Luisa Mersmann

Gefangen in der Hausfrauenehe?

Ehegattensplitting - alle haben dieses Wort schon einmal gehört, doch was genau bedeutet es? Ein kurzer Exkurs in die Welt der Steuern.
Steuerliche Vorteile oder veraltete Ansichten? Das Ehegattensplitting spaltet die Gemüter.

Steuerliche Vorteile oder veraltete Ansichten? Das Ehegattensplitting spaltet die Gemüter.

Bild: Adobe Stock

Das deutsche Steuersystem ist nicht gerade leicht zu verstehen, wenn man sich noch nie mit diesem Thema beschäftigt hat. Verschiedene Steuerklassen, verheiratet oder nicht oder das Ehegattensplitting - das System ist komplex.

 

Die Hausfrauenehe

Um zu verstehen, was es mit dem System und genauer mit dem Ehegattensplitting auf sich hat, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit.

In der Geschichte Deutschlands taucht das sogenannte Ehegattensplitting im weitesten Sinne erstmals im 19. Jahrhundert auf, doch nicht unter diesem Begriff. Damals wurden Steuern erhoben, die das gesamte Einkommen eines Haushaltes zusammenfassten. Das System beruhte auf der Annahme, dass zusammenlebende Personen eine größere wirtschaftliche Leistung vollbringen können. So wurden Ehepaare stärker besteuert als Alleinlebende.

Zwar sollte in den 1920er Jahren die Zusammenveranlagung von Eheleuten aufgehoben werden, doch mit Beginn des Nationalsozialismus wurden die ersten Bestrebungen aufgehoben. Die nationalsozialistische Ideologie beinhaltete, dass Frauen nicht arbeiten sollen, sondern sich Zuhause im Kinder und Haushalt kümmern.

Die Bundesrepublik hat dieses Modell später weitestgehend übernommen. Doch das Bundesverfassungsgericht entschied 1957, dass die Zusammenveranlagung gegen den Schutz der Ehe verstoße. Ehemänner sollten keine Nachteile durch eine Heirat erhalten.

Im Jahr 1958 kam dann erneut ein Steueränderungsgesetz - das Ehegattensplitting. Damit sollte die steuerliche Benachteiligung der „Hausfrauenehe“ abgeschafft werden. Begründet wird das Splitting damit, dass Einverdiener-Ehen nicht gegenüber zwei Einkommen benachteiligt und die Ehe als Erwerbsgemeinschaft geschützt werden soll.

Heutzutage wird das Modell damit gerechtfertigt, dass verheiratete Paare Steuern sparen können.

 

Förderung ungleicher Gehälter

Beim Ehegattensplitting wird, einfach ausgedrückt, so getan, als ob beide Partner gleich viel verdienen. Das ist meistens jedoch nicht der Fall. Frauen erhalten im Schnitt 13 Prozent weniger Gehalt als Männer. Das gemeinsame Einkommen wird rechnerisch halbiert, dann die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und die Steuerschuld verdoppelt. So muss der Partner, der eigentlich ein höheres Einkommen hat, weniger Steuern zahlen.

Besonders Paare, bei denen der eine Partner deutlich mehr verdient, profitieren davon, da er nicht vom Spitzensteuersatz erfasst wird. So wird Geld gespart. Umso weniger der zweite Partner verdient, desto größer ist der steuerliche Vorteil. Das Splittung fördert also Paare, die ungleich hoch verdienen.

Gut zu wissen: Es hat keinen Einfluss darauf, für welche Steuerklassenkombination sich das Paar entscheidet, ob das Ehegattensplitting wirksam wird. Es kommt immer zum Tragen, sobald das Paar gemeinsam veranlagt wird. Das geht solange, bis das Paar dem widerspricht.

 

Veraltetes Modell

Kritiker des Modells sprechen sich für eine Abschaffung des Ehegattensplittings aus. Ihr Hauptkritikpunkt ist, dass das Splitting ein Anreiz für Frauen sei, wenig bis gar nicht zu arbeiten, wenn ihr Partner gut verdient. Denn es sind meistens die Männer, die in besser bezahlten Jobs arbeiten.

