Ralf G. Poppe

Der Weg eines Berliners nach Bremervörde

Hönau-Lindorf. Gerade zum Beginn der neuen Bundesliga-Saison hätte Mario Weichel in der Großstadt sicher wieder gute Jobs bekommen. Warum es ihn kürzlich dennoch von Berlin nach Bremervörde zog, hat jedoch mehrere Gründe.

Zu Weichels Kunden gehören der FC Bayern München, Borussia Dortmund und der VFL Wolfsburg zu den Kunden.

Zu Weichels Kunden gehören der FC Bayern München, Borussia Dortmund und der VFL Wolfsburg zu den Kunden.

Auf jeden Fall bereut der Besitzer einer Firma, die u.a. mit T-Shirt-Kanonen Halbzeitpausen bei großen Sportereignissen überbrückt, den Ortswechsel nicht. Hier im Landkreis seien die Menschen sehr hilfsbereit.

 

Vörder See statt Meerblick

 

Die Berliner Zeitung beschrieb den Neu-Bremervörder im Jahre 2020 als jemanden, der das Schicksal selbst in die Hand nimmt. Der so beschriebene relativiert jedoch im Gespräch mit der RKZ diese Feststellung: „Das Zitat trifft den Kern schon ganz gut. Es sagt viel über mich aus. Mein eigenes Motto, mein Kraftspruch lautet allerdings anders - `Aufgeben war nie meine Stärke´“, erklärt der 42-jährige.

Er hat sich gut in der Region eingelebt - das ehrenamtlich von ihm erstellte Video zum Schüler:innen-Wettbewerb „Mach was“ trug sicher mit dazu bei, dass die vom ihm filmtechnisch bei der Arbeit begleitete Klasse 9A der Realschule am Bremervörder Birkenweg den Handwerks-Wettbewerb gewann.

 

Der Weg in den Norden

 

Blicken wir einmal kurz zurück: Als 2020 die Pandemie in der Veranstaltungsbranche einschlug, erging es Weichel nicht anders als seinen Kolleginnen. Schlagartig waren alle Aufträge storniert. Der begeisterte Segler konnte jedoch -fasziniert von der alten Seeschifffahrt- ein älteres gaffelgetakeltes Stahlsegelboot namens „Big Betty“ sein Eigen nennen. Davon beflügelt, wurde mit den letzten finanziellen Mitteln flugs ein kleines Motorboot sowie zwei Kanus gekauft und ein Bootsverleih in Berlin-Köpenick eröffnet. Finanziell reichte es zwar nicht wirklich, doch die Einnahmen halfen mit, über die Runden zu kommen. Der Entschluss, nach mehreren Jahrzehnten gemeinsam mit der Lebenspartnerin Berlin den Rücken zu kehren, stand aber fest. „Obwohl ich ein großer Fan von Bergen und dem Wandern bin, konnte ich meine Freundin nicht dazu überreden, in Richtung Süden aufzubrechen. Doch im Norden ist es ebenso schön. Es gab lediglich eine einzige Voraussetzung für den neuen Wohnort - er musste am Meer sein. Ob nun Ostsee oder Nordsee, egal“, erzählt Weichel lachend. Eher durch einen Zufall - bei Kaffee und Kuchen im Fährkrug in Brobergen - gelangte er an sein neues Zuhause im Bremervörder Statteil Hönau-Lindorf: „Wie es dazu kam und was die Beweggründe waren, ist ein ganzes Kapitel für sich. Dafür würde der Artikel nicht ausreichen“, findet der 42-jährige. Es habe jedoch mit weitaus mehr, als nur mit Events und T-Shirt-Kanonen zu tun.

 

Künstler und Sportskanonen

 

Weichel gestaltet mit seinen T-Shirt-Kanonen die Halbzeitpausen bei professionellen Sportereignissen, wie z. B. den Fußball-Bundesligen in Deutschland und Österreich. Wäre er nicht umgezogen, wäre er in Berlin wahrscheinlich noch jedem Job hinterhergerannt. Ob nun für das Geld oder den Spaß an der Sache - das sei eigentlich egal. Der ständige Zeitdruck sowie das schnelle Leben würden gesundheitliche Opfer fordern: „Stress ist eben kein guter Begleiter im Arbeitsleben.“ Durch die Kontakte zu vielen Sportvereinen war 2015 seine Firma SHOOT YOUR SHIRT entstanden. „Wir haben uns auf die Planung und Realisierung von Halbzeitshows spezialisiert - mit Maskottchen, unseren T-Shirt-Kanonen oder einem Promoter Team. Mittlerweile können wir auf einen beachtlichen Kundenstamm zurückblicken.“ In Deutschland gehören z. B. der FC Bayern München, Borussia Dortmund und der VFL Wolfsburg zu den Kunden. In Österreich Red Bull Salzburg, in der Schweiz u. a. Swiss Air. Neben Kooperationen mit den Sportvereinen arbeitet sein Betrieb zudem zusammen mit vielen bekannten Künstlern wie Capital Bra (einer der bekanntesten deutschen Rapper), oder SDP, Hazel Brugger, Joko und Klaas (von ProSieben).

 

Köpenick/Hönau-Lindorf

 

Seit gut einem Jahr lebt das ehemalige Berliner Paar nun in Hönau-Lindorf, einem Stadtteil von Bremervörde. Die Alltagsgeschwindigkeit habe sich hier bereits um die Hälfte reduziert. Weichel sieht viele Dinge heute entspannter: „Als bei uns im Ort Zeltfete war, hatte ich die Option, zu einem großen Berliner Fußball Club zu fahren, um dort in der Halbzeit mit unseren T-Shirt Kanonen und dem blau-weißen Maskottchen zehn Minuten den Fans einzuheizen. Oder eben mit meinen Nachbarn sowie vielen neuen Freunden einen tollen Abend in Hönau-Lindorf zu verbringen. Ich habe mich für Letzteres entschieden.“ Über den Berliner Stadtteil Köpenick, aus dem er komme, könne man sagen, dass es gar nicht so viele Unterschiede zum Leben im Vergleich zu jenem in der Stadt Bremervörde gebe. Köpenick sei bekannt dafür, dass die Menschen gerade dort sehr stark zusammenhielten. Nachbarschaftshilfe würde noch großgeschrieben werden. „Genau das Gleiche ist mir vom ersten Tag an in Hönau-Lindorf aufgefallen. Ohne die Hilfe meiner Nachbarn würde unser Haus bis heute keine funktionierende Heizung besitzen, würden umgestürzte Bäume noch quer über unser Grundstück liegen, hätten wir wahrscheinlich das Doppelte an Baumaterialien bezahlt oder ich hätte einen Bandscheibenvorfall vom Tragen der Möbel oder Maschinen“, berichtet Weichel vom Empfang und dem Miteinander in der neuen Heimat begeistert. Einen Unterschied würde es allerdings doch geben, an den er sich erst noch gewöhnen müsse: „Egal, auf welchem Fest man eingeladen ist, es wird ausschließlich Cola-Korn getrunken und es werden mannshohe Schnapsfläschchen-Türme gebaut. Ich dachte, dass die Berliner trinkfest seien, muss jedoch zugeben -auch wenn ich bis zum Ende durchhalte-, dass mich die Trinkfreude der Niedersachsen jedes Mal in die Knie zwingt...“


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