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Jörg Monsees

Glasfaserausbau im Landkreis: Erste Hausanschlüsse in Osterholz-Scharmbeck möglich

Osterholz-Scharmbeck. Das Unternehmen Glasfaser Nordwest baut aktuell das Glasfasernetz im Norden der Kreisstadt aus. Was Verbraucher:innen dazu wissen müssen.

Was ist eigentlich Glasfaser?
 
Die Glasfaser ist ein wichtiger Konstruktionswerkstoff in vielen technischen Bereichen. Hergestellt wird sie, indem aus einer Glasschmelze dünne Fäden gezogen werden. Diese gelten als alterungs- und witterungsbeständig, sind nicht brennbar und widerstandsfähig gegen Chemikalien. Für die Datenübertragung ist die Glasfaser vor allem geeignet, weil sich Licht in ihr praktisch ungehindert ausbreiten kann - die Glasfaser ist ein hervorragender Lichtwellenleiter.
 
Glasfaser gegen Kupferkabel
 
Diese optische Form der Datenübertragung hat gegenüber der elektrischen - wie etwa in Kupferkabeln - eine deutlich höhere Bandbreite: In der gleichen Zeit können mehr Informationen übertragen werden. Deshalb können Lichtwellenleiter aus Glasfasern zum Beispiel schnelleres Internet liefern, als die klassischen Kupferkabel. Letztere haben eine Dämpfung, die mit der Länge des Kabels zunimmt und die Bandbreite limitiert. Sie sind außerdem anfällig für elektromagnetische Störungen - das ist bei Glasfaser nicht der Fall. Nachteile gibt es bei der Glasfaser aber natürlich auch: Die dünnen Fasern können mechanischen Belastungen schlechter standhalten, außerdem kann durch ein Glasfaser-Kabel kein Strom übertragen werden. Eine Notstromversorgung muss also auf anderem Wege gewährleistet werden.
 
Telekom und Ewe investieren in Infrastruktur
 
Weil die Glasfasern empfindlicher sind, werden die Kabel im Boden in der Regel in Leerrohren verlegt. Und es liegen tatsächlich schon mehr Glasfaser-Kabel unter der Erde, als man vermuten würde: Die Hauptverteiler im Kommunikationsnetz sind bereits größtenteils durch Glasfaser miteinander verbunden. Auf dem Weg zu den Verbraucher:innen (der sogenannten letzten Meile) sieht es allerdings anders aus. Hier wird - vor allem im ländlichen Raum - oft noch auf Kupferkabel zurückgegriffen. Dazu wird das Signal in ein elektrisches umgewandelt und unterliegt damit wieder den entsprechenden Beschränkungen. Die letzte Meile wird deshalb auch als Flaschenhals in der internationalen Kommunikation bezeichnet.
Glasfaser Nordwest macht sich aktuell daran, das zu ändern. Das Gemeinschaftsunternehmen von Telekom und EWE wurde gegründet, um das Glasfasernetz im nordwestlichen Niedersachsen, Bremen und Teilen von Nordrhein-Westfalen auszubauen. Das Unternehmen will rund zwei Milliarden Euro in die Infrastruktur investieren und 1,5 Millionen Haushalte mit Glasfaser versorgen.
 
Ausbau im Landkreis
 
Aktuell passiert das im nördlichen Teil von Osterholz-Scharmbeck. Hier bekommen 3800 Haushalte und Betriebsstandorte die Möglichkeit, auf Glasfaser umzusteigen. Zunächst wird das öffentliche Verteilernetz modernisiert und die Kabel enden vor den Grundstücken. Die Bauarbeiten laufen seit dem Sommer und sollen im Laufe des nächstens Jahres abgeschlossen werden. In Lilienthal und Schwanewede befinden sich die Ausbauprojekte derzeit in der Planungsphase, die Bauarbeiten sollen 2022 beginnen.
 
Wie kommt die Glasfaser ins Haus?
 
Der letzte Schritt des Ausbaus betrifft den sogenannten FTTH-Anschluss. Die Abkürzung steht für „fiber-to-the-home“, zu Deutsch Hausanschluss. Zunächst wird bei einem Beratungstermin im Haus oder der Wohnung besprochen, wo die Glasfaser am Ende im Gebäude ankommen soll. Um die Ausführung kümmert sich eine Tiefbaufirma - was allerdings nicht heißen muss, dass der Vorgarten aufgerissen wird. In den meisten Fällen kann das Leerrohr, das von der Straße ins Gebäude führt, in einem geschlossenen Bauverfahren verlegt werden. Meistens werden nur zwei kleine Löcher benötigt - eins an der Straße, eins an der Außenwand des Gebäudes. Ist eine gerade Bohrung möglich, kommt die sogenannte Erdrakete zum Einsatz. Muss die Leitung etwa den Wurzeln eines Baums ausweichen, kann ein Spühlbohrer, der um eine Kurve bohren kann, benutzt werden. Nur wenn besonders viele Hindernisse in engen Abständen vorhanden sind, muss ein offener Schacht gegraben werden. Das Leerrohr wird dann ober- oder unterirdisch durch die Wand in Haus geführt, entweder ins Erdgeschoss oder den Keller. Die Verbindung zum Router erfolgt über die Glasfaserteilnehmerabschlussdose, die im Haus installiert wird. Die alten Kupferleitungen bleiben unberührt bestehen.
 
Was kostet der Anschluss?
 
