Seitenlogo
Benjamin Moldenhauer

Avatar: The Way of the Water

Quietschbunter Krieg gegen die Zivilisation

Technischer Fortschritt: Das Naturvolk der Na‘vi hat jetzt Gesichtsmuskulatur und Mimik.

Technischer Fortschritt: Das Naturvolk der Na‘vi hat jetzt Gesichtsmuskulatur und Mimik.

Lohnt sich der Kinobesuch für den zweiten Teil von Avatar?

 

Avatar: The Way of the Water ist zum Jahresabschluss noch ins Rennen um den profitabelsten Film gegangen. Der Vorgänger von 2009 gilt als kommerziell erfolgreichste Produktion aller Zeiten. Dass es für eine Neuauflage 13 Jahre gebraucht hat, ist deswegen eigentlich erstaunlich. Und tatsächlich hat niemand ein Sequel bislang vermisst. Was aber nicht schwer zu erklären ist.

Das von Regisseur James Cameron inszenierte Spektakel war damals so erfolgreich, weil es als technische Revolution angekündigt wurde, die ungekannte Sensationen in 3D versprach und überhaupt ein Kino darstellen sollte, das es bislang noch nie gegeben habe. Story und Figuren aber liefen beim Sehen eher unter ferner liefen mit und waren eigentlich weitgehend egal.

 

Besser als der Vorgänger

 

Nun ist Avatar filmästhetisch nicht gut gealtert und wirkte schon damals befremdlich. Die Bilder waren nach dem mehrmonatigen Werbegeschrei etwas ernüchternd. Blaue Figuren schritten steif durch eine verkitsche, knallbunte Natur, Mimik war kaum erkennbar. Heute, im Rückblick, wirkt das ganze vollends wie ein mittelgut animiertes Playstation-4-Game.

Die Story von Avatar, die James Cameron aus allerlei Mythen zusammengerührt hat, war dann wiederum von erdrückender Banalität. Cameron nahm Versatzstücke des Pocahontas-Mythos (eine Häuptlingstochter rettet einem Kolonisatoren das Leben und verliebt sich in ihn) und rührte sie mit Naturmystik zusammen. Am Ende wechselt der Soldat, der im Körper eines native american (symbolisiert durch das edle Naturvolk der Na‘vi) unterwegs ist, um Informationen zu sammeln und die Zerstörung des Unberührten vorzubereiten, die Seiten und zieht gegen die kolonialen Streitkräfte in den Krieg. Ansonsten passiert nicht viel, und so bleibt in Avatar sehr viel Zeit, um Zuschauerin und Zuschauer mit weitschweifigen Dialogen über Göttinnen, das alles Verbindende der Natur und die Weisheit edlen Wilden zu räsonieren.

In Avatar wurde die Technik auf der Leinwand dämonisiert und zelebriert, und diese Spaltung ist auch der Moment, der in Avatar: The Way of the Water fast fünfzehn Jahre später wieder zentral ist. Als Film funktioniert er allerdings besser als sein Vorgänger. Was ironischerweise am technischen Fortschritt liegt. Die blauen Indianer haben nun sowas wie Gesichtsmuskulaturen und können lächeln, lachen und weinen, ohne dass es vollends albern aussieht. Gerade die Unterwasserbilder sind in ihrer vielleicht unbeabsichtigten Künstlichkeit wirklich hübsch. Und das sind nicht wenige; nachdem Jake Scully mit seiner Familie zu einem Stamm, der am Meer lebt, geflohen ist, wird in diesem Film eigentlich fast nur noch geschwommen und getaucht. Am Ende geht es dann zwar doch wieder nur darum, wer wen zuerst abschlachtet. Aber der lange Anlauf, den Avatar: The Way of the Water zu seinem ebenfalls ausgewalzten Finale nimmt, ist schon faszinierend.

 

Simpel emotionalisiert und zivilisationsfeindlich

 

Jake Sully (Sam Worthington) sehen wir in diesem Film nur noch in seiner Avatar-Gestalt, als Na‘vi. Eine Kleinfamilie auf der Flucht das Zentrum der Geschichte. Die Mittel, die Cameron zur Emotionalisierung drückt, sind simpel: Kinder in Gefahr, ein sorgender Vater, der aber nicht alle retten kann, die Schlachtung von Walen, einer davon schwanger. Spätestens nach der letztgenannten Szene schwindet auch das letzte Mitleid mit den kolonialen Soldaten, die inzwischen in der letzten Filmstunde von den wilden Krieger:innen zerlegt werden. Man soll sich als Zuschauer:in ganz den eigenen Rachephantasien hingeben.

Der zweite Avatar ist also der gelungenere, weil weniger langweilige Film. Von der Spaltung der Technik in Feind und Faszinosum möchte sich auch The Way of the Water nicht verabschieden. Von den nun zum Glück kürzer ausgefallenen Monologen über den Zauber und die Kraft der Natur auch nicht. Nun ist es nicht mehr der Wald, sondern das Wasser, das alles verbindet, und Walfang ist die schlimmste Sünde. Die Mischung aus Zivilisationsfeindlichkeit, die die eigene Eingebundenheit nicht reflektiert, und Naturmystik-Kitsch ergibt dann aber doch wieder etwas, was sehr dumpf wirkt. Wo edle Wilde ihre Rastazöpfe kabelartig in die Antennen von quietschbunten Tieren stecken, um so naturverbunden in den Krieg gegen die geldgeilen Zivilisierten zu ziehen, und das in einem Film, dessen erster Zweck es ist, möglichst viel Geld zu machen – an diesem Ort ist das Denken zu Ende.


UNTERNEHMEN DER REGION