Lena Stehr

Beteiligen statt bevormunden

Landkreis. Laut Deutschem Kinderhilfswerk gibt es bundesweit rund 500 Kinder- und Jugendparlamente - eines davon in Grasberg und vielleicht auch bald eines in Bremervörde. Doch es gibt auch Kritik an dieser Form der politischen Beteiligung von jungen Menschen.

Kinder und Jugendliche müssen bei Planungen und Vorhaben, die deren Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligt werden, heißt es sinngemäß in § 36 des niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes. Und auch im Rahmen der JugendPolitikTage 2019, an denen rund 450 junge Menschen aus ganz Deutschland beteiligt waren, wurde empfohlen, Kinder- und Jugendparlamente in den Kommunen zu fördern.
Einer der Teilnehmenden war damals Lukas Hinz (18) aus Bremervörde, der inzwischen SPD-Mitglied ist und schon damals die Idee hatte, in seiner Heimatstadt einen Kinder- und Jugendrat zu etablieren.
 
Alle Jugendlichen einladen
 
Einen entsprechenden Antrag hat die SPD-Fraktion im Bremervörder Stadtrat jetzt gestellt. Bei der Ratssitzung am Dienstag, 13. Juli, soll darüber beraten werden. Wenn es nach den Sozialdemokrat:innen geht, soll die Verwaltung alle Bremervörder Kinder und Jugendlichen im Alter von 14 bis 25 Jahren zu einem zeitnahen Treffen im Bremervörder Ratssaal einladen, damit bereits zur kommenden Wahlperiode ab Herbst ein Kinder- und Jugendrat gegründet werden kann.
Zum Treffen soll auch die Initiative Jugendparlament e.V. eingeladen werden, die die Gründung des Kinder- und Jugendrates in Bremervörde begleiten soll.
 
Parteiunabhängiges Gremium
 
Das neue Gremium soll parteiunabhängig und damit mehr als nur ein Abklatsch des Rates sein, betont Lukas Hinz. Momentan würden Jugendliche seiner Meinung nach zu wenig an aktuellen Planungen und Entscheidungen beteiligt und hätten zu wenig Einfluss und Mitspracherecht. Das würde wiederum dazu führen, dass viele junge Menschen nach der Ausbildung oder dem Schulabschluss aus ihrem Heimatort flüchten, weil sie ohnehin nie das Gefühl gehabt hätten, es handele sich um „ihren“ Ort.
 
Bürokratie schreckt ab
 
Doch auch wenn es ein politisches Gremium gibt, beteiligen sich Jugendliche nicht per se mehr, berichtet Lisa Kück (21), seit 2016 Vorsitzende des Grasberger Jugendparlaments. Es sei schwer, neue Mitglieder zu finden, insbesondere weil die Form des Parlaments eine sehr bürokratische sei. Bei den monatlichen Sitzungen müsse sich strikt an eine Satzung gehalten, und damit auf viele Regeln geachtet werden. Davon seien viele Jugendliche erst einmal abgeschreckt. Zudem würden die Mitglieder gleich für drei Jahre gewählt.
Auch das Kinderhilfswerk weist darauf hin, dass häufig kritisiert werde, dass es sich bei Kinder- und Jugendparlamenten um nicht jugendgerechte Kopien von Erwachsenenstrukturen handele. Vor allem, wenn die Initiative zur Gründung eines Kinder- und Jugendparlaments von Erwachsenen ausgegangen sei und die Betroffenen nicht in Konzeption und Aufbau einbezogen worden seien.
 
Jugendliche fühlen sich nicht ernst genommen
 
Diese Einschätzung teilt auch Jerik Dikkerboom (18), Schulsprecher der IGS Osterholz-Scharmbeck, der zudem in der Schüler:innenvertretung und bei „Fridays For Future“ aktiv ist und im Herbst als Parteiloser für die Linke im Stadtrat kandidiert.
„Es gibt schon genug engagierte Jugendliche, die aber leider nicht das Gefühl haben, ernst genommen zu werden“, sagt Dikkerboom und spielt damit auch auf den Beschluss der Stadt an, den Neubau der IGS vier- statt fünfzügig zu bauen, obwohl dies vorher anders geplant war (der ANZEIGER berichtete).
Bevor im Rahmen des laufenden Wahlkampfes irgendwo ein neuer Kinder- und Jugendrat gegründet werde, müssten die agierenden Politiker:innen die Jugendlichen auch außerhalb einer vorgegebenen Struktur Ernst nehmen und ihnen so verlorenes Vertrauen zurückgeben, meint Dikkerboom.
 
Zeichen setzen
 Sollte der SPD-Antrag für die Schaffung eines Kinder- und Jugendrates im Bremervörder Rat eine Mehrheit finden, könnte die Stadt hier ein echtes Zeichen setzen, indem sie den Jugendlichen dabei nicht zu viele Vorgaben macht.


UNTERNEHMEN DER REGION