Patrick Viol

Ein dionysisches Gesamtkunstwerk

Im Bremer Schlachthof findet von Freitag, 6. September, bis Samstag, 7. September“ das Hellseatic Festival statt, das mit seinem ausgewählten Line-Up selbst jahrelangen Fans harter Musik eine neue Hörerfahrung verschafft.

Das Hellseatic startete 2021 als Open Air Festival. Nun findet es erstmals wetterunabhängig im Bremer Schlachthof statt.

Das Hellseatic startete 2021 als Open Air Festival. Nun findet es erstmals wetterunabhängig im Bremer Schlachthof statt.

Bild: Hellseatic

Bremen. Kenner der Metalszene, ihrer Streitigkeiten und der Entwicklungen im Bereich harter und düsterer Musik werden bei einem Blick auf das Line-Up des Hellseatic Festivals schnell erkennen, dass es den Organisatoren nicht nur darum geht, den Besuchern ein breites Spektrum der „Heavy Music“ zu bieten. Obwohl hier von Doom, Black-, Post- und Avantgardemetal über Hardcore, Grind, Punk bis hin zu Postrock und experimentellen elektronischen Formaten unterschiedlichste Genres vertreten sind, stehen die eingeladenen Bands in keinem bloß additiven Verhältnis zueinander. Ähnlich der Arbeit eines DJs, der deshalb seine Zuhörer mitzureißen vermag, weil er den musikalischen Gehalt und die ästhetische Haltung der Songs versteht, die er spielt, so hat das Hellseatic Team mit seinem Line-Up ein dionysisches Gesamtkunstwerk geschaffen. Das heißt aber nicht, dass hier alles gleich klingt, ganz im Gegenteil. Wie in jedem guten Kunstwerk, so treffen beim Hellseatic Gegensätze aufeinander: Dynamik und schnelles Geballer auf einstürzende Langsamkeit, preschende Wut auf Melancholie, Metal auf Elektronik. Aber auf eine Art und Weise, dass derjenige, der vornehmlich Black Metal hört, und sich z.B. wegen „Ultha“ und „Agriculture“ eine Karte gekauft hat, sowohl an den Punkbands „The Pill“ oder „24/7 Diva Heaven“ als auch an dem experimentellen Elektronik-Projekt „Ill Rakete und die Weidenmeisen“ Gefallen finden wird. Was manche Galeristin über ihre Ausstellung verschiedener Künstler sagen würde, das gilt auch für die Bands des Hellseatic: ihre Werke kommunizieren miteinander. In der Musik der verschiedenen Bands bezieht sich etwas aufeinander: schwere Abgründigkeit, emotionale Gebrochenheit und dunkle, atmosphärische Härte, die nicht einfach zuschlägt, sondern einen vielmehr in einen Rausch stürzen lässt, der sowohl sanft als auch wild sein kann. „Im Kern verbindet alle Künstler:innen, die wir buchen eine der Musik, den Texten oder beidem innewohnende Haltung und Ästhetik“, wie es Andrea Rösler vom Orgateam beschreibt. Das verspricht Hörerfahrung statt Metalkitsch. Wer wegen Bekanntem kommt, wird mit Neuem gehen, das den Mund hat offenstehen lassen.

 

Standort für harte Musik

Dabei setzt das Hellseatic-Team - wie es einfach wäre und wozu der Fetischcharakter von Musik einlädt - nicht einfach auf bekannte Größen. Vielmehr soll das lokale Potenzial durch die Verknüpfung mit großen Bands entfaltet werden. „Unser Booking bringt talentierte, unbekannte und ambitionierte Künstler:innen mit international etablierten Acts aus dem Bereich der „Heavy Music“ zusammen“, erklärt Rösler das Konzept des Festivals. Die genannten „Agriculture“ z.B. kommen aus LA, die - wenig live spielende - Postrockband „EF“ aus Schweden und die zupackende Aggressivität mitreißende Schönheit verleihenden „Predatory Void“ aus Belgien. Die über die Musik hinausgehende Idee ist: „Bremen mit dem Hellseatic auf die Weltkarte der interessanten Konzertstandorte für harte Musik zu bewegen“, so Rösler. Auf rechte und „Grauzonen-Bands“ wird dabei verzichtet.

 

Zögerliches Ticketkaufverhalten

Organisatorisch gestemmt wird das Festival von sieben Leuten, ehrenamtlich. Alle stammen aus unterschiedlichen Bereichen und Berufen, sind aber allesamt seit Jahren in der Bremer Subkultur unterwegs. Beim Festival packen dann noch einmal 40 Leute mit an, auch ehrenamtlich. Anders gehe es nicht. Rösler erzählt, dass das Ticket-Kaufverhalten der Menschen insbesondere bei kleineren Festivals seit der Pandemie immer noch recht verhalten sei. Das sei nachvollziehbar, weil alle weniger Geld haben. Gleichzeitig sei die Organisation eines Festivals viel teurer geworden. Von der Stadt Bremen oder dem Bundesfestivalfonds gab es dafür leider kein Geld. Von daher hofft das Team, dass der Ticketverkauf noch einmal anzieht. Glücklich sei das Team umso mehr über ihre Kooperationspartner: über Cambio und die ÖVB, den Schlachthof, wo das Festival wetterunabhängig stattfinden wird, und „die vielen Techniker:innen und Helfer:innen, welche unbezahlt essenzielle Arbeit tun, uns mit Mietpreisen entgegenkommen oder sogar ganz auf Honorare oder Leihgebühren verzichten.“

 

Das Festival findet von Freitag, 6. September, bis Samstag, 7. September, statt. Karten gibt es direkt beim Veranstalter auf www.hellseatic.de. Die Bands spielen in den Konzertsäalen des Schlachthofs. Das Festivalgelände erstreckt sich auch auf den Platz vor dem Schlachthof. Nach den letzten Bands am Freitag und Samstag findet bis vier Uhr morgens die Aftershowparty mit Jan Schwarzkamp vom Visions Magazins statt.


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