

Niedersachsen. Auszubildende und Freiwilligendienstleistende in Niedersachsen können künftig günstiger mit Bus und Bahn unterwegs sein. Das neue „D-Ticket Azubi“ basiert auf dem Deutschlandticket und gilt im gesamten öffentlichen Nah- und Regionalverkehr in Deutschland. Das Land übernimmt 20 Prozent des jeweils aktuellen Ticketpreises, aktuell sind das 12,60 Euro von 63 Euro. Damit sinkt der Monatspreis ohne Arbeitgeberzuschuss auf 50,40 Euro.
Vorgesehen sind zwei Varianten: In der Grundvariante kaufen Azubis und Freiwilligendienstleistende das Ticket selbst und erhalten automatisch den Landesrabatt. In der zweiten Variante beteiligen sich Arbeitgeber mit mindestens 25 Prozent am Preis. Dann greift zusätzlich ein Jobticket-Rabatt von fünf Prozent. Insgesamt reduziert sich der Ticketpreis so auf 31,50 Euro und liegt damit bei der Hälfte des regulären Deutschlandticket-Preises. Bei höheren Arbeitgeberzuschüssen kann der Eigenanteil der jungen Menschen weiter sinken.
Anspruch haben Auszubildende in anerkannten Ausbildungsberufen sowie Freiwilligendienstleistende, etwa im FSJ oder Bundesfreiwilligendienst, mit Bezug zu Niedersachsen – etwa durch Ausbildungs- oder Einsatzstelle. Gültig ist das Ticket überall dort, wo das Deutschlandticket anerkannt wird: in Bussen, Straßenbahnen, U- und S-Bahnen sowie im Regionalverkehr der Bahn. Perspektivisch soll das Ticket auch im landesweit genutzten „FahrPlaner“ erhältlich sein.
SPD und Grüne setzen damit ein Versprechen aus ihrem Koalitionsvertrag um - mit Änderungen. Vereinbart war 2022 ein landesweites Ticket für alle Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Freiwilligendienstleistende zum Preis von 29 Euro pro Monat. Nun kommt zunächst ein bundesweit gültiges Ticket, das sich auf Azubis und Freiwilligendienstleistende beschränkt und in der Grundvariante deutlich über den 29 Euro liegt. Die Landesregierung verweist im Gegenzug auf den erweiterten Geltungsbereich und die Jobticket-Option.
Bildungsgerechtigkeit und Fachkräftesicherung
Das Ticket trage zur Bildungsgerechtigkeit bei, weil es jungen Menschen unabhängig vom Wohnort eine bezahlbare Mobilität ermögliche, sagt Wirtschafts- und Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne (SPD). Gleichzeitig soll es helfen, Fachkräfte zu gewinnen. Mit dem neuen Ticket könnten Auszubildende auch längere Arbeitswege finanziell stemmen. Gerade in Flächenlandkreisen mit weiten Wegen könne ein bundesweit gültiges Ticket helfen, Ausbildungsplätze und Bewerber zusammenzubringen
Der SPD-Landtagsabgeordnete Oliver Lottke spricht von einem eingelösten Versprechen. Das Land übernehme dauerhaft einen Anteil von 20 Prozent am Deutschlandticket für diese Gruppe, betont er. Nach seinen Angaben sei das Ziel, jungen Menschen bundesweit bezahlbare Mobilität zu ermöglichen und zugleich die regionale Wirtschaft zu stärken. Ein stärker vergünstigtes Ticket wäre politisch gewollt gewesen, so Lottke, doch die Bundesvorgaben für das Deutschlandticket und die angespannten Haushalte setzten enge Grenzen. Trotzdem habe man „eine echte und spürbare Entlastung“ erreicht.
Pascal Mennen, Grünen-Landtagsabgeordneter aus Lüneburg und in seiner Fraktion zuständig unter anderem für Bremervörde, sieht im „D-Ticket Azubi“ einen Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Mobilität dürfe nicht länger vom Geldbeutel der Eltern abhängen, argumentiert er. Das Ticket ermögliche selbstbestimmte und klimafreundliche Mobilität und sei damit ein wichtiger Beitrag, um jungen Menschen mehr Teilhabe zu sichern. Perspektivisch halten die Grünen an ihrem Ziel fest, ein 29-Euro-Ticket für alle jungen Menschen einzuführen – auch wenn dafür derzeit die Haushaltsmittel fehlen.
