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Ein Automat für Chancengleichheit

Lilienthal. Vier Schülerinnen sorgen am Gymnasium Lilienthal für einen Spender mit kostenlosen Tampons.

 

Eileen Brinkwirth, Victoria Denell Omann, Jette Nieke Overzet und Nele Hackmann haben den Tamponspender von der Firma periodically organisiert.

Eileen Brinkwirth, Victoria Denell Omann, Jette Nieke Overzet und Nele Hackmann haben den Tamponspender von der Firma periodically organisiert.

Anfang 2020 wird die sogenannte Tamponsteuer in Deutschland abgeschafft - und damit der Steuersatz auf Periodenprodukte von 19 auf 7 Prozent gesenkt. In Ländern wie Schottland ist man weiter: Dort ist seit 2022 der öffentliche und kostenlose Zugang zu Menstruationsprodukten gesetzlich geregelt. Eine Idee, der sich mittlerweile auch in Deutschland immer mehr öffentliche Einrichtungen, Schulen und Universitäten anschließen.

Von dieser positiven Entwicklung inspiriert, haben sich vier Mädchen des Lilienthaler Gymnasiums für kostenlose Hygieneartikel in ihrem Oberstufentrakt stark gemacht. Die Schülerinnen besuchen alle den Politikleistungskurs und beschäftigen sich dort immer wieder mit aktuellen gesellschaftlichen Themen - so auch während eines Seminarfachprojekts. „Es ging darum, ein soziales Projekt für die gesamte Schulgemeinschaft zu entwickeln“, berichtet Jette Nieke Overzet. Für die junge Frau und ihre Freundinnen Nele Hackmann, Victoria Denell Omann und Eileen Brinkwirth war schnell klar, dass es etwas mit Mehrwert sein soll.

 

Landkreis finanziert mit

 

Bei ihren Überlegungen im Sommer des vergangenen Jahres treffen sie dabei schnell auf die Firma periodically, die Periodenproduktspender herstellt und verkauft. Ihr Vorschlag, einen solchen Spender zu organisieren, findet im Unterricht große Zustimmung, sodass schnell Kontakt zur Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises Katja Lipka aufgenommen wird. Lipka zeigt sich ebenfalls begeistert vom Engagement der jungen Schülerinnen und bietet deshalb an, die anfallenden Kosten für das erste Jahr zu bezahlen. So liegt es nun an Jette, Nele, Victoria und Eileen, auch ihren Schulleiter zu überzeugen.

 

Enttabuisierung und Chancengleichheit

 

Als auch das geschafft ist, kommt es schließlich zum gemeinsamen Austausch mit Svea Hammerström vom Schulverein des Gymnasiums - sie und die anderen Mitglieder schließen sich der Idee bereitwillig an und übernehmen gerne die Kosten für die Erstanschaffung eines Automaten. Der bestellte Automat erreicht dann Anfang Januar die Schule und wird mit tatkräftiger Unterstützung des Hausmeisters Herrn Reichel auf dem Damen-WC im Oberstufengebäude installiert. „Schon jetzt können wir sagen, dass der Automat sehr gut angenommen wird“, fasst Nele Hackmann zusammen, weshalb bereits eine Nachfolge aus dem zwölften Jahrgang organisiert werde, die sich in Zukunft um die Befüllung des Automaten kümmert.

Der Automat funktioniert in Form eines Abonnements, durch welches die Schule alle drei Monate eine neue Lieferung an Tampons und Binden erhält. Diese können dann bei Bedarf nachgefüllt werden. „Die Aktion basiert natürlich auf Vertrauen - wenn das Projekt ausgenutzt wird, hat am Ende keiner etwas davon“, erklärt Eileen. Auch ihr Politiklehrer Manuel Kaufmann, der das Vorhaben seiner Schülerinnen von Beginn an unterstützt, findet es großartig, dass die Vier die Idee ins Leben gerufen und ganz allein durchgezogen haben. „Ich wünsche mir, dass auch Schülerinnen aus den kommenden Jahrgängen die Aktion weiterführen“, so Kaufmann.

