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Lena Stehr

Endometriose: Dieser Schmerz ist nicht normal

Landkreis. Die chronische Krankheit Endometriose betrifft viele Frauen, ohne dass diese überhaupt davon wissen und wird von Ärzt*innen häufig nicht oder erst sehr spät erkannt. Drei Betroffene mit schweren Verläufen berichten von ihren Erfahrungen.
Die gynäkologische Erkrankung Endometriose verursacht den Betroffenen häufig starke Schmerzen und hat meist weitreichende Auswirkungen auf das gesamte Leben  Foto: Adobe Stock/ryanking999

Die gynäkologische Erkrankung Endometriose verursacht den Betroffenen häufig starke Schmerzen und hat meist weitreichende Auswirkungen auf das gesamte Leben Foto: Adobe Stock/ryanking999

Landkreis. Die chronische Krankheit Endometriose betrifft viele Frauen, ohne dass diese überhaupt davon wissen und wird von Ärzt*innen häufig nicht oder erst sehr spät erkannt. Drei Betroffene mit schweren Verläufen berichten von ihren Erfahrungen.
Starke Regelblutungen, Unterleibsschmerzen bis zur Ohnmacht, ein aufgeblähter Bauch und Schmerzen beim Sex - dies sind nur einige der möglichen Symptome der gynäkologischen Erkrankung Endometriose.
Dabei wächst im Bauchraum von Menschen mit Uterus im gebärfähigen Alter Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut sehr ähnlich ist und sich an den Zyklus angepasst verhält. Aus diesen sogenannten Endometrioseherden können Zysten und Verwachsungen entstehen, die Organe schädigen können und die Fruchtbarkeit der erkrankten Personen einschränken.
Meistens tritt Endometriose im Becken auf, also zum Beispiel an der Gebärmutter, der Blase oder dem Enddarm, kann aber auch an allen anderen Organen entstehen.
 
Wenig erforschte Krankheit
 
Die noch wenig erforschte Krankheit, deren Ursache nicht bekannt ist, tritt laut der Endometriose-Vereinigung Deutschland bei zehn bis 15 Prozent aller Frauen zwischen Pubertät und Wechseljahren auf. Selbst konservative Schätzungen sprechen von jährlich 40.000 Neuerkrankungen in Deutschland.
Doch trotz der hohen Verbreitung und der gravierenden Auswirkungen auf die Betroffenen werde die Erkrankung gesellschaftlich nur wenig wahrgenommen.
 
„Einfach mal die Pille nehmen“
 
Paula* hatte 2014 immerhin schon mal von Endometriose gehört und fragte ihre Frauenärztin, ob ihre Schmerzen beim Hinsetzen, Auftreten, Urinieren und Sex wohl daher rühren könnten. „Meine Gynäkologin erklärte mir aber, dass meine Vermutung unbegründet sei, da ich schließlich die Pille nehmen würde“, sagt Paula. Ihr sei geraten worden, die Pille einfach mal einige Monate durchgehend einzunehmen. Das habe sie auch getan, die Schmerzen aber blieben.
 
„Unnötig grobe Untersuchung“
 
Erst vier Jahre später bekam Paula nach einer Operation Endometriose diagnostiziert - zuvor hatten drei Gynäkolog*innen, ein Proktologe und drei Allgemeinmediziner*innen die Erkrankung ausgeschlossen. Insgesamt wurde Paula zweimal operiert, einmal in einer Tagesklinik und einmal in einem Endometriose-Zentrum in Hamburg. Sie beschreibt ihre zweite Nachuntersuchung unter anderem als „unnötig grob“ und wirft den behandelnden Ärzt*innen auch Fehler bei der Wundversorgung vor. Auch dass sie nach ihrem Eingriff auf einer Station mit frischgebackenen Müttern lag, kann Paula, deren Fruchtbarkeit vermutlich stark eingeschränkt sei, nicht nachvollziehen.
 