Gewerkschaften und Kammern sehen „Meilenstein“
Bei Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden stößt das neue Ticket überwiegend auf Zustimmung. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Niedersachsen hatte bereits seit 2019 ein vergünstigtes Azubi-Ticket gefordert.
DGB-Landeschef Mehrdad Payandeh spricht nun von einem vollen Erfolg jahrelanger Arbeit. Das Ticket stärke die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung und mache Ausbildung attraktiver. Die Landesregierung habe geliefert, nun seien die Arbeitgeber gefragt: Wer Fachkräfte gewinnen wolle, müsse auch in die Mobilität junger Menschen investieren, so Payandeh.
Auch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen bewertet das „D-Ticket Azubi“ positiv. Direktor Bernd von Garmissen nennt das Angebot einen wichtigen Baustein, um Ausbildung – insbesondere in den zwölf grünen Berufen – attraktiver zu machen. Gerade im ländlichen Raum könnten junge Menschen damit leichter eine duale Ausbildung aufnehmen oder fortführen.
Ähnlich argumentiert die Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade. Kammerpräsident Detlef Bade bezeichnet den Landeszuschuss als deutliches Zeichen der Wertschätzung für die berufliche Ausbildung. Nachdem Studierende bereits vom solidarisch finanzierten Semesterticket profitieren, sei das neue Modell ein Schritt, Auszubildende gleichzustellen. Zwar sei das ÖPNV-Angebot im ländlichen Raum teils lückenhaft, doch für viele junge Menschen bedeute das Ticket trotzdem eine spürbare finanzielle Entlastung. Betriebe könnten sich zudem mit einem zusätzlichen Arbeitgeberzuschuss als besonders ausbildungsfreundlich positionieren.
Die Industrie- und Handelskammern in Niedersachsen sprechen von einem starken Signal für Auszubildende und Ausbildungsbetriebe. Das Azubi-Ticket sei ein „Meilenstein“ für die berufliche Bildung, heißt es von der IHK Niedersachsen. Mobilität sei ein entscheidender Faktor für die Attraktivität von Ausbildungsplätzen – besonders im ländlichen Raum.
Preis und Reichweite in der Kritik
Trotz vieler positiver Reaktionen bleibt Kritik nicht aus. Der Landesschülerrat Niedersachsen nennt das vergünstigte Deutschlandticket für Azubis und Freiwilligendienstleistende zwar einen wichtigen Schritt, sieht Schülerinnen und Schüler aber weiterhin im Nachteil. Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag seien für sie bislang nicht eingelöst worden. Besonders die Sekundarstufe II sei betroffen, da dort oft keine klassische Schülerbeförderung mehr greife und die Jugendlichen ihre Mobilität selbst finanzieren müssten.
Der Landesschülerrat fordert, das vergünstigte Ticket konsequent auf alle Schülerinnen und Schüler auszuweiten. Nur so lasse sich echte Chancengleichheit herstellen. Mobilität sei eine Grundvoraussetzung für den Zugang zu Bildung, Praktika, kulturellen Angeboten und gesellschaftlichem Leben. Es dürfe nicht vom gewählten Bildungsweg abhängen, ob junge Menschen mobil seien – wer zur Schule gehe, habe die gleichen Bedürfnisse wie Auszubildende, argumentieren die Sprecher des Gremiums.
Auch der Sozialverband VdK Niedersachsen-Bremen zeigt sich nur teilweise zufrieden. Miriam Wagner, die die jüngeren Mitglieder des Verbands vertritt, begrüßt zwar grundsätzlich die Idee eines ermäßigten Deutschlandtickets als Baustein einer sozial gerechten Klimapolitik. Gleichzeitig erinnert sie daran, dass im Koalitionsvertrag ein 29-Euro-Ticket zugesagt worden sei. Mit einem Preis von 50,40 Euro in der Grundvariante bleibe die Landesregierung „weit hinter ihrem Wort zurück“.
Besonders kritisch sieht der VdK die Annahme, viele Arbeitgeber würden sich am Ticket beteiligen und so den Preis Richtung 31,50 Euro senken. Es sei keineswegs sicher, dass Unternehmen in großer Zahl einen Zuschuss gewährten. Für viele junge Menschen bleibe daher nur der Grundpreis – und 50 Euro im Monat seien bei einem typischen Azubigehalt weiterhin eine spürbare Belastung.



