Patrick Viol

Kommentar: Die kleinen Freuden in der Pandemie

Wie das Bußgeld für den Verstoß gegen die Maskenpflicht die Maskenverächter*innen in ein Dilemma geraten lässt
Konsistenz ist in der Pandemie nur schwer möglich. Bild: Malevich/wiki commons

Konsistenz ist in der Pandemie nur schwer möglich. Bild: Malevich/wiki commons

Die Kanzlerin traf sich am Donnerstag mit den zwei Länderchefinnen und den 14 Länderchefs, um die Corona-Maßnahmen etwas einheitlicher zu gestalten. Die wurden nämlich seit Juni zunehmend unterschiedlicher. Was dem unterschiedlichen Infektionsaufkommen geschuldet sei, so die Begründung. Natürlich dient jeder landesspezifische Umgang mit der Pandemie auch einer bestimmten Inszenierung des Ministerpräsidenten bzw. der Ministerpräsidentin. Das lässt sich auch am Ergebnis des Treffens vom Donnerstag ablesen. Denn eine wirkliche Einheit der Regelungen wurde nicht erreicht. Was ihr am nächsten kommt, ist die Einigung, dass ein Verstoß gegen die Maskenpflicht mit mindestens 50 Euro Bußgeld geahndet werden soll. Darauf konnten sich immerhin 15 der Länderregierenden einigen. Sachsen-Anhalt schert aus. Man habe ein so geringes Infektionsaufkommen, da sei ein Bußgeld nicht erforderlich, so der Ministerpräsident. Dass bei seiner Entscheidung zugleich eine Rücksicht auf das hohe Aufkommen von Corona-Rebellen in seinem Bundesland eine Rolle spielt, kann man durchaus annehmen. Denn die Alltagsmaske ist deren primäres Hassobjekt. Für die Corona-Rebellen ist die Maske nicht einfach bloß medizinisch fragwürdig, sondern das Symbol für die scheinbar unzulässige und untragbare Einschränkung unserer Freiheit.
Auch wenn sich die mit dem Bußgeld einhergehende Verstärkung von Polizeikontrollen im Alltag für mich nicht wirklich gut anfühlt, so befürworte ich die Einführung eines Bußgeldes aus zwei Gründen: Erstens könnte es dazu führen, da nun offizielle Stellen die Verstöße ahnden, dass weniger überzeugte Maskenträger*innen sich als Corona-Sheriffs aufspielen, die schneller „Maske auf“ schreien, als Lucky Luke seinen Colt ziehen kann, wenn sie jemanden ohne Maske sehen. Was meines Erachtens zu viele mit zu großer Freude und Genuss tun und dabei übersehen, dass gerade auch Menschen aus Risikogruppen aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen, zu deren Schutz wir ja eine Maske aufsetzen.
Und zweitens, weil das Bußgeld die Corona leugnenden Maskenverächter*innen - außerhalb von Sachsen-Anhalt - nun in ein Dilemma geraten lässt: Wenn sie ihren Protest durchziehen und beim Einkaufen und in Bussen und Bahnen keine Maske tragen, dann unterstützen sie durch das Bußgeld den Staat, den sie wegen der Maskenpflicht verabscheuen.
Das Bußgeld - und das sind die kleinen Freuden des Pandemie-Alltags - verunmöglicht es den Corona negierenden Freiheitskämpfer*innen - metaphorisch wie buchstäblich -, ihr Gesicht zu wahren. Selbst innerhalb ihres Wahns können sie aufgrund des Bußgeldes nicht mehr konsistent handeln.
Vielleicht vermag dieses Dilemma der einen oder dem anderen die komplette Irrationalität des Kampfes gegen die Maske als Symbol scheinbarer Unterdrückung vor Augen führen: dass er nichts ist als eine nachträgliche Ersatzhandlung. Und zwar dafür, dass man sein bisheriges Pandemie freies Leben jede Einschränkung wirklicher Freiheit und Individualität stumm akzeptiert hat, wodurch einem das Gesicht zur ausdruckslosen Maske erstarrte. Der irre Kampf gegen die Maske ist letztlich der Versuch, sich darüber hinwegzutäuschen, dass man bereits jede individuelle Ausdruckskraft preisgegeben hat.


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