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Die Motivation der Spaziergänger:innen 

Bremervörde. Rechtsradikale, Querdenker, Verschwörungstheoretiker - man sagt vieles über die sogenannten Spaziergänger:innen. Aber was haben sie selbst zu sagen? - Ein paar Antworten.
Carmen Stavenow, Mike Neely und Claus Bartels demonstrieren montags für das Ende der Coronamaßnahmen.

Carmen Stavenow, Mike Neely und Claus Bartels demonstrieren montags für das Ende der Coronamaßnahmen.

Carmen Stavenow (65), Mike Neely (37) und Claus Bartels (55) sind ungeimpft. Und das wollen sie auch bleiben. Dafür gehen sie in der Bremervörder Region montags spazieren, gemeinsam mit anderen, die die „Corona-Maßnahmen für überzogen halten“, wie Bartels erklärt. Stavenow, Neely und Bartels gehören zu den Bremervörder „Freiheitsboten“. Sie seien aber keine „Coronaleugner“, wie Stavenow erklärt. Es gebe unter den Freiheitsboten zwar auch einige, die sagten, Corona gebe es nicht. Aber um eine Leugnung der Existenz des Virus gehe es den Dreien nicht. Ihnen gehe es um Eigenverantwortung und das Recht auf körperliche Unversehrtheit, um den Schutz von Kindern und um eine Exitstrategie aus der Pandemie, wie Bartels erklärt, der bis vor Kurzem noch in der SPD aktiv war. Es müsse doch „jedem selbst überlassen sein, für sich zu entscheiden, ob er sich impfen lassen will oder nicht“, fügt Neely hinzu. Auch, wenn er sich damit in Gefahr bringt. „Wenn ich ohne Impfung aufgrund einer Infektion auf der Intensivstation lande, ist es ja meine freie Entscheidung gewesen“, erzählt Stavenow, die selbst als Intensivpflegerin gearbeitet habe. Jetzt sei es aber so, dass diejenigen, welche sich nicht impfen lassen, ausgegrenzt und angefeindet werden.
 
Kinder werden ausgegrenzt
 
Dabei gehe es Bartels weniger um ihn selbst, sondern um seine Kinder. Die würden sich, weil sie ungeimpft sind, in der Schule gar nicht mehr trauen, zu essen. Denn sobald sie die Maske abnehmen, würden sie angefeindet. So entstehe doch an Schulen eine Zweiklassengesellschaft, kritisiert Stavenow. Vor dem Hintergrund verteidigt sich Bartels auch gegen den Vorwurf, die Spaziergänger:innen würden ihre Kinder „instrumentalisieren“, der an sie gerichtet wurde, weil montags auch die eigenen Kinder mitlaufen. Die liefen mit, weil sie unmittelbar von Test- und Maskenpflicht betroffen seien. Betroffen insofern, erklärt Bartels, weil „nach und nach hochkommt, dass die Tests gesundheitsschädlich sind.“ Außerdem beschwere sich doch über Fridays For Future auch niemand. „Da gehen doch Lehrer mit Schülern auf die Straße. Das ist dann gute Politik, bei uns ist es schlechte.“
 
Das Nein zur Impfung
 
Aber warum lassen sich Bartels, Neely und Stavenow nicht impfen? Stavenow begründet ihre Verweigerung damit, dass der Impfstoff nicht genügend getestet worden sei. Das habe es noch nie gegeben. „Der wird jetzt an den Menschen getestet“, so Stavenow. Ihre Ablehnung verstärkend hinzukomme, dass man sich immer wieder impfen lassen müsse. „Ich lasse mich doch nicht fünf Mal im Jahr mit etwas impfen, wo ich nicht hinter schaue.“
Nicht zuletzt habe sie in ihrem Umfeld von Schlaganfällen nach der Impfung gehört. Aber dafür hafte weder der die Impfung verabreichende Arzt noch die Pharmaindustrie. Zahlen müsse der „Steuerzahler“, kritisiert Stavenow.
Neely und Bartels kennen zudem „unzählige Untersuchungen“ darüber, dass der „Impfstoff mit Graphenoxid“ verunreinigt“ sei. „Da verklumpt das Blut“, so Bartels. Dazu habe es auch eine „Pathologen-Konferenz“ gegeben. Entsprechend halte er die Impfung für schädlicher als die Infektion, auch wenn die Mehrheit der Expertinnen ihn für sicher halten. Einen naturwissenschaftlichen Hintergrund hat Bartels übrigens nicht, ebenso wenig die beiden anderen.
 
Informationen von Facebook und Telegram
 
Ihre Informationen beziehen die drei über Facebook und Telegram. „Dort lesen wir, was dann ein, zwei Monate auch in den Mainstreammedien ankommt“, erzählt Bartels. Deshalb glaubt er, dass sie „besser informiert sind, als der Großteil der Bevölkerung.“ Die höre auf Experten wie Karl Lauterbach und Lothar Wieler, die sich aber stets widersprechen würden. Aber vor allem böten sie keine Exitstrategie an. „Während andere Länder die Maßnahmen beseitigen, will man hier die Impfpflicht einführen“, so die gemeinsame Kritik von Bartels, Neely und Stavenow. Dass es bei der Impfung darum geht, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, wissen die drei auch. Sie wenden aber ein, dass man das Gesundheitssystem aber auch zuvor kaputt gespart habe. Die Menschen deshalb nun einzuschränken, sei nicht fair. „Hätte man nicht besser das ganze Geld für Test- und Impfstationen in die Pflege investieren können?“, fragt Bartels rhetorisch. Aber eine Umverteilung der Geldmittel ist nicht das vordergründige Ziel der drei Protestler. Sie wollen, dass umgehend alle Maßnahmen aufgehoben werden. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Omikron-Variante. „So was hätte man vor drei Jahren noch Erkältung genannt“, weiß Bartels. Man solle „die Sache einfach laufen lassen“, eine „Durchseuchung“ zulassen und das Leben wieder wie 2019 zu führen ermöglichen. Es sei jetzt wieder an der Zeit für mehr „Eigenverantwortung.“
 
Rechtsradikale werden ausgeschlossen
 
Apropos Verantwortung: Stavenow, Neely und Bartels betonen in Anbetracht der Gegenproteste, dass sie jede Form von Extremismus ablehnen und Rechtsradikale, soweit sie sich zu erkennen geben, von ihren Versammlungen ausschließen würden. „Man hat einfach aus der Tatsache, dass eine Nazigruppe wie der Dritte Weg unsere Spaziergänge angekündigt hat, geschlossen, dass wir mit Nazis laufen. Das tun wir nicht“, erklärt Neely bestimmt. Es gebe zwar auch schwarze Schafe, aber die gebe es überall, so Bartels. Ihm und seinen Mitstreiterinnen gehe es um offenen Dialog, nicht um Staatsfeindschaft: „Wir sind ein bunter Haufen. Bei uns laufen junge und alte Leute, Studierte, Bauern und Ärzte mit.“ Reichsflaggen habe er z. B. nie gesehen.
Zum Beweis des bunten Haufens und abwesender Reichsflaggen leitet Bartels ein Video an die Redaktion weiter. Zu sehen sind junge und alte Menschen, die friedlich und fröhlich zu einem Song des Antisemiten, Verschwörungstheoretikers und Reichsbürgersympathisanten Xavier Naidoo durch Bremervörde ziehen.
 
Unser Text „Solidarität - Stärken, was vereint“ von Ralf G. Poppe veranlasste Hans Luettke von der Bremervörde Interessengemeinschaft Pflege das Gespräch zu initiieren.


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