Eine Nacht in Hogwarts
Dunkel stehen die scharfen Umrisse des Internats vor dem mondfahlen Himmel, als der klagende Ruf einer Eule die einsame Stille in der Mensing Street durchdringt. War dahinten nicht eine Bewegung auf dem spärlich beleuchteten Flur zu sehen? Plötzlich öffnet sich die Tür, Interims-Zauberlehrer Jörn Eiben begrüßt mit einem geraunten „Willkommen auf Hogwarts“ den späten, neugierigen Gast und gewährt ihm freundlich Eintritt in eine fremde und doch irgendwoher bekannte Welt: die erste Harry-Potter-Nacht an der IGS OHZ. Die Idee dazu kam ihm zusammen mit Dominique Panzer, Jahrgangsleiterin der neunten Klassen. Beide sind laut eigenem Bekunden eingefleischte Harry Potter-Fans.
Nach einer entsprechenden Lektüre im IGS-Reading-Club wurde die Idee nun durch 21 von insgesamt 123 Jugendlichen effektvoll umgesetzt. Panzer sagte: „Schüler:innen, Eltern und Schulleitung waren sofort begeistert und es wurde ja auch Zeit, dass nach den sozialen Corona-Entbehrungen endlich einmal wieder eine größere gemeinschaftliche Aktion stattfindet.“
Hagrids Eintopf zum Abendessen
Der weltweite kommerzielle Harry-Potter-Hype muss angesichts der über 500 Millionen-mal verkauften und in 80 Sprachen übersetzten sowie überaus erfolgreich verfilmten acht Bücher der inzwischen wegen einiger obskurer Statements etwas umstrittenen Autorin Joanne Rowling wohl kaum weiter beschrieben werden, aber es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass ihre Werke als Kriminal-, Entwicklungs- und Bildungsromane eingestuft werden.
Doch zurück in die magische Parallelwelt, die normalerweise den Muggels, also allen Wesen ohne Zauberkräfte, verborgen bleibt. Nach dem Eintreffen der überwiegend stilecht verkleideten und hochmotivierten Hogwarts-Schüler:innen gab es um 19 Uhr ein typisches Internats-Abendessen in der Großen Halle - natürlich mit Hagrid‘s Eintopf, Bertie Botts Bohnen, Hexenhüten aus Blätterteig, Hufflepuff-Pudding sowie einem großen Brot in Form der grauslichen Aragog-Spinne.
Somit für die lange Nacht gestärkt, begaben sich die meisten Zauberlehrlinge in die umfunktionierten und passend dekorierten Klassenräume, um dort bei einem magischen Quiz mitzumachen, Zauberkunststücke vorzuführen bzw. zu erleben oder beim Film-Marathon dabeizusein. Eiben später dazu: „So wie ich sind viele während des 2. Films eingeduselt, aber einige Teilnehmer:innen haben es doch tatsächlich geschafft, bis zum nächsten Morgen um 5.30 Uhr den englischsprachigen Streifen mit englischen Untertiteln ihre Aufmerksamkeit zu schenken.“
Parallel zu den Veranstaltungen waren auch immer wieder phantasievoll verkleidete Schüler:innen auf dem Flur zu sehen, zuweilen huschten auch seltsame Fabelwesen durch die Gänge. Tim D. in seiner langen schwarzen Robe betonte die weit über jeglichen Kommerz hinausgehende Botschaft der Romane: „Ich bin Ravenclaw-Schüler und habe dieses Haus unter den insgesamt vieren ausgewählt, da dort Einfallsreichtum, Intelligenz und Kreativität im Vordergrund stehen.“ Anna K., Paula G. und Maria W. hingegen gehören etwas pragmatischer wie Harry Potter selbst dem Gryffindor-Haus an, in dessen Wappen der Löwe für Mut, Tapferkeit und Entschlossenheit steht. „Wir finden es prima, uns in handelnde Charaktere hineindenken zu können und dabei für das Gute einzustehen, nicht nur in der Phantasie.“ Sozialwissenschaftler:innen erkennen in diesem Hineinversetzen übrigens die Förderung eines vorurteilsfreien und vorbehaltlosen Auftretens gegenüber gesellschaftlichen Außenseitern und Minderheiten.
Für immer in Hogwarts leben?
Zur Frage, ob sie denn für immer in einer solchen Traumwelt leben möchten, kam von den Lehrkräften ein überraschend schnelles und mit einem allgemeinen Lächeln quittiertes „Ja, sofort“, während sich die vier Kids nur zögerlich zu einem „Jein, eher nicht“ durchringen konnten. Unsere Welt, wohl leider Lichtjahre davon entfernt, perfekt zu sein, ist offensichtlich für den Nachwuchs keineswegs verloren sowie attraktiv und interessant.
Nach dem Wecken im Schlafsaal gab es beim abschließenden Frühstück um 6 Uhr neben den Resten des zauberhaft- exotischen Abendbuffets noch warmes Drachenblut, Pixie Puffs und Mäusebutter und Slytherin-Schlangen, dazu allerdings auch ganz irdische Marmelade - wohl ein dezenter Hinweis darauf, dass nun der Abschied von einer spannenden und faszinierenden Parallelwelt bevorstand. Um 7 Uhr waren dann sämtliche Spuren beseitigt und der ganze Spuk vorbei. Hausmeister Andreas H. war zufrieden und fand wie alle Beteiligten die Aktion trotz erforderlicher Nachtschicht sehr gelungen. Die Kurzzeit-Hogwarts-Schüler:innen wurden dann von ihren Eltern abgeholt und hatten schulfrei, mit dem Erscheinen aller anderen Schüler:innen legte sich dann langsam wieder der Mantel des normalen Alltags über das unsichtbare Reich des Harry Potter. Aber war da nicht gerade eine seltsame Bewegung oben am Fenster ...