Seitenlogo
lst

Familien im Lockdown

Landkreis (lst). Wie kommen Familien im Lockdown zurecht? Das wollte der ANZEIGER in der vergangenen Woche wissen. - Einige Erfahrungsberichte von Müttern und eines Schülers.
So oder so ähnlich sieht der Familienalltag im Lockdown vielerorts aus. Viele Eltern sind deshalb inzwischen stark gefrustet.  AdobeStock/famveldman

So oder so ähnlich sieht der Familienalltag im Lockdown vielerorts aus. Viele Eltern sind deshalb inzwischen stark gefrustet. AdobeStock/famveldman

Körperlich anstrengend
 
Mit einer Träne im Auge sitze ich mit meinen beiden Kindern im Wohnzimmer. Dreieinhalb Jahre alt und fast ein Jahr alt sind die Jungs. Der Kleine kennt andere Menschen fast nur mit Maske, der Große war gerade glücklich im Kindergarten angekommen und muss nun seit Mitte Dezember zu Hause sein. „Mama, ich hoffe, im März ist Corona endlich vorbei. Damit alles normal wird.“ Was soll man einem dreieinhalb Jahre alten Kind darauf antworten?
Einem selber fällt diese Situation ja schon schwer, aber ein Kind, was dreieinhalb Jahre alt ist, die Welt entdecken will, soziale Kontakte braucht, wissbegierig ist und einfach auch den Input braucht, um ausgepowert zu sein. Wie soll eine so kleine harmlose Kinderseele das alles so wegstecken und verkraften?
Ich glaube, dass alle Muttis mit kleinen Kindergartenkindern auch das Recht haben, nicht auf dem Zahnfleisch zu laufen. Die Zwerge sind einfach noch nicht so weit, dass sie sich selber stundenlang beschäftigen können. Es ist wirklich hart, dass man sieben Tage die Woche, 24 Stunden immer und immer für zwei kleine Kinder parat sein muss.
Es ist keine körperliche anstrengend Arbeit, es ist geistig auch nichts Aufwendiges, aber man muss halt doch immer voll da sein. Keine Mittagsstunde, sondern eher Stunden voller Fragen.
 
Catrin Brinkmann aus Glinstedt
 
Homeschooling ist eine Katastrophe
 
Ich bin froh, dass es einmal die Möglichkeit gibt, seinen Frust loszuwerden. Homeschooling ist eine Katastrophe. Die Kinder werden riesige Lücken haben und die Nerven (der Eltern) liegen irgendwann blank.
Wir haben zwei Jungs auf dem Gymnasium Ritterhude.
Es ist absolut lehrerabhängig, in welchem Fach die Kinder gefordert werden und in welchem nicht. Videokonferenzen finden nur bei einer einzigen Lehrerin von den Jungs statt.
Mein Sohn in der 6. Klasse ist nach kurzer Zeit durch mit seinen Aufgaben. Die Klassenlehrerin hat sich schon im ersten Lockdown nicht gekümmert, das Muster scheint sich jetzt fortzusetzen. Man ist als Elternteil gefordert, um zu sehen, ob alles gemacht wird und wie es gemacht wird. Nebenbei versucht man, seinem eigenen Job im Homeoffice gerecht zu werden. Muss man doch mal ins Büro, weiß man, dass die Zeit eher vorm Fernseher (den wir leider nicht wie die Playstation sperren können) als vor Hausaufgaben verbracht werden.
 
