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Nadine Schilling

Rouladen hängen am Weihnachtsbaum

Im Jahr 1957 lebte ich mit Mutter, Vater und drei Schwestern in Ritterhude, wir alle zogen aus dem Flüchtlingslager in dieses schöne Haus. 1951, mein Vater war schwer körperbehindert, meine Mutter arbeitete in der Landwirtschaft. Wir waren arm, ich war die jüngste Tochter gerade sieben Jahre alt, am Tage des Heiligen Abend durften wir helfen den Christbaum zu schmücken, der frisch geschlagen in der guten Stube stand. Wir hingen Kugeln, Zuckerringe, Lametta und Engelhaar an den Baum. Unter dem Baum standen unsere bunten Teller, die bestückt waren mit Nüssen, selbst gebackenen Keksen, einem Apfel, einer Apfelsine und Zuckerringeln. Nachdem Schmücken mussten wir die Stube verlassen. Mutter war in der Küche mit den Vorbereitungen beschäftigt und kochte fleißig auf dem alten Küchenherd, der noch mit Holz gefeuert wurde. Um 18 Uhr durften wir Kinder, frisch gebadet und gekleidet in die gute Stube zum Abendessen, es gab wie jedes Jahr am Heiligen Abend, Kartoffelsalat und Bockwurst. Wir saßen brav mit großen, erwartungsvollen Augen am Tisch, meine Mutter zündet die Kerzen an - dann ging sie in die Küche, um den Kartoffelsalat und die Bockwurst zu holen. Wir bereiteten uns auf das Abendgebet vor, plötzlich schrie meine Schwester Marga „Feuer, Feuer, der Weihnachtsbaum brennt!“, das Engelshaar hatte Feuer gefangen, so auch die Gardinen. Meine Mutter kam aus der Küche gerannt, sah das Feuer, lief zurück in die Küche, riss den erstbesten Kochtopf vom Küchenherd - im Glauben es sei nur heißes Wasser im Topf. Doch erwischte sie den Kochtopf mit den Rouladen, die es als leckere Besonderheit am ersten Feiertag zu Mittag geben sollte. Sie schüttete den Inhalt des Topfes in den Weihnachtsbaum. Wir Kinder waren inzwischen auch in die Küche gelaufen um Wasser zu holen - als das Feuer gelöscht war, sahen wir die Bescherung - unsere leckeren Rouladen hingen im Weihnachtsbaum. Wir waren traurig und glaubten das die Rouladen ungenießbar seien, wir weinen, denn Rouladen gab es für uns doch nur zu besonderen Festtagen. Doch meine Mutter tröstete uns, sie nahm die Rouladen vorsichtig aus dem Baum, wusch sie gut ab und am ersten Weihnachtstag, aßen wir die Rouladen zu Mittag. Sie schmeckten uns doppelt gut. Wir sprachen über den Vorabend, das Feuer, das wir ohne großen Schaden überstanden hatten und die Rouladen, die schon mal im Weihnachtsbaum hingen. Wir waren glücklich, zufrieden und dankbar für das gute Mal.
Gerda Kolbe, Florida


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