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Patrick Viol

Kommentar: Der friedensbewegte Verrat an der Menschheit

Patrick Viol kritisiert, dass die deutschen Friedensbewegung in ihrer Betonung einer atomaren Bedrohung für das "deutsche Volk" die freie Welt verraten.

In Deutschland „ist nichts ungefährlich, nicht mal die Begeisterung für den Frieden“ - das schreibt 1981 Wolfgang Pohrt in seinem Text „Ein Volk, ein Reich, ein Frieden“. Schreiben musste er diesen Satz in Anbetracht der sich in eine „deutschnationale Erweckungsbewegung“ verwandelnden Friedensbewegung. Die entzündete sich damals an der Stationierung von amerikanischen Raketen auf deutschem Boden, fantasierte aber schnell von einem „atomaren Holocaust“ und dem „Weltuntergang“, den die USA im Konflikt mit Russland über das „deutsche Volk“ bringe. Blind im Rausch an der eigenen Angst geworden, erkannte die Friedensbewegung schnell keine Klassen und Parteien mehr, nur noch Deutsche, die im bewaffneten Konflikt der Systeme geopfert würden. - Mobil gegen oder für egal was macht man die Deutschen am besten mit der Behauptung, die Existenz des Volkes wäre bedroht. Dabei sind die vermeintlichen Aggressoren austauschbar, Hauptsache sie kommen von außen. Denn dadurch lässt sich prima an der gesellschaftliche Konflikte zudeckenden Lüge festhalten, die der Begriff „Volk“ - ganz ohne nationalsozialistische Beimengung - immer darstellt: dass es eine schicksalhafte Verbundenheit der Einzelnen in einem nationalen Zwangskollektiv gäbe.

Das Festhalten an dieser die Idee einer freien Menschheit verratenden Lüge durch die Betonung einer existenziellen Bedrohung des Volkes ist aber kein Relikt aus den 80er Jahren. Gerade weil sich für immer mehr Menschen auf der globalisierten Welt die kapitalistischen Versprechen von Freiheit und Wohlstand als unerfüllbar darstellen, erhält die Rede vom von außen bedrohten Volk immer stärkeren Aufwind. Statt die ökonomischen Konflikte auf ihre wahren Ursachen in den Produktionsbedingungen zurückzuführen und ihnen den - zugegeben - höchst aussichtslosen Kampf anzusagen, flüchtet man sich in die meist von Autokraten angebotene nationale Nestwärme des Volkes und kämpft gegen andere. Putin bietet seinen Leuten dafür den Krieg gegen die Ukrainer:innen mit dem Versprechen, dass Russland nach einem Sieg wieder groß und stark ist. Und deutsche Linke wie Schwarzer und Wagenknecht betrachten in ihrem Manifest für Frieden den Krieg gegen die Ukraine aus der Perspektive eines scheinbar atomar bedrohten deutschen Volkes, auf das besser aufzupassen sie den Bundeskanzler ermahnen. Diese Perspektive auf den möglichen eigenen Tod und ihre Missachtung, dass es sich bei dem Kampf der Ukrainer:innen um einen Freiheitskampf handelt, verrät, dass Schwarzer und Wagenknecht sich mit den toten, aber nicht mit den kämpfenden Ukrainer:inner identifizieren. Das tun sie - wie ihre Perspektive zeigt - deshalb, weil sie wie Putin die aufklärerische Idee der Menschheit und das mit ihr gegebene, uneingelöste Versprechen auf einen Verein freier Menschen verraten haben. Im Gegensatz zu den bewaffneten Ukrainer:innen: Ihr Kampf verteidigt nicht nur ihr Leben und die Unabhängigkeit von Russland, sondern - stellvertretend für den liberalen Westen - die Bedingungen einer freien Welt.


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