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Eva Kairies

„Die Hütte brennt“ - Klimafolgenforscher Prof. Schirmer sprach beim Loccumer Kreis

Osterholz-Scharmbeck. Der erste Vortrag, zu dem der Loccumer Kreis in diesem Winterhalbjahr ins Gemeindehaus der St.-Willehadi-Kirchengemeinde eingeladen hatte, war überaus gut besucht. Die Besucher/innen kamen, um die Ausführungen des ehrenamtlichen Bremer Deichhauptmanns und Klimafolgenforschers, dem ehemaligen Professor der Bremer Uni Prof. Dr. Michael Schirmer zum Thema „Osterholz-Scharmbeck - Gewinner im Klimawandel? Regionale Auswirkungen des Klimawandels“ zu hören.
 
Sprach eindringlich über die Folgen des menschengemachten Klimawandels und fragte, ob es noch ein Zurück geben kann: Prof. Dr. Michael Schirmer ist zudem Deichhauptmann in Bremen.  Foto: ek

Sprach eindringlich über die Folgen des menschengemachten Klimawandels und fragte, ob es noch ein Zurück geben kann: Prof. Dr. Michael Schirmer ist zudem Deichhauptmann in Bremen. Foto: ek

Osterholz-Scharmbeck. Der erste Vortrag, zu dem der Loccumer Kreis in diesem Winterhalbjahr ins Gemeindehaus der St.-Willehadi-Kirchengemeinde eingeladen hatte, war überaus gut besucht. Die Besucher/innen kamen, um die Ausführungen des ehrenamtlichen Bremer Deichhauptmanns und Klimafolgenforschers, dem ehemaligen Professor der Bremer Uni Prof. Dr. Michael Schirmer zum Thema „Osterholz-Scharmbeck - Gewinner im Klimawandel? Regionale Auswirkungen des Klimawandels“ zu hören.

Die Nachrichten über die aktuellen Klimakatastrophen machten nicht nur Angelika Saade Angst, die als Mitorganisatorin des Loccumer Kreises in die Thematik einführte. „In der Langen Heide lebt man noch 48 Meter über Normalnull. Ich lebe im östlichen Osterholz-Scharmbeck noch vier Meter über Normalnull.“ Professor Schirmer wollte ein Update liefern und die Erkenntnisse über den Klimawandel und Indikatoren benennen, die zeigten, wie weit wir schon im Klimawandel drinstecken. „Die unmittelbaren Folgen des Meeresspiegelanstiegs, die als rote Flächen in den Medien gezeigt werden, sind böse verfälscht, denn die Flächen sind eingedeicht.“
Er stieg anders ins Thema ein, indem er zunächst grob die Zusammenhänge erläuterte. Die Treibhausgase, das seien die Kohlendioxide der fossilen Energieträger, stiegen beschleunigt an. „Das liegt daran, dass das an die fossilen Brennstoffe gebundene Kohlendioxid nicht in den heutigen Klimakreisläufen drin war. Das ruhte 120 oder 150 Millionen Jahre gut verwahrt als Öl, Gas oder Kohle tief in der Erde. Jetzt führen wir das zusätzlich der Atmosphäre zu - das ist der eigentliche Hammer bei der Geschichte“, sagte Prof. Schirmer. Anhand einer Messung Keelings auf Hawaii unter seit 50 Jahren gleichen Voraussetzungen zeigte der CO2-Mikroanteil einen regelmäßigen jahreszeitlichen Abfall im Sommer, wenn durch das Pflanzenwachstum auf der Nordhalbkugel viel CO2 gebunden wir. Eine Zunahme des CO2-Mikroanteils erfolgt im Winter, wenn CO2 wieder freigesetzt werde. In einer schönen Wellenlinie stellte sich dieses natürliche Spiel dar, doch im Gleichgewicht sei das leider nicht: „Jedes Jahr steigt der Minimumanstieg um 2,5 ppm an.“ Der Wellentiefpunkt bewege sich also stetig nach oben. „Neuneinhalbtausend Jahre war der Anstieg und Abfall des CO2 in der Atmosphäre konstant gleich. Erst in den letzten fünfzig Jahren, ein Wimpernschlag in der Zeit, ist der Anstieg rasant gestiegen. Die Folgen: Australiens Sydney ist kurz davor, evakuiert zu werden - die Hütte brennt!“
Die Hälfte der 7,5 Milliarden Menschen dieser Welt nützten fossile Brennstoffe. „Das sind zumeist wir, die sogenannte Zivilisation, die die Eigenschaft dieser Energieträger vergessen, und zwar den Energiehaushalt der Erde, die Temperatur der Erdatmosphäre zu beeinflussen. Über uns sind zehn, fünfzehn Kilometer Luft in wahnsinniger Bewegung. Seit 1880 wird die Temperatur fundiert gemessen und wir haben einen Mittelwert von 1,5 Grad Celsius mehr.“ Angesichts dieser Zahlen und der Klimaziele der Regierungen verliere er „ein bisschen die Hoffnung, dass wir das noch schaffen. Nur wenn wir die Kurve nach unten kriegen, haben wir gute Chancen, den Klimawandel zu bremsen. Wenn wir so weitermachen, fahren wir und der Rest der Welt vor die Wand“. Der Vortrag solle motivieren zum Klimaschutz - „die Alternativen sind finster und düster. Wir könnten das aber schaffen - eine wahnsinnige Herausforderung.“
Der Klimawandel mache die Sommer hierzulande trocken und heiß, die Winter mild und nass. „Wer jetzt noch Schlittschuhe kauft, ist selbst schuld - so richtig witzig ist das nicht.“ Denn auch die Vegetationszeiten verschöben sich, invasive Tiere wanderten vermehrt ein „so wie der Nutria, das Mistvieh für Deichbeschäftigte.“ Die beiden letzten trockeneren Sommer führten bereits zum Sinken des Grundwasserspiegels von zwei Metern. „Das bedeutet schon Probleme für nicht uralte Pflanzen.“ Trinkwasser könne man zunächst herüberretten vom nassen Winter in den trockenen Sommer. „Die DIN-Normen für Dachrinnen und Fallrohre verändern sich schon hinsichtlich der Sturmfluten - das wird noch alles sehr teuer. Geld, das wir besser in den Klimaschutz gesteckt hätten. Wir und das Ökosystem sausen in einen Zustand …“, begann Prof. Schirmer und dachte laut weiter: „… ob der uns noch tragen und ernähren kann?“


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