„In den Gärten umtun“ - Ausstellungen in drei Museen
Den Geschäftsführer des Worpsweder Museumsbunds, Matthias Jäger, berührt die Ausstellung sehr, und sie habe ihn nachdenklich gemacht, gab er bei einem Pressegespräch im Barkenhoff zu. Er habe dabei den Satz des Philosophen Feuerbach im Kopf: „Man ist, was man isst.“ In der Ausstellung geht es auch um den Anbau von Nahrungsmitteln. Sie gehe der Frage nach, wo wir leben und wo wir hin wollen. „Eine sehr spannende und wichtige Ausstellung.“ Eine Brücke werde geschlagen zu Ursula Zierbarth, die ihre ganz eigene Antwort gefunden habe.
Haus im Schluh
Berit Müller vom Haus im Schluh berichtete vom ungewöhnlichen Lebenslauf der Sammlerin, Künstlerin und Fotografin Ursula Zierbarth (1921 – 2018). „Sie hatte eine sinnliche Form im Umgang mit Sprache.“ Liebe und Sprache – das sei für sie dasselbe gewesen. „Sie war eine Frau mit einer großen Leidenschaft: dem Sammeln.“ Über 50 Jahre reiste sie durch alle Kontinente, sodass ihre Sammlung auf 40.000 Exponate anwuchs. „Diese bewahrte sie in ihrer kleinen Wohnung in Schränken, Schatullen und Kästchen auf“, sagte Berit Müller. Im Haus im Schluh könne deswegen auch nur ein kleiner Ausschnitt dieser Sammlung gezeigt werden.
Aus Freundschaft zu der Familie von Martha Vogeler vermachte sie ihre Sammlung dem Haus im Schluh. Diese lagere in acht Kellern in Berlin. „Das ist eine schwierige Aufgabe, die sie uns übergaben hat. Unser großer Wunsch wäre, dass ein Museum die Sammlung übernimmt oder dass ein Wunder geschieht ...“
Leberecht Migge
Beate Arnold, wissenschaftliche Leiterin des Barkenhoffs und Kuratorin der Ausstellung, freute sich, Originalpläne und -zeichnungen des Gartentheoretikers Leberecht Migge (1881 - 1935) ausstellen zu können. Die Entwürfe galten lange Zeit als verloren, bis sie in der Schweiz im Archiv für Landschaftsarchitektur aufgefunden wurden. „Wir sind ganz begeistert, das muss man sagen.“ Dabei handelt es sich um rund 300 Exponate, von denen nun ein Teil ausgestellt ist. Darunter sind Blaupausen wie ein Plan für eine künstliche Beregnung intensiver Gartenkulturen oder eine Behelfsanlage für Bewässerungen. Der Betrachter entdeckt ein Schema für Kleinsiedlungen, Gartenheim für fünf Personen, aber auch Pläne, die mit „Palästinenser-Siedlung“ überschrieben sind. Auch eine Moschee ist darauf zu erkennen. „Zionisten kamen zu ihm und wollten, dass er das Land fruchtbar mache“, erklärte Beate Arnold. Leberecht Migge lebte in Worpswede, wo er in der Nachbarschaft zu Vogelers Barkenhoff-Kommune und Arbeitsschule seinen „Sonnenhof“ aufbaute. Das war praktisch der Prototyp eines Selbstversorgergartens. Dieser ernährte dann auch seine zehnköpfige Familie.
Sonja Alhäuser
Besonders freuten sich Beate Arnold und Jörg van den Berg, der künstlerische Leiter der Großen Kunstschau, dass Sonja Alhäuser nach Worpswede gekommen ist. Für die Künstlerin ist Leberecht Migge hochmodern. So viel Liebe stecke in seinen Plänen. „Dann noch der Schwenk zu dem Umgang mit Lebensmitteln. Wir selbst müssen wissen, wie wir damit umgehen.“ Für Sonja Alhäuser gibt es nichts Schöneres als ein Fest. In ihren Arbeiten erscheinen die sinnliche Lust in all ihren Spielarten, wie das Kochen und Essen, Liebe und Sex, Flora und Fauna und Sterben als Teile eines großen Kreislaufs. Vor der großen Tischplatte mit den feinen Zeichnungen kann der Betrachter diesen Kreislauf erkennen. „Ich möchte mitteilen, wie geht Fest und wie geht Feiern“, so die Künstlerin. Da ist ein erschossenes Reh zu sehen, denn „wenn man Fleisch essen will, gehört es dazu, dass Tiere getötet werden“.
In ihren Bildern kommen immer Tiere und Pflanzen vor, auch Eukalyptus mit starken Symbolen, weil sich Sonja Alhäuser auch viel mit Mythologie beschäftigt. Ebenso bewundernswert sind ihre Skulpturen aus Schokolade oder Margarine, wie in der Großen Kunstschau, wo weitere Exponate entdeckt werden können.
Michael Schmidt
Hier werde die Ausstellung komplettiert durch Michael Schmidt (1945 - 2014), sagte Jörg van den Berg. Er sei einer der bedeutendsten Fotografen gewesen, der eine Serie von Fotografien zur aktuellen, vorwiegend industriellen Lebensmittelproduktion mit „Lebensmittel“ betitelt, „aber ohne Wertung“, wie Jörg van den Berg betonte. „Es geht dabei um Fotografie und Bildkunst, und nicht nur als Dokumentation.“ In der Großen Kunstschau sind denn auch 120 durchnummerierte Fotografien zu sehen. Von einer Wurstscheibe mit Gesicht, Schlangengurken, Kornfeldern über eine Bienenwabe bis hin zu Bohnen und zum toten Schwein und Burgern reichen seine Motive.
Ziel der Ausstellung, die bis zum 8. März besucht werden kann, ist, dass der Besucher in seinem Verhältnis zur Natur irritiert werden soll, um gegebenenfalls differenzierter über deren Nutzung als lebensnotwendige Grundlage zu reflektieren.