Silke Hensel
 
Es ist, wie es ist - draußen ist Corona
 
Wir haben zwei Jungs im Alter von 9 Jahren (Grundschule) und 14 Jahren (Oberschule). Der Vormittag geht fix rum, der Grundschüler macht seine Aufgaben selbstständig. Für Fragen ist jedoch immer ein Elternteil da. Wenn ich arbeite, hat der Vater den Vormittag Zeit für Homeschooling. Zum Glück zeigt sich sein Arbeitgeber einsichtig, zurzeit switchen viele Kollegen zwischen Videokonferenzen und Kinderbetreuung hin und her. Ein ganz großes Lob möchte ich der Grundschule Karlshöfen aussprechen. Durch die klaren Vorgaben ist es den Kindern möglich, den größten Teil der gestellten Aufgaben wirklich allein zu lösen. Es ist sehr gut organisiert.
Etwas anderes ist da das Homeschooling beim 14-Jährigen. Die Aufgaben werden von den Lehrkräften per IServ übermittelt.
Leider sind die Abläufe nicht ganz so strukturiert wie an der Grundschule. Eine Rückmeldung der erledigten Aufgaben soll in den meisten Fällen auch über IServ erfolgen. Dies bedeutet teilweise: Arbeitsblätter ausdrucken, bearbeiten, einscannen, hochladen und per IServ zurück schicken. Zu Anfang brauchte der Sohn da noch Unterstützung, aber mittlerweile ist Routine reingekommen.
Die Kinder leiden schon seit fast einem Jahr sehr, aber stecken diese Situation irgendwie lockerer weg, „weil es eben so ist, wie es ist – draußen ist Corona“. Davon sollten wir uns alle eine Scheibe abschneiden.
 
Eine Mutter aus Karlshöfen
 
Der Digitalpakt wird zweckentfremdet
 
Ernüchterung am ersten Schultag. Der digitale Unterricht via Videokonferenz muss leider ausfallen. Auf Nachfrage bei der IT-Administration heißt es, der schuleigene Server sei heillos überlastet. Dabei hat ihn der Landkreis Osterholz-Scharmbeck erst 2007 brandneu gekauft. Aber für eine Belastung von 1.000 Schüler:innen scheint sogar dieser hochmoderne Server nicht geschaffen. Da kommt mal wieder die Frage auf, wo denn das Geld des Digitalpaktes bleibt, der vom Bund 2019 beschlossen wurde und dazu da ist, die Digitalisierung in Schulen voranzutreiben. Das Problem sind aber wieder Behörden und Bürokratie.
Das Gymnasium Lilienthal erarbeitete 2019 eigenständig ein Digitalisierungskonzept. In einem Gremium - zusammengesetzt aus Schüler:innen und Lehrer:innen - wurde über wichtige Anschaffungen diskutiert. Vertreter:innen von Firmen wurden eingeladen und stellten ihre Produkte vor.
Schüler:innen schilderten ihre Sicht der Dinge und ergänzten zusammen mit den Lehrer:innen das Konzept. Ein wichtiger Punkt war auch die alsbaldige Anschaffung eines neuen Schulservers.
Ergebnis dieses zeit- und arbeitsintensiven Projektes war ein 30-seitiges Medien- und Methodenkonzept, das aber nie mehr als ein Entwurf wurde.
Der Landkreis lehnte das Medienkonzept des Gymnasium Lilienthals ab. Eine Förderung der Schule durch den Digitalpakt blieb also aus.
Die Begründung des Landkreises: Es würden ungerechte Vorteile für das Gymnasium Lilienthal durch die Förderung entstehen, da andere weiterführende Schulen im Landkreis ja technisch noch auf einem niedrigeren Niveau als sie seinen.
So wird der Digitalpakt zum Politikum und durch die Landkreise zweckentfremdet. Die Schule muss also noch ein wenig warten, solange bekommen die Schüler:innen mehr Fehlermeldungen zu sehen als Leher:innen.
„Einem selbst fällt die Situation ja schon schwer, aber wie soll eine Kinderseele das wegstecken?“
„Die Klassenlehrerin hat sich schon im ersten Lockdown nicht gekümmert, das Muster scheint sich jetzt fortzusetzen“
„Ein ganz großes Lob möchte ich der Grundschule Karlshöfen aussprechen. Es ist alles sehr gut organisiert“
„So wird der Digitalpakt zum Politikum und durch die Landkreise zweckentfremdet“ Robert Alt (17), Schüler im 12. Jahrgang des Gymnasiums Lilienthal-Schoofmoor


UNTERNEHMEN DER REGION