„Für meine Enkelkinder...“ - ISS Kommandant Alexander Gerst über unseren Planeten
„Liebe Enkelkinder, Ihr seid noch nicht auf der Welt und ich weiß nicht, ob ich Euch jemals treffen werde. Deswegen habe ich beschlossen, Euch diese Nachricht hier aufzuzeichnen. Ich bin nämlich gerade auf der Internationalen Raumstation im Cupola Aussichtsmodul und schau auf Euren wunderschönen Planeten runter. Obwohl ich bis jetzt schon fast ein Jahr im All verbracht habe und an jedem einzelnen Tag heruntergeschaut habe, kann ich mich einfach nicht daran sattsehen.
Ich weiß, es hört sich für Euch vermutlich komisch an, aber zu der Zeit, als die ISS gebaut wurde und hier oben im Orbit war, konnte noch nicht jeder Mensch in den Weltraum reisen und die Erde von Außen sehen. Vor mir waren es gerade Mal um die 500 Menschen und im Moment leben da unten 7 Milliarden Menschen auf diesem Planeten und nur 3 einzelne davon leben im Weltraum. Wenn ich so auf den Planeten herunterschaue, dann denke ich, dass ich mich bei Euch wohl leider entschuldigen muss. Im Moment sieht es so aus, als ob wir, meine Generation, Euch den Planeten nicht gerade im besten Zustand hinterlassen werden.
Im Nachhinein sagen natürlich immer viele Leute, sie hätten davon nichts gewusst, aber in Wirklichkeit ist uns Menschen schon sehr klar, dass wir im Moment den Planeten mit Kohlendioxid verpesten, dass wir das Klima zum Kippen bringen, dass wir Wälder roden, dass wir die Meere mit Müll verschmutzen, dass wir die limitierten Ressourcen viel zu schnell verbrauchen. Und dass wir zum Großteil sinnlose Kriege führen. Jeder von uns muss sich da natürlich an die eigene Nase fassen und sich überlegen, wohin das gerade führt. Ich hoffe sehr für Euch, dass wir noch die Kurve kriegen, paar Dinge verbessern können und würde mir wünschen, dass wir nicht bei Euch als die Generation in Erinnerung bleiben, die Eure Lebensgrundlage egoistisch und rücksichtslos zerstört hat. Ich bin mir sicher, dass ihr die Dinge inzwischen sehr viel besser versteht als meine Generation, nun wer weiß, vielleicht lernen wir ja auch noch etwas dazu. Dass im Blick von Außen, immerhin, dass dieses zerbrechliche Raumschiff Erde sehr viel kleiner ist, als die allermeisten Menschen es sich vorstellen können. Wie zerbrechlich seine Biosphäre ist und wie limitiert seine Ressourcen.
Dass es sich lohnt, mit seinen Nachbarn auszukommen. Dass Träume wertvoller sind, als Geld, und dass man ihnen eine Chance geben muss. Dass Jungen und Mädchen Dinge genauso gut können. Aber dass doch jeder von Euch eine Sache hat, die er besser kann als alle anderen. Dass die einfachen Erklärungen, oft die falschen sind. Und dass die eigene Sichtweise eigentlich immer unvollständig ist. Dass die Zukunft wichtiger ist als die Vergangenheit. Und dass man niemals ganz erwachsen werden soll. Dass Gelegenheiten immer nur einmal kommen. Und dass man für Dinge, die es wert sind, auch mal ein Risiko eingehen muss. Und dass ein Tag, an dem man etwas Neues entdeckt hat, über seinen Horizont hinaus geschaut hat, ein guter Tag ist.
Ich wünschte mir, ich könnte durch Eure Augen in die Zukunft schauen - in Eure Welt und wie ihr sie seht. Das geht leider nicht. Und deswegen ist das Einzige, was mir bleibt, zu versuchen, Eure Zukunft möglich zu machen, und zwar die Beste, die ich mir vorstellen kann.“ Alexander Gerst, Internationale Raumstation, Kommandant der Expedition 57, 25.11.2018, 400 km über der Erdoberfläche.
Quelle: Youtube/20.12.2018