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Material anders denken

Worpswede (limo). Die Künstlerinnengruppe „material girls“ lädt zur ihrer Ausstellung in Worpswede

Die Künstlerinnengruppe „material girls“ macht das Material zum Subjekt ihrer Arbeit. Foto: limo

Die Künstlerinnengruppe „material girls“ macht das Material zum Subjekt ihrer Arbeit. Foto: limo

In der Ausstellung „material girls“ kann man Kunstwerke von acht Künstlerinnen erleben, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, in ihren Installationen Material neu zu denken – Material, mit welchem sie tagtäglich bei ihren künstlerischen Prozessen in Berührung kommen.

Die „material girls“ – das sind unter anderem Ulrike Brockmann, Franziska von den Driesch, Edeltraut Rath und Sabine Schellhorn. Künstlerinnen aus Bremen und Umgebung, die sich 2019 als Gruppe zusammengeschlossen haben und nun, im Rahmen eines Künstlerinnengespräches Gedanken zur Entstehungsgeschichte ihrer Werke, aber auch Emotionen, die sie beim Schaffensprozess begleitet haben, mit interessierten Zuhörern teilen.

„Eine erste Ausstellung im Jahr 2020 konnte aufgrund der bekannten Umstände leider nicht stattfinden.“, erzählt Brockmann zu Beginn des Gespräches. Dies habe auf der anderen Seite jedoch dazu geführt, dass die Künstlerinnen untereinander in den intensiven Austausch treten konnten. Schnell sei im gemeinsamen Gespräch klar geworden, dass jede der Frauen einen ganz anderen Zugang zu dem Material hat, welches sie in ihren künstlerischen Projekten verarbeiten. Alle Schaffenden haben dabei auf ihre persönliche Weise erkannt, dass Material nicht nur als Mittel zum Zweck dient, sondern den Zweck selbst darstellt.

Schon bei der Anordnung der Installationen innerhalb der Galerie habe man sich lange Gedanken gemacht, wie diese optimal in den Austausch miteinander treten können, berichtet Ulrike Brockmann weiter. So finden sich Besucher:innen in einem Rundgang wieder, welcher die insgesamt neun Werke der Gruppe vorstellt und dazu einlädt, die Stoffe des künstlerischen Schaffens aus einer anderen Perspektive zu betrachten und nach dem Potenzial des Materials zu fragen.

 

Material mit Eigenleben

 

Edeltraut Rath aus Bremen, die sich beruflich der Wandmalerei widmet, befragt dabei zunächst den Stoff Farbe an sich. Hierbei spielt sie mit getrockneten Farbresten aus ihren Malgefäßen und setzt diese mit Schwarzlicht in Szene – Reste, die sonst vermutlich den Weg in den Müll gefunden hätten, durch Raths Interpretation jedoch ein neues Potenzial entfalten. In einem kleinen Raum hat sie besonders fluoreszierende Farbreste so arrangiert und mit Schwarzlicht bestrahlt, dass ihre „Elementarteilchen“ – wie Rath selbst diese nennt – eine fast mystische Farbpracht entwickeln. „Nach einiger Zeit trennt sich die Farbe in verschiedene Pigmente“, erklärt sie das Entstehen ihres Werkes. „Ich überlasse das Material also sich selbst, sodass es ein Eigenleben entwickelt.“

 

Täglich ein neues Werk

 

Genau wie Rath arbeitet auch Franziska von den Driesch in ihrer Installation viel mit Licht und Schatten. Der Frage folgend, ob auch Licht als Material betrachtet werden kann, nimmt sich die Fotografin den Werkzeugen ihrer Arbeit an. Hierfür hat sie Fotopapier direkt belichtet und somit bewusst einen alltäglichen Bestandteil ihrer Arbeit, die Kamera, ausgelassen. Das hoch empfindliche Papier hat sie dabei mit einer Flamme bearbeitet, sodass ein interessantes Zusammenspiel aus schwarz und weiß entsteht. „Man könnte sagen, dass hinter jedem Schatten auch immer Licht steckt.“, findet von Driesch. Durch äußere Faktoren wie die Luftfeuchtigkeit wölbt sich das Fotopapier an der Wand, wodurch tagtäglich - abhängig von der Räumlichkeit und dem jeweiligen Lichteinfall - immer ein neues Kunstwerk entsteht. Auch hier wird klar: die Künstlerin gibt ihrem Material den Raum zur freien Entfaltung.

 

„Ich spüre die Farben in mir“

 

Bei ihrer Arbeit gehe es viel um Empfindungen, erläutert Ulrike Brockmann, was ihre Arbeit zunächst zu einem äußerst subjektiven Prozess im Atelier mache. Die Malerin hat sich dabei ebenfalls mit dem Material Farbe beschäftigt und gefragt, wie Farben miteinander interagieren und wie Raum und Farbe sich gegenseitig beeinflussen. Die Farbpaarungen, welche sie für ihre Installation gewählt hat, seien hierbei durch äußere Reize und Impulse entstanden, die sie dann mit ins Atelier genommen habe. „Ich spüre die Farben in mir“, beschreibt die Künstlerin weiter. Die Herausforderung sei es dann gewesen, das optimale Verhältnis der Farben zueinander zu finden.

 

Heiliger Torf

 

Am Ende des Rundganges angekommen, finden Besucher:innen das Werk von Sabine Schellhorn. Eine Installation, die den Torf als regionales Produkt in den Fokus der Arbeit rückt. Die Künstlerin durfte sich hierfür etwas Torf aus dem Torfwerk in Gnarrenburg abfüllen, um diesen in ihren Bildern neu zu denken. „Für mich ist Torf etwas Heiliges“, sagt Schellhorn. Ein Gut, welches vor einigen hundert Jahren in rauen Mengen verheizt wurde und heute nur noch kaum vorhanden ist. Der Künstlerin geht es in ihrer Darstellung vor allem um das Zusammenspiel zwischen Konzept und Haptik. „Mir ist es wichtig, dass der Betrachter etwas Greifbares erlebt.“, so Schellhorn. Ein Gedanke, den sie innerhalb ihrer geometrischen, aber dennoch lebhaften, Torfzeichen verwirklicht.

Besuchen kann man die Ausstellung noch bis zum 27. November in der Galerie „Altes Rathaus“ in Worpswede, an welchem diese dann um 15 Uhr mit einer Finissage enden wird. An dieser sind, neben den vier Künstlerinnen, auch die vier weiteren Mitglieder der Gruppe – Claudia Christoffel, Christine Huizenga, Franziska Keller und Ute Seifert – beteiligt, welche in der Ausstellung nicht minder interessante Kunstwerke präsentieren. Wer sich also einmal selbst davon überzeugen möchte, dass Material nicht allein ein Mittel zur Verarbeitung ist, sondern auch als eigenständiges Subjekt funktioniert, sollte in den kommenden Wochen noch einmal bei „material girls II“ vorbeischauen.


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