Wenig Hoffnung zur Klimakonferenz
In Scharm El-Scheich findet vom 6. bis zum 18 November die 27. Weltklimakonferenz statt. Dass dort maßgebliche Fortschritte für den Klimaschutz erzielt werden - davon gehen die wenigstens aus.
Es sieht nicht gut aus fürs Klima: Die Vereinten Nationen (UN) rechnen aktuell mit einer Erderwärmung von 2,5 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts. Das gilt allerdings nur, wenn alle Staaten ihre bisher zugesagten Klimaschutzziele auch wirklich einhalten. Die Prognose hat sich in den letzten Jahren zwar verbessert - 2015 wurden noch 3,5 Grad Erwärmung vorhergesagt. Die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels, das im selben Jahr auf der Klimakonferenz in Paris formuliert und erst letztes Jahr als verbindlich festgelegt wurde, wird aber zunehmend theoretischer.
Bemühungen reichen nicht aus
Aktuell unternehme keines der größeren Industrie- und Schwellenländer genug, um die Ziele des Pariser Abkommens noch einzuhalten, stellten das „NewClimate Institute“ und „Climate Analytics“ aus Berlin jüngst fest. Die beiden wissenschaftlichen Institute geben gemeinsam regelmäßig den „Climate Action Tracker“ heraus, der die Politik von 39 Staaten untersucht und hinsichtlich des Pariser Abkommens bewertet. Sollte das 1,5-Grad-Ziel verfehlt werden, erwartet der Weltklimarat IPCC katastrophale Folgen: Hitzewellen, Dürren, starke Wirbelstürme und extreme Regenfälle hätten bereits jetzt - mit 1,2 Grad Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter - zugenommen. Bei 2 Grad wäre die Weltbevölkerung kaum noch (also noch schlechter, als ohnehin schon) zu ernähren, befürchtet der Rat.
Themen der Konferenz
Auf der Klimakonferenz in Ägypten sollen deshalb unter anderem die Klimaziele nachgebessert werden. Im letzten Jahr in Glasgow hatten mehrere Staaten angekündigt, ambitioniertere Ziele verfolgen zu wollen - bisher hat nur Australien wirklich neue Zielvorgaben bekannt gegeben. Dass noch weitere Industriestaaten folgen, erwarten Expertinnen wegen der aktuellen Energiekrise nicht.
Ähnlich konsequent hält es die erste Welt mit finanziellen Hilfen für ärmere Staaten, die schon jetzt unter den Folgen des Klimawandels leiden. Bereits vor Jahren wurde angekündigt, von 2020 bis 2025 sollten jährlich 100 Milliarden Dollar für die Anpassung an die Erderwärmung bereitgestellt werden. Je nachdem, wie man es rechnet, seien bisher höchstens - und das ist umstritten - 83 Milliarden Dollar geflossen.
Die großen Industriestaaten haben Besserung gelobt, besonders das Gastgeberland Ägypten will die Finanzen auf dieser Konferenz in den Mittelpunkt rücken. Dazu gehört auch das Thema Schadensersatz: Entwicklungsländer fordern einen „Loss and Damage“ Fonds für Schäden, die beispielsweise durch Unwetter verursacht wurden. Die Forderung ist nicht neu, wird aber zum ersten Mal offiziell auf die Tagesordnung gesetzt. Dänemark hat sich bereits zu Zahlungen bereit erklärt.
Geringe Erwartungen
Dass die COP27 bahnbrechende Beschlüsse hervorbringt, erwartet eigentlich niemand. Einen dicken Dämpfer gab es bereits vorab, als bekannt wurde, dass Chinas Staatschef Xi Jinping die Konferenz nicht besuchen werde. Er lässt sich von einem Klimadiplomaten vertreten. China ist mittlerweile der Staat mit den weltweit höchsten CO2-Emissionen, ohne das bevölkerungsreichste Land der Erde geht nichts beim Klimaschutz. Die Führung in Peking treibt durchaus auch den Ausbau Erneuerbarer Energien voran. Gleichzeitig werden aber weiterhin Kohlekraftwerke gebaut, denn die chinesische Wirtschaft braucht große Mengen an Energie.
