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Patrick Viol

Kommentar: Putins Russland als Gegner erkennen

In ihrem Kommentar kritisieren Toni Oswald und Patrick Viol die despotenfreundliche Haltung der neuen Bundesregierung und fordern praktische Solidarität mit der Ukraine.
Auch sollte die von der Außenministerin vorgebrachte „historische Verantwortung“ gegenüber Russland nicht davor Halt machen, die Ukraine auch militärisch zu unterstützen. Bild:wiki commons

Auch sollte die von der Außenministerin vorgebrachte „historische Verantwortung“ gegenüber Russland nicht davor Halt machen, die Ukraine auch militärisch zu unterstützen. Bild:wiki commons

Annalena Baerbock und Olaf Scholz haben die unter anderem vom ukrainischen Botschafter in Deutschland vorgetragene Bitte nach Waffenlieferungen abgelehnt. Noch die Regierung Merkel hat 2021 einen NATO-Mechanismus blockiert, über den Waffen aus anderen NATO-Ländern hätten geliefert werden können. Nachdem Deutschland sich gegen allen Protest aus der EU und den USA ebenfalls geweigert hatte, die offene und verdeckte Kriegsführung Russlands in Europa im Vorhinein zum Argument gegen eine Inbetriebnahme der „Nord Stream 2“-Pipeline zu machen, versucht Olaf Scholz nun im letzten Moment zu signalisieren, dass im Falle eines weiteren Überfalls Russlands auf die Ukraine das Projekt, das er im Dezember noch als rein privatwirtschaftlich bezeichnet hat, doch in Frage stehen könnte. Erst die reale Gefahr eines Krieges lässt Deutschland auf höchster Ebene von einer russlandfreundlichen Haltung abrücken, die insbesondere russische Gaslieferungen und eine diplomatische „Sonderrolle“ Deutschlands gegenüber Russland höher gewichtet als die Ängste aller europäischen „Partner“.
Diese hatten schon lange davor gewarnt, dass eine neuerliche Pipeline, die die osteuropäischen Anrainer-Staaten umgeht, diese dem zunehmend aggressiver auftretenden Russland ausliefern. Das hielt SPD-Generalsekretär Kühnert nicht davon ab, angesichts eines russischen Angriffskrieges „politischen Frieden“ für „Nord Stream 2“ zu fordern und die Kriegsgefahr als „herbeigeredet“ zu bezeichnen. Diese traditionell despotenfreundliche Haltung der SPD gegenüber Russland, wie sie sich ansonsten insbesondere bei der Linkspartei und der AfD findet, trifft sich in puncto Waffenlieferungen mit einem tradierten Antimilitarismus der Grünen, der heute als „wertebasierte Außenpolitik“ firmiert. Doch bloße Werte zu vertreten, treibt den Preis für eine Invasion in die Ukraine nicht in die Höhe. Es ist naiv zu glauben, Putin ließe sich von Symbolgeplänkel beeindrucken. Im Gegenteil. Er weiß, dass der Westen einknickt, wenn es hart auf hart kommt.
Es ist von daher an der Zeit, dass Deutschland aufhört, in Russland einen Partner zu sehen. Russland ist ein Gegner, dem man sich mit Waffenlieferungen an die Ukraine und schmerzhaften wirtschaftlich Sanktionen stellen muss. Auch wenn sie Deutschland etwas kosten; auch wenn im Koalitionsvertrag der Export von Waffen in Krisengebiete untersagt ist – es geht um eine Abschreckung eines autokratischen Regimes, das in jüngster Vergangenheit nur allzu oft gezeigt hat, was es zu tun bereit ist, um sich als Weltmacht zu restaurieren. Sei es im Inland die Gleichschaltung von Presse und Justiz, sei es die weltweite Verfolgung von Kritikern oder die Unterstützung von Kriegsverbrechen wie Baschar al-Assad.
Auch sollte die von der Außenministerin vorgebrachte „historische Verantwortung“ gegenüber Russland nicht davor Halt machen, die Ukraine auch militärisch zu unterstützen. Denn historische Verantwortung hat die BRD auch gegenüber der Ukraine: So war es unter anderem das Bremer Polizeibataillon 303, das mordend durch die Ukraine zog und am Massaker an Juden in Babyn Jar beteiligt war. Auch wurden ukrainische Zwangsarbeiter gezwungen, die deutsche Militärmaschinerie am Laufen zu halten. Im Kreis Osterholz und in Bremen.
Die „historisch“ geborgte Moral soll lediglich bemänteln, dass man aus wirtschaftlichen Gründen und aufgrund der außenpolitischen Schwäche Deutschlands, das durch russische Gaslieferungen erpressbar ist, eine wirksame Solidarität mit der Ukraine lieber hintanstellt; dass man zur Verteidigung des demokratischen Westens, der die besten Bedingungen einer befreiten Menschheit bietet, nur hohle Phrasen anzuführen bereit ist.


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