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Benjamin Moldehauer

Das Lachen des Sozialismus

Die grobe Satire auf das Verhältnis von Arm und Reich: „Triangle Of Sadness“, von Regisseur Ruben Östlund, ist überheblich und macht Spaß.

Woody Harrelson als alkoholsüchtiger, marxistischer Kapitän, kurz bevor die Yacht sinkt und er sich, statt das Schiff zu retten, dem Vollsuff und einer Diskussion über Kapitalismus und Sozialismus hingibt.

Woody Harrelson als alkoholsüchtiger, marxistischer Kapitän, kurz bevor die Yacht sinkt und er sich, statt das Schiff zu retten, dem Vollsuff und einer Diskussion über Kapitalismus und Sozialismus hingibt.

Bild: Triangle of Sadness

Alles an „Triangle of Sadness“ sieht erst mal nach Arthouse-Kino aus. Lange Einstellungen und Dialoge, schwergängige Themen: Kapitalismus, soziale Hierarchien. Das alles verdeckt, dass der neue Film des schwedischen Regisseurs Ruben Östlund eigentlich recht einfach gebaut ist. Wie auch im Falle von Östlunds Kunstmarkt-Satire „The Square“ oder der Männlichkeitsdekonstruktion „Höhere Gewalt“ wird hier mit dem Holzhammer operiert.

 

Göbelnde Reiche und ein marxistischer Kapitän

 

Und der Hammer drischt in „Triangle of Sadness“ ganz schön los. Zur Verbildlichung der Klassen- und Geschlechterkämpfe, die Östlunds Thema sind, hat der Regisseur das seit der Überfahrt der Titanic als Motiv, Metapher und Mikrokosmos etablierte Kreuzfahrtschiff gewählt. Es ist voll besetzt mit Vertreter:innen der Bourgeoisie – vom etablierten, traditionsbewussten Kapital (ein britisches Waffenhersteller-Ehepaar) bis hin zu jüngeren, spektakulären Auswüchsen (russische Superreiche). Die Bediensteten repräsentieren das Proletariat und das Kleinbürgertum, außerdem sind noch zwei sehr hübsche, aber gesellschaftlich weitgehend nutzlose Influencer (Harris Dickinson und die kürzlich jung verstorbene Charlbi Dean) mit auf dem Kreuzschiff. Der Kapitän (Woody Harrelson) säuft, ist Marxist und verkörpert an Bord so etwas die kritische Intelligenz.

Als das Schiff ins Schaukeln gerät, lässt Östlund die Leinen los und die Angehörigen der herrschenden Klasse in einer fürchterlichen Fäkalienschlacht durch Erbrochenes und andere Ausscheidungen rutschen. Während der Kapitän und der russische Vertreter des Kapitals sich sturzbesoffen Lenin- und Reagan-Zitate an den Kopf knallen.

 

Millionäre sind auch nett

 

„Triangle of Sadness“ ist ein grober und lustiger Film. Und die Aggression gegenüber seinen Figuren kommt von Herzen.Trotzdem kann man sie auch, nein, nicht mögen – aber man kann sich in ihnen wiedererkennen. Und die, die sich in diesem Porträt der Privilegierten unmittelbar wiedererkannt haben, scheinen die Mischung aus direkter filmischer Ansprache und Komik tatsächlich zu schätzen. „Ich habe „Triangle of Sadness“ einigen Superreichen vorgefu¨hrt, und sie lieben ihn“, hat Östlund der FAZ erzählt. „Sie haben so gelacht, am lautesten an der Stelle: Hört auf mit der Scheiße und zahlt lieber Steuern!“ Es sei nämlich nicht so, dass arme Menschen authentisch, großzügig und lieb und Reiche dagegen egoistisch und oberflächlich seien. „Nein, Millionäre sind nett, genauso wie die meisten Celebrities nett sind. Erfolgreiche Menschen haben meist viele Social Skills. Marx hatte kein Problem damit, mit einem Fabrikbesitzer befreundet zu sein, während er fu¨r eine gleichberechtigte Gesellschaft kämpfte.“

 

Sex gegen Salzstangen

 

Im dritten Akt wird ein weiterer klassischer Mikrokosmos reaktiviert, die einsame Insel, auf der eine disparat zusammengesetzte Gruppe Überlebender in ein Herr-der-Fliegen-Szenario gerät. Letzteres sieht hier über weite Strecken aber vergleichsweise zivilisiert organisiert aus, da die Klofrau der Yacht – die einzige unter den Gestrandeten, die Fische fangen und Feuer machen kann – flugs ein Matriarchat errichtet und damit beginnt, einen der Influencer sexuell auszubeuten. Im Tausch gegen Salzstangen.

 

Alle bringen einen zum Lachen

 

Die eigene Reißbretthaftigkeit – erst die Vorführung von Klassengesellschaft, dann die Umdrehung der Machtstrukturen – trägt „Triangle of Sadness“ freudig vor sich her. In dem Witz, mit dem er alles bedenkt außer sich selbst (wer Marxismus plus filmische Selbstreflexion sehen will, sollte es lieber mit Blutsauger versuchen), steckt auch eine Menge Überheblichkeit, die sich auf die Zuschauer:innen überträgt. Auch das macht natürlich Spaß.

Blöd ist der Film trotzdem nicht. „Wir können damit anfangen, uns von der Mär des superreichen Kapitalisten-Schurken zu trennen“, sagt Östlund. „Den gibt es nicht.“ Stattdessen gibt es in seinen Filmen eine durchweg würstchenförmige Ansammlung von Menschen, die alle aufgespannt im selben gesellschaftlichen Zusammenhang agieren und uns, von einem superior agierenden Regisseur mit Fäkalien beworfen, zum Lachen bringen. So gesehen ist „Triangle of Sadness“ ein Aufruf zur Errichtung des Sozialismus, allerdings einer, der ohne jeden Leidensdruck auskommt.

 

 

Der Film läuft am Montag, 2. Mai, und am Dienstag, 3. Mai, in den Ritterhuder Lichtspielen, jeweils um 20.15 Uhr.


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