Außerdem überschattet der Ukraine-Krieg die Klimakonferenz. Beobachter:innen halten es angesichts der geopolitischen Lage für möglich, dass das Treffen in diesem Jahr nicht einmal eine gemeinsame Abschlusserklärung hervorbringen könnte. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußert sich ebenfalls zurückhaltend. Es sei in dieser Zeit schon ein Erfolg, wenn die Weltklimakonferenz überhaupt stattfinde, antwortete sie der Tagesschau auf die Frage, welches Minimalziel die Bundesregierung auf der COP27 verfolge.
„Nicht begriffen, was auf dem Spiel steht“
Wirklich optimistische Stimmen sucht man auch in der Region vergeblich. „Der größte Teil der politischen Klasse hat immer noch nicht begriffen, was auf dem Spiel steht“, sagt Wolfgang Goltsche, Kreisvorsitzender der Grünen. Dr. Hans-Gerhard Kulp, Biologe und Vorstandssprecher der Biologischen Station Osterholz (BioS), will die Hoffnung noch nicht aufgeben. Ihm sei aber bewusst, „dass andere Krisen das Thema Klimawandel in den Hintergrund drängen“.
Beide sind sich einig, dass es wichtig sei, sich von den Geschehnissen auf der Weltbühne nicht beirren zu lassen und den Klimaschutz vor Ort konsequent weiter zu verfolgen. „Das Moor ist unser Regenwald“, sagt Kulp und hofft, dass die Berichterstattung über die Weltklimakonferenz die Kommunalpolitiker:innen daran erinnert, „dass sie hier etwas tun müssen“. Auch Goltsche will weiter „um jedes Zehntel Grad kämpfen, eine andere Chance haben wir ja nicht.“ Vor Ort sei man mit vielen Projekten schon auf einem guten Weg. „Das sind zwar singuläre Bemühungen, sie zeigen aber, dass wir handlungsfähig sind“, sagt der Grünen-Politiker. Hans-Gerhad Kulp hofft, dass regionales Engagement letztendlich auch in der Politik seine Wirkung entfaltet: „Politiker brauchen auch die Unterstützung der Basis. Sie sind nur so weit engagiert, wie sie merken, dass es von ihren Wählern gefordert wird.“
Leere Versprechungen, sonst nichts
„Nichts“ antwortet die Fridays for Future (FFF) Ortsgruppe auf die Frage, was sie sich von der COP27 erhoffen. „Bis auf leere Versprechungen haben die letzten 26 Klimakonferenzen nichts erreicht. Die Staats- und Regierungschefs, die sich dort treffen vertreten nicht die Interessen der allgemeinen Menschheit“, sagen die Aktivistinnen. Sie hielten es für unwahrscheinlich, „dass die gleichen Nationen, die historisch für Kolonialismus und Klimakrise verantwortlich sind, aus reinem Wohlwollen und Großzügigkeit ihr Handeln grundlegend ändern.“
Um den Kollaps abzuwenden, müssten die aktuelle Produktionsweise und die Ausbeutung des globalen Südens gestoppt werden, fordern die Mitglieder der FFF-Ortsgruppe. „Laut wissenschaftlichen Studien sind nur 100 multinationale Konzerne für 71 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich.“ Die Aktivistinnen verweisen auf die Initiative „Debt for Climate!“, die auf den Zusammenhang zwischen internationaler Wirtschaftspolitik und Klimakrise aufmerksam macht: Entwicklungsländer sind massiv verschuldet und die Kredite, die sie von Industrienationen bekommen, sind oft gekoppelt an wirtschaftliche Vorgaben wie die Förderung fossiler Brennstoffe. „Die Bewegung kämpft so für einen Schuldenschnitt, um eine soziale und ökologische Wirtschaft erst möglich zu machen. Solche Bewegungen bieten mehr Grund zur Hoffnung als irgendwelche Klimakonferenzen“, sagt die FFF-Ortsgruppe.