Ralf G. Poppe

Im Mittelpunkt steht die Hilfe

Wenn Gewalt Familien zerreißt, springen Ehrenamtliche des Weissen Rings ein und leisten Hilfe, die oft über das Erwartbare hinausgeht.
(v. l.) Der Außenstellenleiter vom Landkreis Rotenburg, Jürgen Schulz, sowie Katarzyna Makol und Gabriele Gröning stehen Kriminalitätsopfern in und um Bremervörde hilfreich zur Seite.

(v. l.) Der Außenstellenleiter vom Landkreis Rotenburg, Jürgen Schulz, sowie Katarzyna Makol und Gabriele Gröning stehen Kriminalitätsopfern in und um Bremervörde hilfreich zur Seite.

Bild: Rgp

Bremervörde/Rotenburg. Der Weisse Ring ist mit mehr als 41.000 Mitgliedern Deutschlands größte Hilfsorganisation für Opfer von Kriminalität. Mitgegründet wurde der gemeinnützige Verein am 24. September 1976 durch den Initiator, Journalisten und Fernsehmoderator Eduard Zimmermann. In Bremervörde kümmern sich seit einigen Jahren Gabriele Gröning und Katarzyna Makol um Kriminalitätsopfer.

Die beiden Frauen haben hier in der Region beispielsweise eine Mutter und ihre siebenjährige Tochter unterstützt, die in einem zur Ortschaft Bremervörde gehörendem Dorf vom eigenen Großvater misshandelt worden war. „Niemand wollte sie unterstützen.“

 

Unbürokratische, schnelle Unterstützung

„Wir als Weisser Ring haben ihr die Hilfe einfach gegeben. Das ist über drei Jahre her, aber die Frau schreibt mir immer noch. Sie ist sehr dankbar, dass es so eine Institution gibt. Wir haben für das Mädchen einen (ärztlichen) Check organisiert, auch einen Rechtsanwalt, weil die Mutter den Peiniger verklagen wollte. Wir haben ihr bei allem geholfen, bis zum Schluss. Der Großvater ist verurteilt worden“, erzählt Gröning. Das Mädchen bekam psychologische Betreuung. Sie wollte zunächst keinen Kontakt mit niemandem. Sie habe nicht gesprochen. „Das war wirklich ein sehr trauriger Fall.“

Gröning und Makol verstehen sich als Lotsen durch den Dschungel von Möglichkeiten, die es gibt, um den Opfern zu helfen. Die Frauen bieten nicht nur ihre Hilfe an, sondern kümmern sich auch darum, staatliche bzw. finanzielle Unterstützung für die Kriminalitätsopfer zu bekommen. Diese würden lediglich auf Antrag erteilt – und derartige Anträge hätten die beiden Frauen bereits mehrfach ausgefüllt.

 

Vertrauensperson vor Gericht

Mitarbeiter:innen vom Weissen Ring unterstützen Tag für Tag zahlreiche Opfer, die unter sexualisierter Gewalt gelitten haben, oder leiden. Um kompetente Hilfe anbieten zu können, müssen die ehrenamtlichen Helfer:innen viele Seminare durchlaufen. Makol ist seit der Pandemie in Bremervörde für den Weissen Ring aktiv, hat auch bereits mehrere Seminare durchlaufen. „Ich war kürzlich in Göttingen. Bei jedem Seminar lernen wir was Neues, da zwischendurch stetig neue Vorgaben kommen. Beim letzten Mal habe ich gelernt, dass fortan lediglich noch Sechs-Augen-Gespräche möglich sind. Das bedeutet, ein Opfer und mindestens zwei Ehrenamtliche. Zumindest dann, wenn es sich um ein weibliches Opfer handelt. Es geht darum, dass in einem derartigen Fall (mindestens) zwei Frauen im Gespräch dabei sind. Die Gesprächsdokumentation ist auch wichtig, wenn ein Mann dabei ist.“ Diese Vorgabe bei Kontakten mit weiblichen Opfern ist vor 15 Jahren eingeführt worden. „Eigentlich auch zum Selbstschutz für uns, damit uns nicht später vorgeworfen werden kann, wir wären im Gespräch selbst übergriffig geworden. Gerade bei sexuellen Übergriffen würde ich es präferieren, wenn zwei Frauen dabei sind.“

„Der Erstkontakt findet meistens durch mich statt“, ergänzt Jürgen Schulz, Außenstellenleiter Rotenburg (Wümme). „Ich habe in Rotenburg ein Opfer-Telefon, beziehungsweise bekomme die Opferfälle von der Bundesgeschäftsstelle in Mainz zugesandt, falls sich jemand über unseren Notruf an uns wendet.“ Außerdem solle man bitte nicht denken, im Landkreis Rotenburg (Wümme) passierten keine besonders schlimmen Fälle. Im März 2024 habe es beispielsweise einen Vierfachmord bei Scheeßel gegeben, als ein Bundeswehrsoldat vier Menschen erschoss. „Das war schon sehr fordernd. Da darf man sich nicht vorstellen, dass das nur ein Gespräch ist. Wir bieten den Leuten an, sie zu Gericht zu begleiten und das Erlebte nochmal zu reflektieren. Ich habe Hinterbliebene des Falls bis ins Gericht nach Verden begleitet. Als Vertrauensperson darf ich das. Das gibt den Opfern (bzw. deren Angehörigen) schon ein bisschen Sicherheit“, so Schulz weiter.

 

Tatortreinigung

Die Unterstützung beginne bereits damit, zum Beispiel die Kosten für eine Tatortreinigung zu übernehmen, wenn die Leute kein Geld oder nur diese eine Wohnung zur Verfügung haben. „Ein Tatort muss schnell geräumt und gereinigt werden, nachdem die Polizei ihn durch die Staatsanwaltschaft freigegeben hat. Eine Reinigung mit Knochensplittern und Blutresten kann man dem Opfer selbst nicht zumuten. Das ist eine herausfordernde Arbeit. Damit sie schnell und gründlich passiert, haben wir die Möglichkeit, das auf kurzen Wegen zu begleichen. Was der Tatortreiniger im TV macht, ist Schönfärberei. Das ist Slapstick“, betont Schulz.

Finanziert werde der Weisse Ring durch Mitgliedsbeiträge, Spenden, Nachlässe und Geldbußen, die von Gerichten und Staatsanwaltschaften verhängt werden. Der Weisse Ring erhält keine staatlichen Mittel. Die Struktur bestehe aus 18 Landesverbänden mit bundesweit knapp 400 Außenstellen sowie 3.000 professionell ausgebildeten, ehrenamtlichen Helfenden.

 

Aufgaben

Neben der aktiven Opferhilfe fordert der Verein von Politik, Justiz und Verwaltung die Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation von Kriminalitätsopfern und ihrer Angehörigen. Der Weisse Ring kämpft – vertreten durch Gabriele Gröning und Katarzyna Makol – auch in Bremervörde für ein stärkeres gesellschaftliches Bewusstsein für die Situation der Opfer. Er unterstützt die Kriminalitätsvorbeugung und fordert dafür auch mehr öffentliche Mittel. Aus diesem Grund wird die Vörder Seefee – offizieller Likör der Stadt Bremervörde – den Weissen Ring im Januar mit seiner jährlichen Spende bedenken.


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