Laut dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) könne eine Abschaffung für fairere Verhältnisse zwischen den Geschlechtern auf dem Arbeitsmarkt sorgen.

Für Gleichberechtigungsaktivisten ist das Modell eine Teilzeitfalle für all die Frauen, die aufgrund des Ehegattensplittings nur wenig arbeiten.

Auch Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) fordert eine Abschaffung. Der Bild gegenüber gab sie an, dass das Ehegattensplitting veraltet sei und nur die klassische Ehe davon steuerlich begünstigt würde. Und für viele geschiedene Frauen droht aufgrund des zum Teilzeitarbeiten anstiftenden Ehegattensplittung Altersarmut. Wegen solcher negativen Nebenwirkungen des Steuermodells wurde Deutschland nicht nur von der OECD und der EU-Kommission gerügt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) zählt ebenfalls zu den Befürwortern der Abschaffung. Laut IWF sei das Splitting einer der Gründe, warum in Deutschland 2,3 Millionen weniger Frauen als Männer arbeiten.

Laut einer Simulation des RWI könne eine Abschaffung des Splittings auch volkswirtschaftlich positive Folgen haben. So könne das Bruttoinlandsprodukt durch eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen um bis zu 1,5 Prozent steigen. Zusätzlich geht das RWI davon aus, dass auch dem Fachkräftemangel mit einer Abschaffung geholfen werde. Durch Wegfall könnten mehr als eine halbe Million zusätzliche Vollzeitkräfte auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, wenn das Steueraufkommen gleich bleibe.

 

Ein erster Schritt Richtung mehr Gleichberechtigung?

Früher hieß es oft, dass mehr Männer arbeitslos werden würden, wenn durch das Wegfallen des Ehegattensplittings mehr Frauen arbeiten würden.

Ein häufiges Argument für die Beibehaltung war und ist es auch heute noch, dass es den Familien helfe, da sich ein Elternteil (meistens die Frau) um die Kindern kümmern kann. Doch das Argument hinkt, da das Ehegattensplitting auch bei Ehepaaren ohne Kinder einsetzt.

Heutzutage ist eines der Hauptargumente, dass die Steuerlast von vielen Eheleuten erst einmal erhöht werden würde. Der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg argumentiert, dass es bei einem progressiven Steuertarif passieren könnte, dass ein nicht verheiratetes Paar niedrigere Steuern zahlt als ein Ehepaar, bei dem eine Person alleine das Geld verdient. Um das Splitting abzuschaffen brauche man laut Homburg eine höhere Steuerreform.

 

Ein erster Schritt?

Mit der Abstimmung zum Bundeshaushalt 2025 hat die Bundesregierung entschieden, eine Steuerklassenreform auf den Weg zu bringen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will, dass die Steuerklassen 3 und 5 abgeschafft werden. Verheiratete Paare sollen dann beide in Steuerklasse 4 gehen. Damit soll die Lohnsteuerbelastung gerechter aufgeteilt werden, wie es im Gesetzentwurf der Regierung heißt. Mit der Reform sollen auch beide Partner gleichgestellter sein.

Bundesfamilienministerin Paus begrüßt die Abschaffung der Steuerklassen 3 und 5. Es ebne den Weg zur Abschaffung des Ehegattensplittings. „Der Abschied vom veralteten Instrument des Ehegattensplittings ist überfällig“, sagt sie im Interview mit der Bild. Doch die FDP ließ deutlich werden, dass das Splittingverfahren bleiben wird.

Da die FDP aber nicht darüber entscheidet, ob sie nach der Bundestagswahl an der Regierung beteiligt sein wird, könnte mit der Abschaffung der Steuerklassen 3 und 5 schließlich doch der erste Schritt Richtung mehr (steuerlicher) Gleichberechtigung und weniger Altersarmut von geschiedenen Frauen gegangen worden sein.

 


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