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Francesca Renken

Kommt ein Syrer nach Rotenburg

Gnarrenburg. Vergangene Woche fand im Gnarrenburger Bürgerhaus eine Lesung von den Autoren Samer Tannous und Gerd Hachmöller statt, die gemeinsam vom TANDEM e.V., der Buchhandlung Morgenstern und der Gemeinde Gnarrenburg organisiert worden war.
 

Der Hochschullehrer und Syrer Samer Tannous lebt mit seiner Familie seit 2015 in Rotenburg (Wümme) und schrieb zusammen mit seinem Kollegen Gerd Hachmöller von September 2018 bis Januar 2020 wöchentliche Kolumnen für den SIEGEL-Online, unter der Überschrift „Kommt ein Syrer nach Rotenburg“. Diese witzigen Anekdoten über das kontrastreiche Leben in Deutschland im Vergleich zu dem in Syrien haben mit der Zeit sehr viele Fans gewonnen und wurden nun auch als Buch im SPIEGEL-Verlag veröffentlicht.
Eine Kostprobe dieser Anekdoten bekamen Besucher des Bürgerhauses in Gnarrenburg am Donnerstag vergangener Woche.
Tannous machte „den Deutschen“ gleich zu Anfang der Lesung ein Kompliment, als er auf das stürmische Wetter hinwies und sich bedankte, dass trotzdem so viele Zuschauer erschienen waren. Nach und nach malten er und Hachmöller mit Geschichten aus ihrem Buch ein amüsantes, aber herzliches Bild über Tannous Leben in Deutschland.
Von seiner Art, sich Vokabeln einzuprägen, über das Fahrradfahren, das für Deutsche Teil der Kultur zu sein scheint, bis hin zu der Art, wie Deutsche sich ihren Alltag so sehr organisieren, dass sie zu nichts mehr Zeit zu haben scheinen. Tannous konnte seine Verwunderung, aber Anerkennung für deutsche Kultur und Umgangsweisen nicht verstecken.
 
Deutsche seien gefühlskalt
 
Etwas ernster wurde es am Abend aber dennoch, als Tannous auf das Vorurteil einging, das sich vor allem Deutsche selbst immer wieder zu geben scheinen: „Deutsche seien gefühlskalt.“
Der Hochschullehrer erzählte daraufhin von einer Zeit, in der er sich in Rotenburg sehr einsam gefühlt hatte und ihn die Abenteuerlust in größere Städte zu ziehen schien. Jeden Tag begegnete er in der Bahn einer deutschen Bekannten, die ihn immer kurz grüßte. An dem Tag, an dem er sich so einsam gefühlt hatte, hatte sie sich jedoch die Zeit genommen, ihm eine lange herzliche Umarmung zu geben und Tannous hatte gespürt, wie seine ganze Abenteuerlust gestillt worden war. Er bewundere die Deutschen dafür, denn er erlebe oft, wie solch freundschaftliche, aber herzliche Begrüßungen stattfanden. In anderen Ländern küsse man sich zwar zur Begrüßung auch auf die Wange, aber dies sei nur ein Ritual. In Syrien würde es unter Freunden niemals solche Umarmungen geben wie in Deutschland.
 
Offene Wunden
 
Tannous wurde zum Abschluss auch noch einmal sehr emotional, als er auf Fragen einging, die ihm immer wieder gestellt werden würden. Ob er seine Heimat vermisse und ob er nach Syrien zurückkehren würde, wenn der Krieg vorbei sei. Er wolle darüber noch nicht nachdenken, denn diese Gedanken seien wie Wunden, die noch nicht verheilt sind. Man drücke nicht immer wieder auf offene Wunden, denn das täte ja schließlich weh.
Zum Schluss sagte er jedoch, dass er vermutlich nicht nach Syrien zurückgehen werde. Das läge aber nicht nur bei ihm, sondern auch seiner Familie. Seine Töchter wuchsen in Deutschland auf. Dies war nun ihre Heimat. Auch Tannous wünsche sich, dass Deutschland zu seiner neuen Heimat würde, auch wenn Syrien immer in seinem Herzen bleiben würde.


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