Kinder aus Bremen verbrachten eine Woche im Künstlerdorf
Die Fahnen des selbstgebautes Floßes wehen im Wind, im Hintergrund ist eine Mühle zu sehen. Es ist ein ruhiger Ort, wo Zeit bleibt für die Natur und für die Kunst. Das Gelände erinnert mit den aufgebauten, weißen Zelten ein bisschen an ein Ferienlager, vereinzelt stehen noch Koffer im Gras. Kinder spielen auf dem Gelände, viele von ihnen tragen T-Shirts mit der Aufschrift „Rauskommen Worpswede“. Sie sind die Protagonistinnen eines besonderen Projekts mit dem Titel „RAUSKOMMEN“, das die Künstlerhäuser Worpswede ins Leben gerufen haben. Im Rahmen dieses Projektes haben 13 Kinder aus Bremen Osterholz eine Woche in Worpswede gelebt.
Der Gedanke Vogelers lebt weiter
Anlässlich des 150. Geburtstages des Worpsweder Künstlers Heinrich Vogeler sind unter dem Titel „Heinrich Vogeler- der Neue Mensch“ zahlreiche Veranstaltungen geplant, die auch unterschiedliche Seiten des Künstlers zeigen. So nahm Heinrich Vogeler auf dem Barkenhoff Kinder in Not auf, um sich an Wochenenden in Worpswede zu erholen. Passend dazu haben die Künstlerhäuser Worpswede e.V. das Projekt „RAUSKOMMEN“ ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses Projektes haben 13 Kinder im Alter von 8-12 Jahren aus dem Bremer Stadtteil Osterholz die Möglichkeit bekommen, eine Woche in einem Feriencamp in Worpswede zu leben.
Mit Osterholz habe man sich bewusst für einen Stadtteil mit einem hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund und Arbeitslosigkeit in den Familien entschieden. Das Projekt diene vor allem dazu, den Kindern die Möglichkeit zu geben, Worpswede kennenzulernen und Natur, Kunst sowie Bewegung ganz neu zu erfahren, so Kindertherapeut Hans Jordan, der die Idee für das Projekt entwickelt hat. Für ihn ist es sehr wichtig, dass die Kinder sich ausprobieren können, denn durch die Pandemie seien kindliche Bedürfnisse oft in den Hintergrund geraten. Auf dem Gelände der Künstlerhäuser Worpswede, die seit 1971 fünf Atelierwohnungen im Künstlerdorf Worpswede betreiben und sich heute als Produktionsstätte für zeitgenössische Kunst verstehen, hatten die Kinder nun die Chance selbst kreativ zu werden. Das Schöne, so Jordan, sei vor allem, dass hier Platz sei, die Werke der Kinder auch in einem angemessenen Rahmen auszustellen und zu würdigen.
Ein buntes Programm
Eine Woche lang haben die Kinder hier gelebt und sich ausprobiert. Neben dem Leben direkt in der Natur, stand viel Kunst auf dem Programm. So wurden die Kinder in die Vita von Heinrich Vogeler eingeführt, hatten aber die Chance auch selbst kreativ zu werden. Die Werke sind auf dem Gelände überall zu finden, manche sind aus Holz, andere aus Ton.
Das Highlight sei aber der Floßbau und die Floßfahrt gewesen, so Hans Jordan. Am Freitag durften die Kinder mit dem selbstgebauten Floß direkt aufs Wasser. Bis zu Melchers Hütte seien sie gefahren, erzählt Jordan, der gemeinsam mit drei anderen Erwachsenen und den Kindern auf dem Floß gefahren ist. Darüber hinaus wurde das bunte Programm durch Zirkusübungen, angeleitet von den Zirkuspädagoginnen Merle Freund und Martin Bogus, sowie das Engagement durch die Pädagogin Cornelia Drees, die die Kindergruppe für 3 Stunden mit Eseln, Ziegen und Hühnern besucht hat, ergänzt.
Am Tag des Abschlussfestes einen Tag vor Abreise der Kinder haben die Eltern nun die Möglichkeit das erste Mal zu sehen, was ihre Kinder geschaffen haben. Stolz führen einige Kinder ihre Eltern herum. „Das habe ich gemalt“, sagt ein Mädchen und zeigt ihrer Mutter auch, wo sie geschlafen hat. Das Gelände mit seinen vielen Ecken scheinen die Kinder nun sehr gut zu kennen. Das bestätigt auch Philine Griem, die gemeinsam mit ihrem Mann Bhima Griem die Leitung der Künstlerhäuser im April 2020 übernommen hat. Sie gehören zum Team aus pädagogischen Fachkräften, Sozialarbeiter:innen, Kinder- und Psychotherapierenden, einem Handwerker, drei Müttern und Kunstschaffenden, die die Kinder begleitet haben.
Teilgenommen hat auch der achtjährige Gabriel. Für ihn war es das erste Mal, dass er ohne Eltern übernachtet hat. Doch es scheint ihm gefallen zu haben. Das Highlight sei das T-Shirt-Bedrucken gewesen, erzählt er. Und auch mit den anderen habe er sich gut verstanden. Für seine Mutter Natalia ist es vor allem erstaunlich, dass ihr Sohn sich so kreativ ausprobiert hat. Eigentlich macht er lieber Sport und handwerkliche Sachen, sagt sie. Beide jedenfalls wirken zufrieden mit dem Verlauf des Projektes.
Ein besonderer Ort
Kurz vor Abschluss des Projektes haben die Kinder nun Gelegenheit nach dem Auftritt der beiden Musiker David und Nicolas Jehn selbst noch zu zeigen, was sie akrobatisch gelernt haben. Später soll der Abend mit einem Lagerfeuer ausklingen. Man bekommt an diesem Nachmittag ein bisschen ein Gefühl dafür, was es heißt hier zu leben und versteht, was den Kunstschaffenden an diesem Ort gefallen hat. Für die Kinder aus der Stadt ist der Ort auch eine Möglichkeit gewesen, einen Sternenhimmel mitten in der Natur zu erleben. Tatsächlich hier bleiben wollen sie aber nicht. Sie finden ihren Stadtteil Tenever sehr gut, weil ihre Freunde und Familie dort leben, erzählt Hans Jordan. Das kann man selbst hier auf dem Gelände sehen. Denn an der Wand mit den vielen Kinderzeichnungen steht in großen bunten Buchstaben geschrieben „I love Tenever“.