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Patrick Viol

Kommentar: Argumente statt Worthülsen

Patrick Viol kritisiert Antirassisten dafür, dass sie in der Böllerdebatte die Kritik an Ideologien in migrantischen Communities Rechtspopulisten überlassen.

Wie die Böllerboys die Raketen auf Einsatzkräfte, so schießen links-grüne Politiker:innen und Pseudoaktivisten mit Presseausweis einfach antirassistische Standpunktparolen aus der Hüfte in den Medienäther.

Wie die Böllerboys die Raketen auf Einsatzkräfte, so schießen links-grüne Politiker:innen und Pseudoaktivisten mit Presseausweis einfach antirassistische Standpunktparolen aus der Hüfte in den Medienäther.

In Neukölln explodierten Unmengen an Böllern und Schreckschussmunition. Medienwirksam und menschengefährdend gezündet wurden sie u. a. von ungefähr drei Dutzend Berliner Krawallbrüdern mit arabisch-islamischem Background. Damit haben sie aber nicht den Beginn des neuen Jahres gefeiert, sondern Bürgerkrieg gespielt - gegen Polizei und Rettungskräfte.

Nun, ein paar Tage später, knallt es zwar nicht mehr im migrantisch geprägten, sozialen Brennpunkt, dafür umso mehr in der Debatte über die Silversterausschreitungen.

Die Straßenschlacht junger Habibis mit der Staatsmacht und freiwilligen Einsatzkräften wird als eine alle medialen Kanäle einnehmende Debattenschlacht zwischen relativierenden Linksliberalen auf der einen und Law-und-Order-Konservativen sowie migrantenfeindlichen Rechtspopulisten auf der anderen Seite weitergeführt. Geschossen werden vornehmlich die zu Worthülsen verkommenden Begriffe Rassismus und Integration.

Und so wahllos gefährlich die Attacken der pyromanischen Randalierer, so gedankenlos bräsig sind die Kommentare der Antirassisten, die sie gegen die „Jürgens“, „Ingos“ und „Dieters“ verteidigen, die scheinbar alle qua deutschem Pass Rassisten seien. Wie die Böllerboys die Raketen auf Einsatzkräfte, so schießen links-grüne Politiker:innen und Pseudoaktivisten mit Presseausweis einfach antirassistische Standpunktparolen aus der Hüfte in den Medienäther. Von den Linken, den Grünen, vom Volksverpetzer und in der taz wird einfach gesagt: Das ist ein rein soziales Problem. Das ist Ausdruck von Wut über Diskriminierung und Rassismuserfahrung. Die Gewalt an Silvester hat nichts mit Kultur, Migrationshintergrund oder fehlgelaufener Integration zu tun. „Solche Wortmeldungen helfen wenig, sondern sie entlarven erneut, wie tief Rassismus im Denken verankert ist“, schreibt Uta Schleiermacher beispielhaft in der taz.

Warum aber nachweisliche patriarchale Ehre- und Stärkeideologien und autoritäre Männlichkeitsbilder innerhalb islamisch-arabischer Communities in einem Berliner Brennpunkt nichts mit der Gewalt an Silvester zu tun haben sollen; warum der Verweis darauf rassistisch sein soll, wird nicht begründet. Stattdessen wird einfach behauptet, die Aufregung über den „fehlenden Respekt“ gegenüber dem Staat (Jens Spahn) sei lediglich der Tatsache geschuldet, dass es sich um nicht-deutsche Täter handelt. Und selbst wenn es so wäre - die Aufregung über Coronarebellen widerspricht aber bereits ihrer Behauptung -: Wenn Rassisten arabisch-islamische Migranten hassen, ist das kein Argument gegen einen Zusammenhang von Elementen ihrer Kultur mit gewalttätigen und menschenverachtenden Bewältigungsversuchen von Diskriminierung und Perspektivlosigkeit. Das sagen auch Mitglieder der Community selbst, die kein Bock auf solch ein Gebaren von Halbstarken haben, sondern in Ruhe leben wollen. Auf die hört man aber nicht. Das sollten aufgeklärte Menschen, die ein Interesse an einer besseren Welt haben, aber tun. Denn sonst überlassen sie die Kritik kultureller und ideologischer Problemlagen in migrantischen Communities den Rechtspopulisten und Rassisten. Aber nicht nur sollte man jenen zuhören, die nicht unmittelbar das sagen, was die eigene politische Agenda bestätigt.

Damit Deutschland sich nicht in diesem Jahr wieder als die Dümmste-Debatten-Rebublik (DDR) erweist, sollten die Diskursteilnehmenden vom Standpunktdenken, egal ob politisches oder aus Betroffenheit, Abstand und den Kampf ums bessere Argument aufnehmen. Denn durch die Anstrengung eines triftigen Arguments gerät man nicht nur an eine wirkliche Erkenntnis der Probleme einer Sache. In dieser Anstrengung, die von Interesse am Gegenstand zeugt, wendet man sich immer auch an die Menschheit in allen von uns, weil man sich dazu zwingt, die eigenen Gedanken jedem Menschen zugänglich zu machen.


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