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Umgangsrecht in der Corona-Krise: Rechtsanwältin Rabea Schuchardt im Interview

Landkreis Osterholz/Rotenburg. Rechtsanwältin Rabea Schuchardt erklärt im Interview, wie das Kontaktverbot in der Corona-Krise das Umgangsrecht zwischen Eltern und Kind beeinflusst.
Rabea Schuchardt ist Rechtsanwältin und Notarin in Osterholz-Scharmbeck mit Schwerpunkt im Familienrecht.  Foto: eb

Rabea Schuchardt ist Rechtsanwältin und Notarin in Osterholz-Scharmbeck mit Schwerpunkt im Familienrecht. Foto: eb

Die Regel „Stay home“ betrifft dieser Tage alle, auch die Familien. Was ist aber, wenn die gemeinhin als Kernfamilie bezeichnete Familie aus Eltern und Kind aufgrund Trennung der Eltern gar nicht unter einem Dach lebt? Im Interview erklärt Rechtsanwältin Rabea Schuchardt, welche Auswirkungen das Kontaktverbot auf die Umgangskontakte zwischen dem Kind und dem nicht betreuenden Elternteil hat.
 
ANZEIGER: In den Allgemeinverfügungen des Bundes und der Länder ist die Rede davon, dass Ausgangsbeschränkungen im Falle der Wahrnehmung des geteilten Sorgerechts nicht gelten. Was bedeutet dies für das Umgangsrecht?
 
Schuchardt: Soweit in den Verfügungen von Sorgerecht die Rede ist, dürfte es sich um eine Falschbezeichnung handeln. Dem Sinn der Regelungen nach kann nur das Umgangsrecht gemeint sein; mit der Folge, dass grundsätzlich nichts dagegenspricht, den Umgangskontakt wahrzunehmen.
 
ANZEIGER: Grundsätzlich spricht nichts dagegen. Also gibt es Ausnahmen?
 
Schuchardt: Ja. Aber an dieser Stelle muss betont werden, dass stets das Kindeswohl im Blick zu behalten ist. Dies bedeutet, dass nun die Eltern gefordert sind, die jeweiligen Gesamtumstände genauestens und keinesfalls leichtfertig abzuwägen.
 
ANZEIGER: Welche Umstände sind zu berücksichtigen?
 
Schuchardt: In erster Linie soll sichergestellt sein, dass das Kind durch den Kontakt mit dem anderen Elternteil nicht selbst weiteren Kontakten zu Fremdpersonen ausgesetzt ist. Dies wird sich wiederum in Patchworkfamilien aber nicht verhindern lassen.
Wenn der andere Elternteil oder der in seinem Haushalt lebende neue Partner nach wie vor arbeitet und damit häufigen Kontakt zu Dritten hat, erhöht sich natürlich das Infektionsrisiko für alle Beteiligten. Dem sollte das Kind nicht ausgesetzt werden insbesondere wenn der Elternteil einen systemrelevanten Beruf ausübt wie etwa als Pflegekraft.
Zu berücksichtigen ist beispielsweise auch, ob zur Durchführung des Umgangs mit dem öffentlichen Personennahverkehr gereist werden muss, insbesondere aber auch, ob das Kind selbst zum Beispiel wegen einer Erkrankung einer Risikogruppe angehört.
Ein Fokus muss bei alledem natürlich auch darauf gelegt werden, wie einschneidend eine längere Umgangspause für das Kind ist. Sicherlich ist dabei auch das Alter des Kindes entscheidend. Die Aspekte, die zu berücksichtigen sind, sind also vielfältig.
 
ANZEIGER: Kann der betreuende Elternteil den Umgangskontakt verweigern, wenn er das Risiko für das Kind als zu hoch einschätzt?
 
Schuchardt: Eines vorweg: Die Coronakrise kann und darf nicht als Vorwand für einen Umgangsentzug missbraucht werden. Selbstverständlich sollte mit dem Umgangsrecht aber auch nicht leichtfertig umgegangen werden. In dieser schwierigen Zeit ist das Verantwortungsbewusstsein der Eltern gefragt, die ihr Kind sicherlich nicht um jeden Preis einem Gesundheitsrisiko aussetzen sollen und wollen. Man kann auch über vorübergehende Alternativen nachdenken, um den Umgang nicht gänzlich entfallen zu lassen.
 
ANZEIGER: An welche Alternativen denken Sie?
 
Schuchardt: Wenn es das Alter des Kindes zulässt, kann zum Beispiel alternativ der Kontakt per Videochat aufrechterhalten werden. Dies ist zwar kein adäquater Ersatz für den persönlichen Umgang. Für ältere Kinder kann das aber ein probates Mittel sein, den Kontakt aufrecht zu erhalten und einen direkten – auch visuellen - Austausch zu ermöglichen. Bei Babys und Kleinstkindern wird das hingegen nicht möglich sein. Hier ist aber ohnehin zu bedenken, dass ohne einen persönlichen Kontakt schnell eine folgenschwere Entfremdung eintreten kann. Der Kontakt kann dann aber zum Beispiel vorläufig auf einen Besuch beim Kind beschränkt werden.
 
ANZEIGER: Was ist, wenn Umgangskontakte wegen der Coronakrise ausfallen?
 
Schuchardt: Die vereinbarten Umgangskontakte sollten unbedingt nachgeholt werden, sobald sich die gesundheitliche Lage entspannt hat und sich das Infektionsrisiko verringert. Dies muss offen kommuniziert werden – auch gegenüber dem Kind.
Sollten sich die Eltern nicht einig werden können, wird es leider für ausgefallene Umgangskontakte derzeit keinen kurzfristigen Rechtsschutz geben, da die Gerichte weitestgehend nur im Notbetrieb besetzt sind. Um so mehr ist an die Vernunft der Eltern zu appellieren, stets im Interesse des Kindeswohls abzuwägen, eigene Interessen absolut hintanzustellen und miteinander ins Gespräch zu kommen.


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