Der Stein des Anstosses
Gut 50 Interessierte fanden sich kürzlich an der Baustelle in der Kirchenstraße ein, als im Rahmen des Stadtentwicklungsausschusses zusammen mit Vertretern der für den Bau verantwortlichen Specht Gruppe die viel diskutierte und umstrittene Fassade des Neubaus begutachtet wurde. Vertreter des Landkreises - der letztendlich über das weitere Verfahren urteilen muss - waren nicht dabei. Das laufende Ordnungswidrigkeitenverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Den Stein bewusst ausgewählt
„Wir sind in dem Glauben, im richtigen Farbspektrum unterwegs zu sein“, sagte Specht-Geschäftsführer Frank Markus in Bezug auf den ausgewählten Klinker, der laut Herstellerfirma die Typenbezeichnung „blau-braun“ trägt. Der Stein sei eine bewusste Wahl gewesen, bestätigte auch Specht-Architekt Moritz Greiling. Markus räumte jedoch ein - entgegen der Auflage in der Baugenehmigung - , die endgültige Farbe des Klinkers vorab nicht mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde besprochen zu haben. Mittlerweile würde sich die Specht Gruppe allerdings in intensiven Gesprächen mit der Behörde befinden. In der sich dem Begehungstermin anschließenden „Bürgerfragerunde“ im Ratssaal kommunizierte Bürgermeister Michael Hannebacher, dass ein Abriss des derzeit bestehenden Mauerwerks bzw. die Änderung der Farbe des Steines eine bauordnungsrechtliche Frage sei, über die allein der Landkreis verfügen müsse. Erst nach einer Entscheidung werde die Stadt Bremervörde ggf. unter Berücksichtigung der dann gegebenen Empfehlungen auf den mit der Specht Gruppe geschlossenen städtebaulichen Vertrag reagieren.
Keine kosmetischen Veränderungen
Die Fraktionen von CDU, SPD, FDP-Grüne sowie WG Pro Bremervörde ließen allerdings einstimmig mit Nachdruck verlauten, dass sie keine Möglichkeiten sehen würden, die Situation durch kosmetische Veränderungen zu heilen. Zuvor hatte der Architekt nämlich vorgeschlagen, durch das Einsetzen von „roten“ Steinen an einigen wenigen Stellen insgesamt einen höheren Anteil der gewünschten Farbe zu erreichen.
Auch der Vorschlag von Stadtentwicklungsausschuss-Mitglied Lothar Tabery, das Gebäude anzustreichen, fand bei den anderen Auschussmitgliedern kein Gehör. Tabery wies ausdrücklich darauf hin, dass das städtebauliche Ziel der Farbfestlegung rot bis rotbunt gewesen sei, um die farbliche Einfügung des Baus in das vorhandene Umfeld zu erreichen.
Auf Anzeiger-Nachfrage wies er zudem noch einmal darauf hin, dass ein möglicher Rechtsstreit vor Gericht, bei dem unter anderem ein Vergleich im Sinne eines Kompromisses ausgehandelt werden könnte, immer Zeit und Geld koste und auch mit einer Blamage für die Stadt enden könnte, weil möglicherweise Vorschriften unzureichend begründet waren. Man sollte daher jetzt versuchen, mit der Gegenseite zu verhandeln.
Ähnlicher Fall
Was passieren kann, wenn in Niedersachsen entgegen der geltenden Bauvoschriften gehandelt wird, zeigt übrigens ein Fall aus dem Oktober 2019. Ein Ehepaar hatte ihr Einfamilienhaus entgegen der geltenden Bauvorschriften mit dunklen, statt mit roten Dachziegeln eingedeckt. Sie wollten vor Gericht anschließend die Zulassung für die Abweichung von der örtlichen Bauvorschrift erreichen. Die Klage wurde abgwiesen, und das Ehepaar musste ihr Dach neu eindecken.