„Die Sternstunde des Josef Bieder“ feiert Premiere
Das Daumen drücken aller Mitglieder des Theaters in OHZ, der Scharmbecker Speeldeel, hat sich endlich gelohnt. Nach über einem Jahr Pause hob sich auf Gut Sandbeck wieder der Vorhang – nein, eigentlich doch nicht, denn das Publikum fand sich ganz ungewohnt in hell erleuchtetem Zuschauerraum mit offener Bühne wieder, die zudem mit allerlei Requisiten bestückt war. So kannte keiner der langjährigen Speeldeel-Fans „ihre“ Bühne. Und dann schlappte da auch noch eine Putzfrau (Souffleuse Petra Frerichs) über die heiligen Bretter, die für die Mitspieler die Welt bedeuten, fegte einige Staubpartikel zusammen und kehrte diese dann auch noch unter eine Fußmatte.
Offene Einblicke in die Theaterarbeit
Solch offene Einblicke in die Theaterarbeit waren die Zuschauer nicht gewöhnt, vor allen Dingen, als dann noch ein Mann in Arbeitskittel (Carsten Mehrtens) auf die Bühne trat und selbst durch die Anwesenheit des Publikums überrascht war.
„Bieder“, stellte er sich vor, „Josef Bieder. Ich bin hier der Chef-Requisiteur!“. Und wollte wissen, wer denn die Menschen im Saal waren und weshalb sie heute, am spielfreien Tag, überhaupt hier im Zuschauerraum säßen.
Auch einige der Zuschauer:innen schienen ein wenig verwirrt, während andere schon kicherten: „Die Sternstunde des Josef Bieder“ hatte Premiere.
Josef Bieder, besagter Chef-Requisiteur, wollte eigentlich die Bühne für die Aufführung des nächsten Tages vorbereitet, als er sich vor Publikum vorfand. Hin- und Hergerissen zwischen der Pflicht, die Theaterleitung von der offensichtlichen „Panne“ zu unterrichten und dem Wunsch, das immerhin zahlende Publikum zu unterhalten, zauberte er aus seinen immerhin 30 Jahren Bühnenerfahrung allerlei Schätzchen, zitierte aus der „Zauberflöte“, verriet bühnentechnische Interna aus „Othello“ und erläuterte, warum der Maronibrater aus „La Bohème“ verwaltungstechnisch ein Problem darstellt.
Nicht nur Theater, auch Konzerte hatte Bieder hinter seiner Bühne begleitet und festgestellt, dass der Auftakt das Schwierigste sei: „Die Defloration der Stille“.
Erfolgreiche Komödie
Mit dem Ein-Personen-Stück „Die Sternstunde des Josef Bieder“ hatte die Speeldeel bereits im vergangenen Jahr auf die Corona-Pandemie reagieren wollen. Allerdings erlaubten die Voraussetzungen es erst jetzt, das Stück vor Publikum aufzuführen.
Eberhard Streul schrieb die Komödie, mit der Otto Schenk so große Erfolge feierte, über den unauffällig im Hintergrund wirkenden und doch so unerlässlichen Requisiteur Bieder, der nun einmal aus der Versenkung auftauchen und seine eigene Sternstunde auf der Bühne erleben darf. Unter der Regie von Gastregisseur Marne Ahrens brillierte Carsten Mehrtens als pflichtbewusster Theater-Liebhaber mit Tiefsinn, Humor und kleinen sarkastischen Seitenhieben auf das Theater im Allgemeinen und im Besonderen.
Mehrtens zeigte sängerisches Talent, als er den „Bajazzo“ anklingen ließ, und näherte sich von unten den Talenten der für ihre Ausdrucksstärke bekannten Primaballerina Galina Ulanowa, als er deren „sterbenden Schwan“ in Petticoat und mit Fächern vorführte.
Amüsant und lehrreich
So erlebte das Premierenpublikum bei dieser Premiere der Einblicke einen amüsanten, unterhaltsamen und sogar lehrreichen Abend, der nach einer guten dreiviertel Stunde mit der Ansage endete, dass „die technische Probe beendet und die Bühne nun zu räumen“ sei.
Mit anhaltendem Applaus lockte das Premieren-Publikum Mehrtens mehrfach aus den Kulissen, und Bühnenleisterin Astrid Gries bedankte sich bei Publikum und Mitspieler:innen: „Ich bin froh, dass nach anderthalb Jahren Abstinenz wieder Theater gespielt werden kann. Das mach Spaß und stimmt glücklich.“
Das Stück ist noch bis zum 7. November auf der Bühne der Großen Scheune von Gut Sandbeck zu sehen. Karten für das Stück können ausschließlich telefonisch beim Theater in OHZ, Maren Tietjen, montags bis freitags von 17 bis 19 Uhr unter der Rufnummer 04791/95 92 96 bestellt werden.