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Düstere Aussichten

(rgp/pvio). In Amerika finden am 8. November Zwischenwahlen statt, deren Ergebnis nicht nur die amerikanische Innenpolitik, sondern den freien Westen betrifft.

Was die aktuelle Krisenzeit offenbart: Die Welt ist klein. Die Rückkehr der Geopolitik lässt die vermeintlichen Weiten des ökonomischen Weltmarkts schrumpfen - das Duell der Weltmächte, der Kampf um Hegemonie zwischen den USA, Russland und China reicht bis in unmittelbare Nähe. Sei es aktuell in Form der jeden Haushalt erreichenden Energiekrise oder in der Frage, ob China 24.9 Prozent des nicht weit entfernten Hamburger Hafens kontrollieren soll.

So ist für die Gestaltung der Zukunft der Menschen vor Ort nicht nur die regionale, nicht mal mehr nur die bundesweite, sondern auch die Innen- und Außenpolitik der Weltmächte entscheidend. Entsprechend spricht man in Bremervörde hinsichtlich Zukunftserwartungen nicht nur über den Ausbau Erneuerbarer Energien oder die Reaktivierung des Moorexpresses, sondern auch über die Midterms, die Zwischenwahlen in den USA am 8. November. So hatte die Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V. (GSP) den Politologen Dr. Udo Metzinger in der vergangenen Woche ins EWE-Kundencenter eingeladen, um den Bremervörder:innen eine Einsicht in das sich vom deutschen unterscheidende amerikanische Wahlsystem zu geben und ihnen die Bedeutung der sogenannten Halbzweitwahlen darzulegen.

 

Der Kongress

 

Bei den Midterms wird in Amerika per Mehrheitswahlrecht der Kongress gewählt. Er besteht aus zwei Kammern, dem Senat und dem Repräsentantenhaus (Zweikammer-Parlament).

Das Repräsentantenhaus zählt 435 Sitze, der US-Senat 100. Bei der Senats-Wahl stehen 35 der 100 Sitze zur Wahl. Diese 35 Sitze werden aktuell von 14 Demokraten sowie 21 von Republikanern gehalten. Senatoren werden durch Direktwahl auf sechs Jahre von den Wahlberechtigten des jeweiligen Bundesstaates, den sie im Senat repräsentieren, gewählt. Bei der Wahl zum Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten stehen dagegen alle 435 Sitze zur Wahl. Die Abgeordneten werden per Direktwahl in ihrem Kongresswahlbezirk für zwei Jahre gewählt.

Bei der Wahl kommen aufgrund des Wahlsystems und des Zuschnitts der Wahlkreise einzelnen Bundesstaaten besondere Bedeutung zu: den Swingstates, in denen mal die Republikaner, mal die Demokraten gewinnen. Einer dieser Swingstaates ist Arizona. Bei der Präsidentschaftswahl hatten die Demokraten nach zwei Jahrzehnten den Bundesstaat für sich gewinnen können. Nach aktuellen Umfragen soll nun aber die Republikanerin Kari Lake, die wie ihr Unterstützer Donald Trump von einer gestohlenen Präsidentschaft spricht, die Nase vorn haben.

Insgesamt sieht es für die Demokraten aktuell nicht gut aus. Nach einem anfänglichem Vorsprung, den die Demokraten mit ihrer Anti-Abtreibungsverbot-Kampagne erreicht hatten, liegen sie derzeit in den entscheidenden Bundesstaaten hinter den Republikanern, so auch in Texas und Ohio. Wirtschaftliche Themen wie die Bekämpfung der Inflation scheinen das Abtreibungsthema abgelöst zu haben.

 

Brisante Wahl

 

Von allgemeinem Interesse sind die Midterms zum einen deshalb, weil sie das Stimmungsbild der amerikanischen Bevölkerung spiegeln. Zum anderen sind die Midterms aber auch brisant, weil sie über den weiteren Handlungsspielraum des Präsidenten entscheiden, wie Metzinger erklärt.

Denn ein Gesetz kann nur erlassen werden, wenn ihm beide Kammern, in die fast ausschließlich Demokraten und Republikaner gewählt werden, zustimmen. Infolgedessen werden Gesetze in den USA nur verabschiedet, wenn die Partei des amtierenden Präsidenten die Mehrheit in beiden Kammern des US-Kongresses stellt - oder ein Kompromiss mit der Opposition gelingt.

 

Düstere Prognose

 

Aktuell ist die Situation bereits schwierig. Die Mehrheit im 117. Senat halten die Republikaner, im Repräsentantenhaus die Demokraten. Verlöre der Präsident beide Häuser an die Republikaner, wird es nahezu unmöglich für ihn, zu regieren. Und die Erfahrung zeigt: Die Partei des Präsidenten wird bei den Midterms allzu oft abgestraft. Der Präsident droht dann, zu einer sogenannten „lame duck“, einer lahmen Ente zu werden. „Politischer Stillstand wäre die Konsequenz. Oder schlimmer: Die politischen Probleme sind dann sowohl strukturell als auch unmittelbar, die Krise somit einerseits nichts Neues, andererseits beschleunigt sie sich,“ wie Metzinger analysiert. Und der 6. Januar - der rechtsradikale und politisch geplante Sturm auf das Kapitol - zeige, wie verfahren und bedrohlich die Situation bereits sei.

Eroberten die Republikaner beide Kammern, würde die Legitimität des Präsidenten, den aktuellen Umfragen zufolge die Mehrheit der Bevölkerung ablehnten, noch weiter geschwächt. Damit würde eine Situation geschaffen, die gewaltbereite Kräfte zur Inszenierung bürgerkriegsähnlicher Zustände ausnutzen könnten, so die düstere Zukunftsvision des referierenden Politologen.

Das wäre nicht nur für die Demokratie in Amerika verheerend. Ein innenpolitisch zerrüttetes Amerika könnte schwerlich den verschiedenen Bedrohungen, denen der freie Westen derzeit ausgesetzt ist und für den die USA einmal unangefochten einstand, die Stirn bieten. - Ein Szenario, dessen negative Auswirkungen auch die Menschen in Bremervörde zu spüren bekämen.

 

Der Referent

 

Dr. Udo Metzinger ist u.a. Gastwissenschaftler in Washington DC und wurde für seine Dissertation „Hegemonie und Kultur“ mit dem Forschungspreis des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) in Stuttgart ausgezeichnet.


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