Lion Immoor

Stipendienstätte der Zukunft

Worpswede. Im Zuge einer „Netzwerkwoche“ vom 22. bis zum 28. arbeiteten Künstler:innen an einem neuen Konzept für die Worpsweder Künstler:innenhäuser.
Die Leitenden der Künstler:innenhäuser Bhima (li.) und Philine Griem (re.) mit (v. li.) Janis von Rohden, Jonathan Heck und Helena Rafalsky.

Die Leitenden der Künstler:innenhäuser Bhima (li.) und Philine Griem (re.) mit (v. li.) Janis von Rohden, Jonathan Heck und Helena Rafalsky.

Wie sollen „Stipendienstätten der Zukunft“ aussehen? Das ist die zentrale Frage, die in der vergangenen Netzwerkwoche diskursiv aber auch praktisch verhandelt wurde.
1978 erbaut, liegen die Künstlerhäuser am äußeren Rand des Dorfes Worpswede. Zum Gebäudekomplex zählen hierbei unter anderem fünf Künstlerateliers, in denen sich immer wieder Künstler:innen und Künstler:innen-Kollektive einfinden, um gemeinsam oder für sich allein kreativ zu werden. Mittlerweile sind die Häuser ein wenig in die Jahre gekommen und es Bedarf einer Sanierung. „Uns liegt dabei besonders am Herzen, dass wir den Umbau der Gebäude als Prozess begreifen und gestalten wollen“, erklärt Philine Griem, die im Jahr 2020, gemeinsam mit Bhima Griem die Leitung der Anlage übernommen hat. Man wolle keinem festen Plan folgen, da dies die Transformation im Vorhinein schon zu sehr einengt. Zudem wolle man nicht nur die Künstler:innenhäusern selbst, sondern auch die Inhalte der Institution überarbeiten. „Wir wollen das gesamte Konzept gemeinsam neu denken“, ergänzt Bhima Griem.
 
Ein Rückzugsort
 
Mit der Erbauung der Künstler:innenhäuser ging ursprünglich die Idee einher, vor allem städtische Kreative heraus aufs Land zu holen. „Vor einigen Jahren wurden viele Fördergelder für diese Projekte abgezogen, da bildende Künstler eher urban als ländlich arbeiten sollten“, so Griem. Die beiden Leitenden der Künstler:innenhäuser finden hingegen, dass gerade das Land auch als Rückzugsort dienen könne - ein Ort, an dem verschiedene Menschen und Kulturen in beschaulicher Ruhe zusammenkommen, ohne Reize von außen. „Daraus entstehen häufig viel innigere Begegnungen und ein deutlich intensiverer Austausch zwischen den Künstlern“, findet Bhima.
 
Die Welt im Wandel
 
Auch das Schaffen des Künstlers Heinrich Vogeler fließt - anlässlich seines 150-jährigen Jubiläums in diesem Jahr - in die aktuelle Arbeit der Künstler:innen mit ein. „Vogeler hat sich schon damals viel mit dem Thema „Gardening“ beschäftigt und den Garten als Permakultur für verschiedene Lebewesen verstanden“, fasst Bhima Griem zusammen. Es sei deshalb wichtig, die Natur und unseren gesamten Lebensraum als Symbiose zu verstehen und ihn nicht allein für den Menschen zu beanspruchen. Gerade im Hinblick auf die steigende Erderwärmung, den Klimawandel und die Corona-Pandemie würde einmal mehr klar, dass wir beginnen müssten, flexibler zu denken. Pläne müssten fluider konzipiert werden, da es kaum möglich sei, länger als wenige Monate im Voraus zu planen. Die Welt um uns herum befinde sich im ständigen Wandel.
 
Die Zukunft im Blick
 
„Stipendienstätten der Zukunft“ heißt deshalb das aktuelle Projekt der Künstler:innenhäuser, bei dem sich die Leitenden gemeinsam mit verschiedenen Akteurinnen aus den Bereichen der bildenden Künste, der Komposition und Musik, aber auch der Literatur fragen und darüber austauschen wollen, wie die Künstler:innenhäuser in Zukunft nachhaltig verändert und erneuert werden könnten. „Minimale und behutsame Eingriffe - maximale Veränderung“ laute hierbei das Motto, beschreibt Philine Griem.
Damit wird bereits begonnen. Am Eingang der Anlage sind Helena Rafalsky und Jonathan Heck mit der Fertigstellung eines „Kunstbaubüros“ beschäftigt. „Mit dem Gebäude wollen wir dem Prozess um die Stipendienstätte einen Raum geben“, erklärt die Leiterin. Einerseits wolle man Transparenz und Sichtbarkeit für Besucher:innen herstellen, da lange Zeit eine Art „Vorraum“ zu den Künstler:innenhäusern fehlte. Andererseits wolle man aber auch einen Ort schaffen, an dem Meinungen von Gästen, Kritik oder Gegenstände, die man mit den Häusern verbindet, überdauern können. „Das Gebäude kann ebenfalls als Rednerplatz oder kleine Bühne dienen, da man es an der langen Seite öffnen kann“, so Griem weiter. Lange wurde über die Positionierung des „Kunstbaubüros“ nachgedacht, wobei man am Ende zu dem Entschluss gekommen ist, das Gebäude um einen Baumstumpf herum zu erbauen.
 
Die Aktiven
 Im Zuge der „Netzwerkwoche“ hatte man in den vergangenen Tagen eine individuelle Auswahl von Akteursgruppen, Kollektiven und Rednern ins Künstlerdorf eingeladen, die sich dort aktiv durch Diskussionsrunden und eigene Projekte an der Neugestaltung der Künstlerhäuser beteiligten. Mit dabei waren die Künstler-Kollektive Mikado.X, Haus 6, stay_hungry, SpätiSpäti, Indorf Outdorf, School of Commons, der Kunstverein St. Pauli, sowie die Redner Javi Acevedo, Peer Frantzen und Raimar Stange. Die Woche fand am vergangenen Samstag im Rahmen eines großen Festtages mit viel Musik, Bewirtung und guter Laune einen runden Abschluss.


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