Tom Boyer

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Die Gleichberechtigung von Transmenschen in Europa

Der am 31. März begangene Transgender Day of Visibility zeigt: Auf dem Weg zu wahrer Gleichberechtigung werden Fortschritte erzielt, doch er ist nach wie vor noch lang.
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Transgender schnell erklärt

Menschen werden als Transgender definiert, wenn deren Geschlechtsidentität nicht oder nur teilweise mit dem bei Geburt anhand der äußeren Merkmale im Geburtenregister eingetragenen Geschlecht übereinstimmt. Non-binär sind dabei Menschen, die sich weder dem männlichen, noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen können bzw. wollen.

Transgender schnell erklärt Menschen werden als Transgender definiert, wenn deren Geschlechtsidentität nicht oder nur teilweise mit dem bei Geburt anhand der äußeren Merkmale im Geburtenregister eingetragenen Geschlecht übereinstimmt. Non-binär sind dabei Menschen, die sich weder dem männlichen, noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen können bzw. wollen.

Foto: Daydreamerboy/wikicommons

Der 31. März ist seit 2009 der Transgender Day of Visibility, an dem Errungenschaften und der Mut von Trans*personen gefeiert werden. Es werden aber die gesellschaftlichen Problematiken vergegenwärtigt, die sie betreffen und unter denen sie leiden.
Etabliert wurde der Tag, um Trans*menschen in all ihren Facetten sichtbar zu machen und ein kollektives Bewusstsein darüber zu schaffen, dass sie ein gleichberechtigter Teil unserer Gesellschaft sind bzw. sein sollen.
Denn: In aller Welt werden Transgender immer noch alltäglich mit gesellschaftlichen Kämpfen und Diskriminierung konfrontiert. Die Diskriminierung betrifft sowohl das alltägliche als auch das berufliche Leben. Dabei ist die Kluft zwischen Akzeptanz und Ausgrenzung je nach Staat verschieden groß. In Europa zeigt sich das Gefälle stark zwischen Ost und West.
 
Polen
 
Während z. B. in Deutschland 88% der Bevölkerung gleiche Rechte für LGBTQI* befürworten, sind es in Polen lediglich 49%. Zurück geht diese mangelnde Unterstützung nicht zuletzt auf die Hass schürende Öffentlichkeitsarbeit der polnischen Regierungspartei.
So werden in Polen Menschen, die trans* sind oder sich anderweitig zu der LGBTQI*-Gemeinde (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer and Inter) zugehörig fühlen, systematisch ausgegrenzt. Denn, so die Begründung, sie wichen von den strengen Normen der katholischen Kirche und der Regierungspartei PiS ab. Mitglieder der Kirche und Politiker schüren Hass. So setzte die Regierungspartei Dudas Homosexualität mit Pädophilie gleich. Es kommt zu tätlichen Angriffen, zu drohenden Polizisten und zu Selbstmorden aus Hilflosigkeit. Der Schutz sexueller Minderheiten ist bisher gescheitert und wird von Gerichten nicht ernst genommen.
Doch es gibt auch Gegenbewegungen, die sich für die Rechte der LGBTQI*-Gemeinde einsetzt. So gibt es beispielsweise Paraden, die sich für die Gleichheit sexueller Minderheiten aussprechen. Alleine in Warschau findet jährlich eine statt, die mehrere 10.000 Menschen zählt.
 
Russland
 
Die Unterdrückung von und Feindlichkeit gegenüber Transgendern ist auch in Russland unter Putin extrem ausgeprägt. Ein Alltag ohne Ausgrenzung durch schiefe Blicke, Beleidigungen, Ablehnung, Benachteiligung im Job und Tätlichkeiten ist gar unmöglich.
Gruppen wie LGBT-Set, eine der wichtigsten Unterstützergruppen für LGBTQI*, wurde vom Kreml beispielsweise 2021 zu einer Gruppe von ausländischen Agenten erklärt. Auch ist es seit 2013 laut Gesetz verboten, sich positiv über Homosexualität zu äußern.
Dieses Gesetz der „Homosexuellen-Propaganda“ verletze laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen fundamentale Rechte, da es diskriminierend und haltlos sei. Seit 2020 wurde nach einer Verfassungsreform ebenfalls die gleichgeschlechtliche Ehe verboten. Die Homophobie ist in Russland stark verbreitet: Nach einer staatlichen Umfrage von 2015 lehnen 80 Prozent der Teilnehmenden die Homo-Ehe ab.
Aufgrund dieser durch sich verschärfende Gesetze zunehmend gefährlicher werdenden Gesamtsituation, aufgrund gewaltsamen Vorgehens und gesellschaftlicher Ausgrenzung haben viele Transgender*menschen Russland bereits verlassen oder sind gewillt dies zu tun.
 
Skandinavien und Deutschland
 
Aber auch positive Entwicklungen lassen sich zum diesjährigen Transgender Day, etwa in skandinavischen Ländern. Die Akzeptanz gegenüber Menschen, die sich als trans* identifizieren ist überdurchschnittlich hoch. Die Politik ist auf dem Weg, die geschlechtliche Angleichung zu erleichtern. Im Augenblick zieht sich der Prozess der oft lang ersehnten Geschlechts- und Namensänderung im Ausweis für Transgender über Monate hin und kostet mehr als 1000 Euro. In zwei psychologischen Gutachten müssen intimste, oft entwürdigende Fragen wie das gegenwärtige Masturbationsverhalten beantwortet werden. Dieses 40 Jahre alte Transsexualgesetz soll durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden. Die psychiatrischen Gutachten würden denn wegfallen, denn über seine geschlechtliche Identität könne jeder Mensch am besten selbst bestimmen.
Auch die Bundesregierung geht in diese Richtung. Auch in Deutschland soll Transsexuellengesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden. Zudem wurde mit Sven Lehmann ein Queer-Beauftragter einbestellt, es wird ein nationaler Aktionsplan gegen Homo- und Transfeindlichkeit verfolgt und die „Sexuelle Identität“ soll in den Schutzbereich von Artikel 3 des Grundgesetzes aufgenommen werden.
Es zeigen sich an diesem Transgender Day of Visibility also Fortschritte wie Rückschritte; dass es noch eine große Kluft zwischen dem Ist-Zustand und wahrer Gleichberechtigung existiert. Einige Tendenzen führen hin zu einer freieren Welt, andere allerdings laufen ihr zuwider. Sichtbar wird an diesem Tag also nicht nur die Vielfalt der Trans* Gemeinde, sondern auch die Länge des Weges, die noch zu gehen sein wird, damit alle Menschen sich frei ausleben können.


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