vielleicht beim FC St. Pauli, zumindest bei den Mitgliedern und sicherlich auch der Mehrheit der Anhänger. Diejenigen, die in einigen Fangruppen öffentlich höchst unangenehm auffallen, sind zwar leider sehr sichtbar, aber in der Regel eine Minderheit, mit denen auch die jeweiligen Vereine große Probleme haben, so wie auch in Rostock.

Wann haben Sie begonnen, ihren guten Namen in Sachen Fußball dafür zu nutzen, um auf Missstände aufmerksam zu machen oder Dinge in der Welt positiv beeinflussen zu können? Haben die Menschen ihnen gleich zugehört, oder hat es eine Weile gedauert?

Ich habe schon früh in meiner Karriere versucht, mich öffentlich für Fairness im Fußball, für Menschenrechte und Gerechtigkeit sowie für Frieden und gegen Aufrüstung einzusetzen. Damals waren Demonstrationen, Bürgerinitiativen, Aufrufe und Veranstaltungen die einzigen Möglichkeiten, öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Und dabei war die Beteiligung bekannterer Leute wie Sportler, Kulturschaffender oder, wie in meinem Fall, eines Profifußballers, sehr hilfreich. Und da das eher ungewöhnlich war, wurde sofort darüber berichtet.

Die Hamburger Firma EPEA setzt sich für eine giftstofffreie Kreislaufwirtschaft organischer Produkte sowie für wiederverwendbare Produkte in technologischen Kreisläufen ein. Konnten Sie dieses Wissen in die Produktion der „DIIY“-Produkte des FC St. Pauli einzubringen?

Natürlich haben wir uns seinerzeit mit diesem Thema auseinandergesetzt und so weit wiemöglich in unser Merchandising eingebaut. Dass das nicht sofort zu hundert Prozent möglich ist, versteht sich von selbst, aber die Richtung muss stimmen.

Nachhaltigkeit ist vielleicht so etwas wie ein Modewort geworden. Sie setzen sich jedoch vehement dafür ein, Dinge zu reparieren, anstatt sie wegzuwerfen. Was meinen Sie, wie bekommt man Menschen dazu, Ressourcen bewusster zu nutzen, und wiederzuverwenden?

Nachhaltigkeit bezieht sich nicht nur auf einen einzelnen, sondern auf alle Lebensbereiche, wie es die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen seit fast 10 Jahren beschreiben. Es geht um eine nachhaltige Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene, um die Ressourcen unseres Planeten im Einklang mit der Natur zu nutzen und die Regenerationsfähigkeit der Ökosysteme zu bewahren. Nur wenn wir den Erhalt unserer Lebensgrundlagen sowie das Gemeinwohl aller über die absurden Kapitalinteressen einer Minderheit stellen, können wir den dramatischen Klimawandel aufhalten und unsere Existenz sichern.

Zudem sind sie als Unternehmensberater aktiv. Können Sie in dieser Position dazu beitragen, die Nachhaltigkeitsziele mehr in den Fokos zu rücken?

Bei Unternehmen, Organisationen und Verbänden halte ich seit Jahren Vorträge über Führungsverhalten, Teambuilding, Kommunikation und Motivation. Und natürlich spielt Nachhaltigkeit dabei eine große Rolle, weil jedes Unternehmen seiner gesellschaftlichen Verantwortung auf den verschiedenen Ebenen gerecht werden muss.

Welche Unterschiede gibt es in Sachen Teambildung, wenn man einerseits Unternehmer berät, andererseits Fußballmannschaften aufstellt?

Die Parallelen sind groß, da Teamfähigkeit, partnerschaftliche Arbeitsatmosphäre und respektvolle Kommunikation in beiden Bereichen Voraussetzung für den Erfolg darstellen, egal ob wir vom wirtschaftlichen Ertrag oder von guten zwischenmenschlichen Beziehungen reden.

Wie war das Zusammenspiel des Rebellen Lienen mit dem eher als konservativ geltendem Berti Vogts - der sich als Nationaltrainer beim DFB aber dennoch stets für seine Mitarbeitenden eingesetzt hat? Meine Ehefrau war die jüngste Mitarbeiterin des DFB. Als sie damals gekündigt hat, meldete sich Vogts bei ihr persönlich, um die Gründe zu erfahren und nachzufragen, was man zum Besseren verändern könnte. Wie bringt man scheinbar unterschiedliche Welten auf einen Nenner?

Am Anfang war es noch etwas schwierig, weil wir unterschiedliche Werte und Ideen vertraten, aber im Laufe der Zeit wuchs der gegenseitige Respekt und wir konnten gut miteinander umgehen.

Die Veranstaltung in Bremervörde gilt zwar offiziell als nicht als Lesung, dennoch werden Sie sicherlich auch ihr Buch „Ich war schon immer ein Rebell“ in die Hand nehmen - obwohl es schon fünf Jahre alt ist. Ohne allzu viel zu spoilern: Welche Themen werden Sie dabei aufgreifen?

Sämtliche Themen, die das Leben so hergibt und die ich auch selbst erlebt habe. Deshalb heißt die Veranstaltung auch: Fußball und wie das Leben so spielt…

Warum findet das Debüt dieser Veranstaltungsreihe in Bremervörde statt?

Das hat mit den persönlichen Kontakten unseres langjährigen Freundes und Musikers Kim Merz zu tun. Er hat den Veranstaltungsservice Merz-VS gegründet, der uns betreut. Wir planen auch einige größere Auftritte, deshalb ist es schön und sinnvoll, den Auftakt der Reihe in einem familiäreren Rahmen so wie in Bremervörde zu machen.

Herzlichen Dank für das Interview.

Eintrittskarten sind im Vorverkauf für 25,00 Euro bei der Buchhandlung Morgenstern in Bremervörde erhältlich.


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