Langer Weg zur Diagnose
 
Einen langen Weg bis zur Diagnose hat auch Sonja* hinter sich. Fünf Jahre nach Auftreten der ersten Symptome äußerte ihr Hausarzt den Verdacht auf Endometriose und empfahl ihr, das Fachzentrum in Hamburg aufzusuchen. „Ich habe jahrelang gedacht, die Schmerzen beim Sex seien Kopfsache, und dass das Problem bei mir läge“, sagt Sonja. Ihr Frauenarzt habe wiederholt zu ihr gesagt, sie solle sich einfach mehr entspannen, und dass ab einem Alter von 30 Jahren und nach Absetzen der Pille starke Regelschmerzen „ganz normal“ wären.
 
Blut im Stuhl und hohes Fieber
 
Als Sonja schließlich Blut im Stuhl und über Tage während ihrer Regel Fieber und so starke Schmerzen hatte, dass sie fast in Ohnmacht fiel, habe sie gedacht, sie hätte Krebs. Viele Untersuchungen brachten keinen Befund. Der Arzt aus dem Endometriosezentrum brauchte allerdings nur „einmal kurz unten rein zu gucken“ und sagte „Das sieht man sofort“, schildert Sonja den Tag der Diagnose.
 
Auswirkungen aufs Sexualleben
 
Es folgte eine lange OP, bei der an Gebärmutter, Darm und Blase Gewebeschichten weggelasert wurden. Noch heute sind Vernarbungen übrig, die Sonjas Sexualleben beeinflussen.
Was Sonja aber am meisten stört, ist, dass sie gezwungen ist, die Pille und somit Hormone zu nehmen, um die nicht heilbare Endometriose in Schach zu halten. Die Kosten übernehme nicht einmal die Krankenkasse.
 
„Ich dachte, Schmerzen wären normal“
 
Auch Adrienne* dachte, nachdem sie die Pille vor zwei Jahren absetzte, dass starke Regelschmerzen normal seien, schluckte Schmerzmittel und legte sich mit Wärmflasche aufs Sofa. Solange sie die Pille eingenommen hatte (seit dem 14. Lebensjahr auf Anraten der Frauenärztin) hatte sie keine Beschwerden.
Erst rückblickend sei ihr Anfang des Jahres im Gespräch mit ihrer Gynäkologin bewusst geworden, dass zyklusunabhängige Beschwerden im Unterbauch, Schmerzen während des Eisprungs, Schmerzen bei und nach dem Geschlechtsverkehr, geschwollener Unterbauch/Blähbauch, Blasenziehen und starkes nächtliches Schwitzen kurz vor der Menstruation nicht der Normalfall sind.
 
Viele Fragezeichen im Kopf
 
Bereits einige Wochen später wurde Adrienne - ebenfalls in Hamburg - operiert. Die Endometriose betätigte sich, es wurden einige Herde entfernt und der Arzt habe ihr noch mit auf den Weg gegeben, dass er nicht versprechen könne, dass die Schmerzen weniger werden. Gebärmutter und Eileiter seien aber „in Ordnung und frei“.
Heute, rund einen Monat später hat Adrienne noch immer leichte Schmerzen von der OP und dazu viele Fragezeichen im Kopf, sagt sie.
Auch sie hat die Pille verschrieben bekommen. Frustriert sei sie wegen der unempathischen und nicht aufklärenden Nachkontrolle ihrer Frauenärztin. Trotzdem sei sie froh, dass die Ärztin ihre Beschwerden von Anfang an ernst genommen und schnell gehandelt habe.
 
Schlecht informiert und behandelt
 
Mit ihrer „Frauenkrankheit“ schlecht von Ärzt*innen informiert und behandelt fühlen sich auch Sonja und Paula. Sie appellieren an alle Betroffenen, sich nicht einschüchtern zu lassen, auf das eigene Gefühl zu hören, im Zweifel auch den Arzt zu wechseln und sich mit anderen auszutauschen, zum Beispiel in Selbsthilfegruppen oder in sozialen Netzwerken, in denen es auch entsprechende Gruppen gibt.
Viele Informationen zum Thema Endometriose gibt es auch unter www.endometriose-vereinigung.de.
*Vollständige Namen der Redaktion bekannt


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