Insgesamt sei die Reaktion auf die kostenlosen Hygieneartikel fast ausschließlich positiv, resümieren Jette und ihre Mitschülerinnen. Viele ihrer Klassenkameradinnen hätten sich bedankt und bedauert, dass ein so wichtiges Projekt nicht früher ins Leben gerufen wurde. „Leider ist es noch immer so, dass Themen wie Menstruation mit viel Scham behaftet sind und in der Gesellschaft nicht viel darüber gesprochen wird - deshalb soll der Automat vor allem der Enttabuisierung dienen“, erklärt Eileen.

Aber nicht nur das - auch Chancengleichheit ist ein wichtiger Punkt, dem die jungen Frauen mehr Sichtbarkeit verleihen wollen. „Uns ist wichtig, dass sich alle Mädchen hier in ihrem Lernumfeld sicher fühlen – ohne die Angst davor, während des Unterrichts durch die Periode beeinträchtig zu werden“, sagt Jette. In der gesamten Debatte um die Gleichberechtigung gehe es sowieso niemals darum, irgendein Geschlecht über das andere zu stellen, finden auch die anderen drei. Vielmehr stünde im Vordergrund, mit den typischen Rollenklischees zu brechen und alle Menschen gleich zu behandeln - Diskriminierung jeglicher Art habe keinen Platz in unserer Gesellschaft.

 

Feminismus ist für jeden

 

Mit ihrer Aktion schaffen es die Mädchen nicht nur, dass über solche Themen mehr gesprochen wird - sie selbst werden zu Vorbildern. „Wir wollen den Minderheiten eine Stimme geben und Vergangenes besser machen, für Aufklärung sorgen“, so Nele. Bis heute würden Unterschiede gemacht - aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, Religion und Geschlecht. Schon bei der ungleichen Bezahlung von Mann und Frau fange die Diskriminierung an.

Auch während ihrer Vorbereitungen trafen die Abiturientinnen immer wieder auf Skeptiker, die versuchten, das Projekt der Mädchen in Frage zu stellen. Die stetige Diskussion darüber, weshalb immer nur etwas für die Frauen gemacht wird, aber nie für das männliche Geschlecht, sei hierbei ein typisches Beispiel für die sogenannte Täter-Opfer-Umkehr. Statt der benachteiligten Gruppe Hilfe und Beistand im Kampf gegen die ungleiche Behandlung zu leisten, wird diesen die Schuld für herrschende Missstände gegeben. Umso stolzer seien die Vier deshalb darauf, dass auch viele ihrer männlichen Mitschüler sie bei ihrer Aktion unterstützt haben. „Feminismus ist schließlich für jeden und schließt niemanden aus“, findet Victoria.

 

Ein kleiner Traum

 

Der Automat soll nicht die eigenen Periodenprodukte ersetzen, sondern als Unterstützung dienen. „Einige können sich eigene Hygieneartikel nicht leisten - dabei sollten Tampons kein Privileg sein, sondern ein selbstverständliches Recht“, fordern die Lilienthaler Schülerinnen. „Ein kleiner Traum wäre es deshalb, dass irgendwann im gesamten Schulgebäude, oder sogar an allen Schulen im Landkreis, solche Spender installiert werden“, sagen sie. Die Vier sehen ihre Aktion dabei selbst als eine Art Pilotprojekt. Sie wünschen sich, dass solch alltäglichen Problemen mit mehr Offenheit gegenübergetreten wird. Ihnen sei es besonders wichtig, dass Menschen nicht automatisch in eine Abwehrhaltung verfallen - vor allem dann nicht, wenn sie selbst nicht direkt betroffen sind. „Statt immer nur etwas für sich selbst zu fordern, kommen wir erst dann weiter, wenn wir anfangen unseren Mitmenschen mehr zu gönnen und das eigene Verhalten immer wieder zu reflektieren“, finden die jungen Frauen abschließend.


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