Glasfaser Nordwest ist ein reiner Infrastrukturanbieter - das Unternehmen baut das Netz aus, muss es aber anderen Anbietern ebenso zur Verfügung stellen, wie der Telekom oder EWE. Der Anschluss ist also nicht automatisch mit einem Vertrag bei einem der beiden Anbieter verbunden.
Dennoch hoffen die beiden Unternehmen natürlich, durch ihre Investitionen neue Kund:innen gewinnen zu können. Aktuell läuft die Vermarktungsphase für den Glasfaserausbau in der Kreisstadt. Sowohl die Telekom als auch EWE bieten als Vermarktungspartner von Glasfaser Nordwest Interessierten, die jetzt einen neuen Internet-Vertrag abschließen möchten, den Hausanschluss kostenlos an. Normalerweise liegt der Preis für Privatkund:innen bei rund 800 Euro. In reinen Gewerbegebieten kann es teurer werden: EWE gibt die Preise hier zwischen 600 und 1.900 Euro an.
 
Osterholzer Stadtwerke als Anbieter
 
Einen kostenlosen Hausanschluss bieten auch die Osterholzer Stadtwerke an. Der regionale Energieversorger möchte am Glasfaser-Markt mitmischen und hat drei verschiedene Produkte für Privatkund:innen entwickelt, die ab sofort erhältlich sind. Die Stadtwerke bieten neben schnellem Internet auch Telefon und Digitalfernsehen über das Glasfasernetz an - das Premium-Paket enthält alle drei. Wer wahlweise auf Telefon oder Fernsehen verzichten möchte, findet ebenfalls einen passenden Tarif.
Die Idee, in diesen neuen Markt einzusteigen, sei nicht zuletzt wegen der Pandemie entstanden. Auch die Stadtwerke haben seit Beginn der Corona-Krise an vielen Stellen auf das Homeoffice gesetzt. „Wir wollten unser Produkt möglichst einfach gestalten und maximale Transparenz haben“, erklärt Stadtwerke-Prokurist Jörn Leiding zur Philosophie hinter dem neuen Angebot. Deshalb gibt es für alle drei Tarife die selbe Geschwindigkeit: 500 Mbit/s im Download, 100 Mbit/s im Upload. Der Hausanschluss ist inklusive und die Stadtwerke sorgen dafür, dass nach der Installation nichts mehr von der Baustelle zu sehen ist. Auch von Lockangeboten, die nach einem halben Jahr plötzlich doppelt so teuer werden, hält der regionale Energieversorger nichts. „Bei uns gibt es einen Preis und der gilt von Anfang an“, so Jörn Leiding. Man biete als Ansprechpartner vor Ort schließlich einen besonderen Service und könne deshalb auch ohne besondere Einstiegspreise selbstbewusst an den Markt gehen.
Detailliert über ihr Angebot informieren werden die Stadtwerke bei einer Info-Veranstaltung am Donnerstag, 14. Oktober um 18 Uhr auf dem Betriebsgelände am Pumpelberg. Wer vorab schon prüfen möchte, ob ein Glasfaseranschluss an der eigenen Adresse verfügbar wäre, kann unter www.osterholzer-stadtwerke.de/glasfaser tun. Auch Glasfaser Nordwest, EWE und Telekom bieten eine solche Überprüfung auf ihren Homepages an.
 
Rechtsstreit soll Ausbau nicht behindern
 
Die Wettbewerber von Glasfaser Nordwest - vor allem Vodafone - stehen dem Zusammenschluss von Telekom und EWE kritisch gegenüber. Die Fusion benötigte die Zustimmung des Bundeskartellamts, da beide Unternehmen zusammen über eine große Marktmacht verfügen. Die Behörde zögerte zunächst, stimmte der Gründung von Glasfaser Nordwest im Dezember 2019 dann jedoch zu. Mit einer Beschwerde gegen diese Entscheidung hatten Vodafone und Deutsche Glasfaser jetzt Erfolg: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Freigabe des Kartellamts aufgehoben, die Begründung der Entscheidung sei „nicht tragfähig“, so das Gericht.
Auf die laufenden Ausbauprojekte von Glasfaser Nordwest habe dieser Beschluss keine Auswirkungen, gab das Unternehmen kürzlich bekannt. „Beklagte in diesem Verfahren ist das Bundeskartellamt“, erklärt Pressesprecher Tim Bunjes. Sowohl die Behörde als auch die beiden Unternehmen hätten nun die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen den Beschluss einzulegen und prüften dies. Sollten sie damit keinen Erfolg haben, muss das Bundeskartellamt die Gründung von Glasfaser Nordwest innerhalb von fünf Monaten neu bewerten. In diesem Fall könnte es neue Auflagen für das Unternehmen geben. Bisher waren die Bedingungen, dass Glasfaser Nordwest Investitionen übernimmt und Wettbewerber in sein Netz lässt. Das Kartellamt könnte seine Freigabe auch zurückziehen.
Das Gemeinschaftsunternehmen gibt sich zuversichtlich: „Glasfaser Nordwest und EWE sowie die Telekom stehen weiterhin vollumfänglich zu den Ausbauzusagen und zur freien Anbieterauswahl“, sagt ein Sprecher von EWE. Vodafone und weitere Konkurrenten beklagen, der Zusammenschluss von EWE und Telekom bremse den Glasfaserausbau im Nordwesten aus, statt ihn zu beschleunigen. Andere Unternehmen, die eigentlich auch ins Netz investieren sollten, würden durch die Wettbewerbseinschränkungen abgeschreckt. Die aktuellen Auflagen des Kartellamts reichten nicht aus, um dies auszugleichen.


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